„Das werden wir ja sehen“, knurrte Onkel James und schenkte sich nach, ehe er weiter sprach: „Im Übrigen dachte ich nicht an irgendeinen Mann. Ich bin zu dem Entschluss gekommen, dass du einen richtigen, einen erfahrenen Mann brauchst. Nicht so ein Jüngelchen, der sich von deinen hübschen blauen Augen beeindrucken lässt. Es sollte ein Mann sein, dem etwas an den Geschäften deines Vaters und an Blue Hall liegt und der den Besitz verantwortungsvoll zu leiten weiß.“
„Und welcher Mann sollte das Eurer Meinung nach sein, Onkel?“ Wieder kam mir der alte Greis in den Sinn. Scheinbar war ich mit meinen Gedanken der Wahrheit schon recht nahe gekommen. Ich kämpfte verzweifelt gegen das Gefühl der Ohnmacht an. Vor meinen Augen tanzten blitzende Funken und ich krallte meine Finger in die Lehnen meines Sessels.
Er hingegen lehnte sich entspannt in seinem Sessel zurück und schaut mich mit einem selbstgefälligen Ausdruck an.
„Meine Wenigkeit“, verkündete er in einem Ton, als wäre es ganz selbstverständlich, dass nur er infrage käme. „Ich denke, es wäre von beiderseitigem Vorteil, wenn wir uns vermählen würden.“
Mir blieb vor Schreck der Mund offen stehen und mein Blut schien zu gefrieren. Ich musste mich verhört haben. Gewiss machte er nur einen makabren Scherz.
„Das meint Ihr nicht ernst?“, keuchte ich mit klopfendem Herzen. „Ihr seid mein Onkel!“
„Aber wir sind nicht blutsverwandt.“ Er lächelte wohlwollend, doch das Lächeln erreichte seine kalten Augen nicht. „Ich gebe dir drei Tage Zeit, mein Angebot zu überdenken. – Du solltest jetzt schlafen gehen. Es ist spät und eine anständige junge Dame sollte zeitig zu Bett gehen.“
Ich sprang auf und feuerte meine Handarbeit in den Handarbeitskorb. Meine Unterlippe bebte vor Zorn und Erregung. Ich war den Tränen nah.
„Dafür brauche ich keine Bedenkzeit! Niemals werde ich Euch heiraten! In drei Monaten werde ich volljährig sein und dann werdet Ihr dieses Haus verlassen.“
Mit diesen Worten rauschte ich aufgelöst aus dem Zimmer.
*****
Die nächsten Tagewar ich vor meinem Onkel auf der Hut. Zu meiner Verwunderung schien er einstweilen von weiteren Belästigungen abzusehen. Dennoch versuchte ich weiterhin, ihm auszuweichen und sperrte mich in meinem Zimmer stets ein, damit er mich auch dort nicht bedrängen konnte. Ich fühlte mich zunehmend unwohl in meinem eigenen Haus, welches mir sonst immer ein Gefühl von Sicherheit gegeben hatte. Als das von meinem Onkel gestellte Ultimatum von drei Tagen verstrichen war, wurde ich noch nervöser. Es passierte jedoch erst zwei weitere Tage später.
Wir saßen zusammen beim Supper, als er das Thema wieder zur Sprache brachte. Lustlos stocherte ich in meinem Essen, denn in seiner Anwesenheit verging mir regelrecht der Appetit. Eigentlich mochte ich Wachtel sehr, doch seit dem Tod meiner Eltern und besonders seit Onkel James Einzug, schmeckte für mich alles einfach nur fad. Selbst der Duft der knusprig gebratenen Vögel schien eher störend, denn anregend.
„Hast du dir mein Angebot überlegt, meine Liebe?“, fragte Onkel James betont höflich. Er schenkte meinem Mangel an Appetit keinerlei Aufmerksamkeit.
Ich zuckte zusammen und würgte an meinem Bissen, den ich mir gerade in den Mund gesteckt hatte und der mir nun im Halse festzustecken drohte. Schnell spülte ich mit einem Glas Wein nach, dann hob ich mit klopfendem Herzen den Kopf und begegnete seinem Blick. Ich war immer wieder aufs Neue erstaunt über diese absolute Kälte, die in seinen Augen geschrieben stand. Niemals zuvor hatte ich einen solchen Blick bei irgendeinem Menschen gesehen. Und wie schon unzählige Male zuvor, rann mir ein Schauer den Rücken hinunter.
„Nun?“, hakte mein Onkel ein wenig ungeduldig nach.
„Ich habe bereits gesagt, was ich zu sagen habe“, antwortete ich mit dünner Stimme.
„Ich könnte dich zwingen.“
Ich erschauerte. Ich wollte mir lieber nicht vorstellen, zu was er mich alles zwingen könnte. Neulich hatte ich ihn versehentlich dabei entdeckt, wie er mit einem der Küchenmädchen unaussprechliche Dinge getan hatte. Den Anblick würde ich so schnell nicht vergessen. Das Mädchen lag rücklings auf dem Esstisch, ihre Röcke hochgeschoben und ich hatte die behaarte Scham der Küchenmagd sehen können. Onkel James stand mit heruntergelassenen Hosen zwischen den gespreizten Schenkeln des Mädchens, sein Geschlecht immer wieder in sie hineinstoßend. Dabei hatte er abstoßende, grunzende Laute von sich gegeben. Er hatte mich zum Glück nicht bemerkt und ich hatte mich schnell wieder zurückgezogen. Ich verspürte wirklich wenig Lust, sein nächstes Opfer zu werden.
Onkel James erhob sich und umrundete den Tisch. Mir krampfte sich der Magen zusammen und Schweißperlen erschienen auf meiner Stirn.
Herr im Himmel, hilf mir! Was soll ich tun?
Ich sprang auf und wich vor meinem Onkel zurück, bis ich die große Nussbaumanrichte im Rücken spürte, die meinem Rückzug ein jähes Ende bereitete. Ein kleiner Schrei kam von meinen Lippen und Onkel James grinste siegessicher.
„Ich werde dich schon zu zähmen wissen, mein kleines Vögelchen. Ich werde dich lehren, wie du mir zu dienen hast. Komm und gib deinem Onkel James einen Kuss, mein Täubchen.“
Ich schrie auf, als er mich an den Oberarmen packte und sein Gesicht immer näher kam. Ich drehte den Kopf zur Seite, sodass sein Mund nur auf meine Wange traf. Was schon schlimm genug war. Angewidert sträubte ich mich gegen seinen Angriff. Der schiere Terror erfasste mich, als seine grobe Pranke schmerzhaft meine Brust quetschte, während seine fleischigen Lippen widerliche, feuchte Küsse auf meinem Hals platzierten und langsam in Richtung meiner Schulter tiefer wanderten. Ich war gefangen in einem Albtraum und meine Gedanken überschlugen sich auf der Suche nach einem Ausweg aus dieser misslichen Lage. Ich wusste, dass ich ihm körperlich unterlegen war. Seine brutale Umklammerung ließ mir kaum Raum, mich zu regen, obwohl ich alle Kräfte anstrengte.
„Wehr dich nicht, mein Täubchen. Es wird dir schon gefallen“, nuschelte er an meinem Hals.
„Nein! Lasst mich! Ich will das nicht! Hört auf damit!“, forderte ich, mich verzweifelt wehrend.
Es hatte keinen Sinn, er war einfach zu stark. Ich musste es irgendwie anders schaffen. Um ihn in Sicherheit zu wiegen, hörte ich auf, mich zu wehren und ließ ihn schaudernd gewähren. Wie erwartet, ließ er meinen Arm los und ich tastete mit meiner befreiten Hand nach einer brauchbaren Waffe. Endlich schlossen sich meine Finger um einen massiven Kerzenleuchter. Ich wischte jegliche Skrupel beiseite und nahm allen Mut zusammen. Mit aller Kraft schlug ich ihm den Leuchter auf den Kopf. Er schrie auf und taumelte zurück. Blut lief über sein Gesicht und er sah mich erst ungläubig, dann wütend an. Mir war klar, dass mir nicht viel Zeit blieb, da ich ihn nicht hart genug getroffen hatte, um ihn auszuschalten. Schnell fasste ich mir ein Herz und rannte aus dem Speisezimmer, die Treppen hinauf in mein Zimmer. Atemlos schloss ich die Tür hinter mir und schob den schweren Riegel davor. Mein Herz klopfte aufgeregt und ich fühlte mich zittrig und einer Ohnmacht nahe. Tränen rannen über meine erhitzten Wangen und verschleierten mir den Blick. Ich lehnte mich mit dem Rücken gegen die Tür und sackte langsam in mich zusammen. Der Schock über das gerade Erlebte und der noch immer tief sitzende Schmerz über meinen Verlust brach sich in heftigem Schluchzen bahn.
Ein polterndes Klopfen an der Tür ließ mich zusammenfahren und mein Schluchzen erstarb.
„Elizabeth! – Mach sofort die Tür auf!“, ertönte die polternde Stimme meines Onkels.
„Nein! Geht!“, erwiderte ich mit zittriger Stimme. Mir wurde übel. Ich unterdrückte den Würgreflex, schmeckte die säuerliche Bitterkeit von Magensäure.
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