1 ...8 9 10 12 13 14 ...17 Aber seine Zuneigung möchte ich mir schon erhalten. Man kann ja als Frau in dieser von Männern beherrschten Welt nicht genug Freunde haben, um in schwierigen Situationen von ihnen unterstützt zu werden. Vielleicht geht seine Neigung zu mir so weit, dass er mir einige Börsentipps, die er von seinem Vater erhält, mitteilt. Da könnte mich auch seine Zwergenfigur nicht davon abhalten, ihn ernst zu nehmen und auf ihn zu hören. Aber als sozusagen „geliebter Freund“ kommt er zurzeit noch nicht für mich infrage. Da muss er schon noch ein bisschen wachsen. Das sieht doch nicht aus, wenn man mit einem Freund unterwegs ist, der einem nur bis zum Bauchnabel reicht.
Im Übrigen hat mich Klaus Dieter vorhin angerufen und sich entschuldigt, dass er mich belogen und betrogen hat. Er will auch Gott in meiner Gegenwart um Vergebung bitten und sich, um seine Reue zu zeigen, vor uns beiden, Gott und mir, auf den Boden schmeißen und uns versprechen, dass er keinem anderen Mädchen mehr einen Zungenkuss geben will. Ich habe mir Bedenkzeit erbeten, denn ich hänge nun einmal an Klaus Dieter. Auch wenn er ab und zu mal eine Dummheit macht. Mama hat mir auch gesagt, dass normale Männer keine Heiligen sind und dass man schon ab und zu die Augen zudrücken muss, wenn sie ihre tollen Tage kriegen. Ich bin ja auch keine Heilige und versuche mir Wilhelm und Christian warm zu halten – auch wenn ich nicht mit ihnen knutsche und ihnen Zungenküsse gebe. Mit anderen Worten, ich bin schon entschlossen Klaus Dieter zu verzeihen, aber man muss ja nicht sofort entgegenkommend sein. Ein bisschen schmoren soll er doch noch.
Papa und Kai sind von ihrer Mexikoreise zurückgekommen. Papa hat große Aufträge für die Firma hereingeholt, so dass die Beschäftigung für seine vielen Arbeiter in den nächsten Jahren gesichert ist. Kai hat viele Fotos und Filme von alten Städten der Mayas und Azteken mitgebracht. Jeder von ihnen ist sichtlich stolz auf seine Ausbeute, aber man merkt natürlich, sagt Mama, dass ihre Interessen weit auseinander gehen und dass Kai die geschäftliche Seite der Reise kalt gelassen hat.
Papa ist auf der Rückreise noch in Amerika gelandet, um seine zweite Frau zu treffen und mit ihr gegen viel Geld eine schnelle Scheidung zu vereinbaren. Für zwei Millionen Dollars hat sie sich mit der Scheidung einverstanden erklärt und auf alle weiteren Ansprüche verzichtet. Sie haben ihre Vereinbarung vor einem Notar schriftlich besiegelt und Papa muss die Dokumente nur noch einem deutschen Gericht vorlegen, um wieder ganz frei zu sein. Dieses ist ihm wichtig, denn er möchte jetzt, nachdem Oma tot ist, Mama zum zweiten Mal heiraten und sie und uns damit auch juristisch in aller Form als seine legitimen Erben absichern, wie er zu Mama gesagt hat.
Wir freuen uns natürlich über diese Entscheidung von Papa. Und Mama möchte die Hochzeit in ganz großem Stil feiern, weil die erste Hochzeit mit Papa nur ganz einfach und heimlich im engsten Freundeskreis gelaufen ist. Papa hat - für Mama ganz unerwartet - versprochen, ihr den Wunsch zu erfüllen. Er hat sie damit richtig glücklich gemacht, und sie tut jetzt alles, um Papas Leben zu verlängern. Sie schleppt ihn zu allen Ärzten und Gesundbeterinnen, die sie ausfindig machen kann, und hat die Genugtuung, dass Papa auf sie hört und angefangen hat gegen seine Krankheit zu kämpfen. Er raucht auch nicht mehr. Er sagt zwar, dass er kaum eine Chance habe, wieder gesund zu werden, aber dass sein Verzicht auch dann Sinn habe, wenn er dadurch einen oder zwei Monate länger lebe. Und vielleicht können es auch ein oder zwei Jahre sein. Er sagt, das Leben gefalle ihm wieder und er wolle die Geschäfte in die Hände eines Freundes legen, damit er die Zeit, die er noch habe, unbelastet von den Geschäften genießen könne.
Mit Kai habe ich ein langes Gespräch gehabt. Ich habe ihm berichtet, dass Klaus Dieter mir untreu geworden sei, aber diesen Fehltritt bereue und sich mir in unserer Kirche zu Füßen werfen wolle, um meine und Gottes Vergebung zu erhalten und um zu versprechen, dass er in Zukunft so etwas nie wieder tun wolle. Ich habe Kai auch erzählt, dass Klaus Dieter sich ganz schlecht gefühlt habe, nachdem er mich mit Ulla betrogen habe. Von Wilhelm und Christian habe ich in diesem Zusammenhang geschwiegen, aber ich hatte auch kein gutes Gefühl, dass ich die beiden in ihrer Neigung zu mir ermutigt habe. Ich denke, dass die Treue in einer Beziehung zwischen Mann und Frau doch eine ganz große Rolle spielt und dass es sich schwer rächt, wenn man seinem Partner untreu wird.
Kai hat mich bestätigt, als ich diesen Gedanken ausgesprochen habe, und hat mir gestanden, dass er diese schlechten Gefühle auch kennengelernt habe, als er der Frau, die er einzig liebe, untreu geworden sei. Er kennt zwar diese geliebte Frau überhaupt nicht persönlich, weil sie ein Filmstar ist und er sie nur im Film gesehen hat, er sich aber bereits als ihr Mann fühlt und bedauert, dass er sich zwischenzeitlich noch eine andere Freundin zugelegt hatte. Immerhin hat er der geliebten Frau schon einen Brief geschrieben und ihr seine Liebe gestanden. Den Fehltritt mit der Freundin will er ihr später gestehen, wenn er sie persönlich kennen gelernt hat, denn im jetzigen Stadium ihrer Beziehung könnte ihm ein solches Geständnis mehr schaden als nützen, hat er gesagt.
Kai hat mich dann über Klaus Dieters und meine Pläne für die Zukunft befragt. Er sagte, dass er als mein Bruder wissen müsse, ob ich auch in gute Hände käme und gut versorgt sein würde. Da habe ich ihm erzählt, dass Klaus Dieter Millionär werden will und dass ich natürlich auch einen Millionär zum Mann haben möchte, weil man bei den Männern, die keine Million haben, als reiche Erbin ja immer befürchten müsse, dass diese einen nur des Geldes wegen heiraten wollten. Da hat Kai mich gefragt, ob ich mit der Heirat warten wolle, bis Klaus Dieter 80 Jahre alt geworden sei, denn so lange könne es dauern, bis er seine Million zusammen habe. Da habe ich ihm geantwortet, in diesem Falle müsste ich mir überlegen, ob ich Klaus Dieter auch ohne Million heiraten könne. Schließlich wolle ich nicht mit einem arbeitslosen Laubenpieper mit vier Kindern in einer Schrebergartenhütte zusammenleben.
Da hat mir Kai von den Mayas erzählt, die in Yukatan im Wald in Hütten aus geflochtenen Ästen leben, die nur einen Raum haben. Er hat mir gesagt, dass die Kinder dieser Menschen fast nackt mit Pfeil und Bogen im Wald herumliefen und auf alles Jagdbare schössen und ab und zu auch Ratten oder Mäuse nach Hause brächten, um sie zu essen. Diese Menschen hätten überhaupt keinen Luxus, seien aber viel glücklicher und freundlicher als wir mit unseren Millionen.
Er, Kai, denke, dass zu viel Sorge um Geld die Menschen von viel wichtigeren Dingen abhalte, vom Denken über den Sinn des Lebens, von der Freude an und dem Anfertigen von schönen Dingen, von vertrauensvoller Freundschaft, von der Zuwendung zu seinen Mitmenschen, von einfachen Feiern mit Gesängen und Tänzen, von Körperertüchtigung bei Spiel und Sport, vom Studium der Wissenschaften und der Lektüre von wertvollen Büchern, von vielen Reisen und dem Entdecken der Welt. Und vor allem vom gemeinsamen Musizieren. Er selbst habe die wenige Freude, die er in den Schulen, die er besucht habe, empfunden habe, eigentlich nur in den Bands gehabt, in denen er dort mit seiner Gitarre oder seinem Schlagzeug mitgespielt habe.
Einige Tage später rief Klaus Dieter mich an und wollte mit mir einen Termin für die versprochene Bußzeremonie abmachen. Wir einigten uns auf den folgenden Samstag zwischen 9 und 10 Uhr in unserer Kirche. Der Gottesdienst war dann vorbei und nach unserer Erfahrung kam in dieser Zeit kein Gläubiger in die Kirche, die den ganzen Tag offen stand. Klaus Dieter wollte keine Zeugen der Zeremonie haben und verpflichtete mich zur Verschwiegenheit. Ich unterrichtete auch nur Kai davon, damit er Bescheid wusste, wo ich war, wenn Papa oder Mama nach mir fragten.
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