Danny Fränkel
Soladum
Die Suche des Sonnenpatrons
Zum Autor
Danny Fränkel liest und schreibt seit seiner frühesten Jugend leidenschaftlich gerne Fantasy- und Alltags-Geschichten. Nach einer mehr als zweijährig währenden Wanderung durch Europa, auf der nur der Rucksack und einige Recherchenbücher seine ständigen Begleiter waren, legt Danny Fränkel hiermit sein Zweites Werk vor, dessen letzte Redigierung nach einer Odysee als Selbstversorgerbauer im Balkan Osteuropas erfolgte.
Heute ist er leidenschaftlicher Landschaftpfleger in Oberfranken.
Soladum
Die Suche des Sonnenpatron
Eigenverlag Danny Fränkel
Genehmigte E-Book-Ausgabe No. 1
Alle Rechte vorbehalten bei Danny Fränkel
1. Auflage 2020
E-Mail: danny-fraenkel@web.de
Widmung
Für mich
Soladum – Die Suche des Sonnenpatrons
Prolog:
Er verwandelte sich. Seine Lunge füllte sich mit der umgebenden Kälte. Er blieb ruhig, doch seine Gedanken rasten! Er begann zu schweben. Sein Gesicht verschmolz mit der Krähenmaske, die sich wie Lava gegen die Haut brannte. Er wollte schreien.
Plötzlich spürte er einen kräftigen Ruck, als sause er mit einer Achterbahn hinab. Magensaft benetzte seine Zunge.
Thomas atmete tief durch bevor er seine Krähenaugen öffnete.
Er erschrak. Nicht weil ihn das welke Grasland vor sich und der schwefelige Gestank irritierten, sondern die schiere Weite aus Bächen und Wegen unüberwindbar schien. In einem Gebiet so groß wie Deutschland, fand er die Hilfsgeister nie!
Wütend spreizte er seine Krähenschwingen, sah zum sonnigen Himmel und hob ab. Er schrie, statt des Vogelgesangs zu lauschen. So überschlug er sich, prallte in einen Baumwipfel und brach sich einen Flügel. Während der überschattenden Ohnmacht hörte er den Bach unter sich plätschern, fiel in die kalte Strömung und ertrank.
Thomas erwachte aus der Trance. All seine Glieder schmerzten. Nach Luft schnappend riss er sich mit der Linken die hölzerne Krähenmaske ab und warf sie davon. Während sie in der Dunkelheit der Höhle schepperte, biss er sich auf die Lippen: Sein rechter Arm lag an der Taille und rührte sich nicht – außer unter höllischen Schmerzen. Er muss ihn sich in der Unterwelt gebrochen haben.
Bevor er vorwerfend knurren konnte, schrie jemand. „Du Narr!“ Das Echo hämmerte unbarmherzig in seine Ohren. „Wie willst du deine Schutzgeister finden, wenn du dich selbst verstümmelst?!“
Derart zornig hat Thomas den Alten noch nie erlebt. Er begann zu zittern, als es auf dem Pfad im Höhlensee raschelte, der zu seinem Liegestein führte.
„Denkst du, die Götter machen es dir einfach?“, rief der alte Mann, der in völliger Finsternis auf ihn zumarschierte. „Da bin selbst ich besser als du, trotz meiner dreihundert Jahre!“
Thomas begann zu keuchen.
Die Schritte wurden lauter, bis sie plötzlich verstummten. Thomas konnte den heißen Atem des Alten spüren. Plötzlich umfassten zwei Hände seine Achseln und hievten ihn hoch.
Er unterdrückte einen Schrei, als die kräftigen Arme abließen und er vor Schmerz in das schwarze Nass zu fallen drohte. Der Alte erhob stattdessen die Stimme: „Wärst du mit deinem Schädel gegen den Baum geprallt, hätte sich deine Freiseele gelöst. Weißt du, was das heißt?“
Thomas schwieg und trat einen Schritt zurück.
„Dein Krähenkadaver wäre jetzt Frischfleisch für die Dämonen!“
Obwohl der Konflikt einseitiger nicht sein konnte, knirschte Thomas die Kiefer. „Lass’ mich in Frieden“, und trat am Mentor vorbei, verfehlte beinahe den Pfad und stürmte blindlings aus der Höhle.
Trotz der Bewölkung, die ihn begrüßte, blendete ihn das Licht. Er hatte sogar mit dem Gleichgewicht zu kämpfen. Sein Arm hing schlaff hinab. Er verlangsamte seinen Schritt und betrachtete die wirbelnden Sanddünen um ihn herum. Hitze – wie in der Kalahari – trieb ihm den Schweiß aus den Poren. Er stampfte weiter über aufgerissenen Sandboden. Alles wirkte tot und ohne Leben.
Endlich erreichte er sein Zelt. Es bestand ganz aus zottig-braunem Lamafell. Als er die Plane aufschlug, atmete er tief ein. Rechts neben einem aufrecht stehenden Breitschwert, das am Innenzelt lehnte, verteilten sich zwei schmucklose, okerfarbene Holztruhen. In denen befanden sich Kleidung und Fachbücher. Fachbücher über die Zauberkunst dieses Reiches.
Vor den Truhen lag ein zwei Meter langer Teppich mit blau, schwarz und orange gestickten Reliefs. Hierauf schlief, saß und studierte er die Bücher des Mentors.
Rasch stülpte er sich die dreckige Kutte ab und setzte sich halbnackt auf den Teppich. Als er die Beine kreuzte und die Augen schloss, strömte wohltuende Wärme vom Boden auf. Thomas versank in tiefer Meditation.
Zog nicht plötzlich jemand die Zeltplane zur Seite? Thomas wagte nicht die Augen zu öffnen, als die Stimme des Mentors erklang: „Es tut mir Leid. Ich darf wirklich nicht zu viel von dir verlangen. Selbst ich habe zehn Jahre gebraucht, bis ich den ersten Grad der Erleuchtung errang. Dennoch bleiben ‚dir’ nur wenige Monate – wenn überhaupt.“
Thomas schnaufte ohne aufzusehen. „Eure Anforderungen sind verrückter als die in meiner Welt.“
„Ich weiß, dass dir dein Reich am Herzen liegt. Aber wenn du zurückkehrst, sperren sie dich ein.“
„Wessen Schuld ist das wohl?“
Die Stimme des Alten dämpfte sich: „Es war deine Entscheidung. Und du hast die Macht ausgekostet, egoistisch wie du bist!“
Thomas wollte erwidern, schnitt ihm nicht der Mentor das Wort ab: „Wenn ich könnte, würde ich mein Land selbst retten. Doch die Tyrannen sind zu schnell und gewitzt für mich.“
Thomas wollte nichts mehr hören und versank in seinen Erinnerungen. Wäre dieser alte Mann nicht in sein Leben getreten, hätte er eine bessere Zukunft angestrebt, wäre sein eigener Herr geblieben und mit Achtung behandelt worden. Vor allem dachte er an ein Mädchen, das er seit Kleinauf kannte und dessen Herz er zurückerobern wollte.
Er öffnete seinen verklebten Mund und flüsterte tief und innig: „Christine.“ Ein Engel mit wachen Augen und blondem Haar, das wie das Fell einer Gazelle im Sonnenschein schimmerte.
Kapitel 1 Alte und neue Wunden
„Thomas, fang!“, rief Sasha ihm zu. Er sah zu spät, wie der Basketball auf seine verträumten Augen zuflog. Sein Nasenbein knackte, worauf der Ball achtlos auf den Boden hüpfte.
Er blickte seinen Freund Sasha verwirrt an. Der Sportlehrer pfiff dagegen in die Halle: „Vier zu Drei für die Mädchenmannschaft. Fünf Minuten Pause!“
Thomas war leider nicht in der Mädchenmannschaft. Sie haben fast verloren. Als wäre das das Ende des Welt stürmte Sebastian Schulz – der Klassenheld und Neonazi der 12b – auf Thomas zu. „Hast wohl wieder geträumt, Ortwig?“ Er packte Thomas am durchnässten T-Shirt, zog ihn hoch sodass sich ihre Blicke kreuzten. „Wenn wir wegen dir verlieren, schlage ich solang auf dich ein, bis du Hundefutter bist!“
Thomas’ Wut loderte auf. Doch blieben seine Lippen geschlossen. Er betrachtete den schwarzen Seitenscheitel, der noch perfekt auf dem neonazistischen Kopf saß.
Zu Schulz gesellten sich zwei halbstarke Glatzköpfe, die ihn anfeuerten: „Mach’ ihn fertig.“
Schulz presste Thomas’ Hals zusammen. Er sah plötzlich kantige Punkte und hörte kaum noch Sashas Ausruf: „Hört auf damit!“, und wie die Glatzköpfe ihn wegstießen.
„Lass ihn in Ruhe, Basti“, schien das Letzte, was er wahrnahm. „Es ist bloß ein Spiel.“
Thomas’ Atemwege öffneten sich wieder. Er registrierte alles um sich in solcher Intensität, dass er erstarrte: Sämtliche Schatten, Umrisse und der Glanz der an den Seiten stehenden Geräte; das Quietschen zwischen Parkett und Sohlen der herumalbernden Schleizer Gymnasiasten; der bittere Geschmack von Galle, die seine Speiseröhre hinaufschoss; und Christines Anblick in ihrem gelben und voll geschwitzten Trainings-Shirt sowie den haselnussbraunen Augen. Diese wechselten den Blick zwischen ihm und Sebastian Schulz, als könne sie sich nicht für einen der beiden entscheiden. Bis sie sich plötzlich an Schulz’ Taille schmiegte. „Er ist es nicht wert.“ Sie sah lächelnd auf. „Ich aber umso mehr – oder Basti?“
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