Und eine zweite Tatsache bekräftigt diese These!“ fuhr Kai fort. „Vater hat mit mir darüber gesprochen, was er machen will, wenn ich die Firma nicht übernehme! Er will alle seine Aktien in eine humanitäre Stiftung einbringen, die kulturelle, völkerverbindende und sportliche Projekte unterstützen will. Auch dieser Plan, dem ich mich nicht in den Weg stellen werde, weist ihn als Mäzen, als Menschenfreund aus! Er hatte zwei Leben, ein fremdbestimmtes und ein selbstbestimmtes. Und das selbstbestimmte ist das, was zählt. Im Grunde sind seine Selbstbezichtigungen gegenstandslos, weil die Taten, für die er sich schuldig fühlt, gar nicht von ihm selbst kamen.“
„Das musst Du ihm unbedingt sagen!“ fuhr es aus mir heraus. „Zumindest, dass wir es so betrachten! Denn die Öffentlichkeit wird diese Zusammenhänge nicht so schnell verstehen!“ „Du bist für deine Jahre ein verdammt gescheites Mädchen!“ bemerkte Kai hierauf. „Das muss man sein, wenn man, wie wir, zu einer geächteten Familie gehört“, erwiderte ich. „Zu einer wieder allgemein geachteten Familie!“ ließ sich da die Stimme von Mama vernehmen, die zurückgekehrt war und meine Worte gehört hatte. Und Mama beantwortete uns auch sofort die noch nicht gestellte Frage, die uns allen auf dem Herzen brannte. „Papa geht es den Umständen nach gut! Er ist wieder bei Bewusstsein und kann auch alle seine Glieder bewegen. Er bleibt bis morgen zur Beobachtung noch auf der Intensivstation. Und wenn sich der positive Befund von heute Abend morgen früh bestätigt, kann er morgen wieder entlassen werden!“
Wir waren alle sehr erleichtert über diese Auskunft und machten uns große Hoffnungen, am nächsten Tag Papa wieder bei uns zu haben. Als Mutter uns darauf fragte, wie wir die Zeit während ihrer Abwesenheit verbracht hätten, erzählten wir ihr, was wir über Papa gesprochen hatten, nachdem wir die ersten Absätze seines Tagebuches aus der Gefangenschaft gelesen hatten. Mama freute sich über die positive Meinung, die wir uns über Papa gebildet hatten, und lobte besonders Kai, der scheinbar rein geschäftliche Vorgänge so menschlich gedeutet hatte. Kai wehrte Mamas Lob aber bescheiden ab und meinte, jeder sei auf diese Gedanken gekommen, wenn er seine Kenntnisse gehabt hätte.
Dann fiel ihm aber noch etwas ein, das das positive Urteil, das er sich über Papa gebildet hatte, weiter festigte. Wieder stellte er unsere Urteilsfähigkeit auf die Probe, indem er fragte: „Was haltet ihr von Menschen, die gute Musik lieben?“ Dieses Mal waren wir nicht um eine Antwort verlegen und Klaus Dieter, der Bandleader, sagte: „Die sind o.k.“ „Und warum?“ fragte Kai weiter. „Weil die Musik einen Eindruck von Vollkommenheit geben kann und von einem harmonischen Miteinander mehrerer eigenständiger Stimmen oder Personen“, sagte Mama. Und sie fuhr fort. „Musik kann für die Zeit ihrer Dauer den Himmel auf Erden fühlbar werden lassen, ein schönes, friedfertiges Paradies!“ Kai sagte hierauf: „Sie kann die Wahrheit ohne Rücksicht auf Abhängigkeiten oder Empfindlichkeiten ausdrücken, weil sie keine Worte benutzt. Sie kann uns die Wahrheit einer dramatischen Situation, eines Konfliktes, eines Todes ebenso ohne zu verletzen nahebringen wie die Wahrheit einer Lust, einer Schönheit, einer Liebe. Und darum ist sie vielleicht neben der bildenden Kunst die einzige Kunst, die alles, was da ist, vereinbaren kann, ohne ungerecht oder verletzend zu sein! Sie hat Sinnlichkeit, Seele und Sinn und damit eine eigene echte, wahre Lebendigkeit! Und wer sie liebt, die Musik, hat die tiefe Sehnsucht nach wahrer Empfindung und nach friedvoller Harmonie, nach einer besseren Welt und einer gütigen Menschheit.“
„Das hast du schön gesagt“, lobte ihn darauf Mama schon zum zweiten Mal! „Das stammt nicht von mir“, erwiderte Kai, „ihr könnt den Urheber solcher Gedanken unschwer erraten!“ „Papa!“ sagte ich. „Richtig!“ sagte Kai. „Er hat mir von seiner riesigen Plattensammlung erzählt! Von manchen Symphonien Beethovens hat er mehr als fünfzig verschiedene Aufnahmen.“ Hierauf beschloss Mama unser Gespräch, indem sie sagte: „Es ist gut, dass ihr selber bemerkt habt, dass ihr einen wundervollen Vater und Freund habt!“ Wir nahmen noch ein hastiges Abendessen und verschwanden dann alle in unseren Kojen, - natürlich um Papas Tagebuch weiter zu lesen.
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