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Von der Schwierigkeit, authentische Weiblichkeit zu erfahren und diese lustvoll leben zu können
Zu einer Zeit gab es ein junges Mädchen, das war in einem Kloster groß geworden. Es konnte zu Gott beten, meditieren, Choräle singen und Verse machen, fasten und schweigen. Als das Mädchen 19 Jahre alt und eine junge Frau geworden war, sollte diese sich entscheiden, ob sie für immer im Kloster leben wolle, oder ob sie einen Mann heiraten und eine Familie haben wolle. Die junge Frau wusste nicht so recht, wie sie nun leben sollte, aber auf keinen Fall wollte sie im Kloster bleiben. Unter dem Vorwand, heiraten zu wollen, verließ sie das Kloster und ging in eine entfernte Stadt. Dort logierte sie sich bei einer alten Frau ein, die ihr eine Arbeit verschaffen wollte. Die junge Frau war glücklich, eine Unterkunft gefunden zu haben.Nun hatte die alte Zimmerwirtin einen Sohn, der jung und sehr stattlich anzusehen war und der sein Zimmer neben dem der jungen Frau hatte. Als nun der Mann der jungen Frau behilflich war, ihre Habseligkeiten in ihrem Zimmer unterzubringen, da war sie sehr beeindruckt von dem Mann und konnte nachts nicht schlafen, und musste immer an ihn denken.Sie fühlte sich allein und wünschte sich in ihr Kloster zurück, wo sie das Leben kannte. Als der junge Mann eines Abends an ihre Tür klopfte und ihr mitteilte, er solle von seiner Mutter ausrichten, sie hätte zwar noch keine Arbeit für sie gefunden, aber dafür könne er ihr in dieser Angelegenheit weiterhelfen, spürte sie so etwas wie eine vorher nicht gekannte Vertrautheit und ihr Gefühl des Alleinseins verließ sie. Da der junge Mann nun sehr schön war und zurückhaltend wirkte und immer noch in der Tür stand, da bat sie ihn in ihr Zimmer, obwohl oder weil sie so große Herzklopfen hatte. Er setzte sich auf einen Stuhl, der neben einem kleinen Tisch unter dem Fenster stand, und sein Gesicht schien hell und klar. Die junge Frau fühlte sich zu dem Mann hingezogen und überwältigt und sie verbrachten schließlich die Nacht zusammen. Die junge Frau war sehr glücklich, so etwas Schönes hatte sie noch nicht erlebt in ihrem kurzen Leben. Als der junge Mann morgens das Zimmer verließ, konnte die junge Frau diese Trennung kaum aushalten und wartete während des ganzen Abends auf den jungen Mann. Auch die ganze Nacht lauschte sie auf ein Klopfen, auf ein Zeichen, jedoch der junge Mann kam nicht, auch den nächsten Abend nicht, auch nicht die Abende darauf. Es vergingen Wochen und Monate und schließlich wurde die junge Frau so unglücklich und verzweifelt, dass sie nicht mehr weiter leben wollte, jedoch lebte es sich irgendwie wie von selbst, da in ihr neues Leben heranwuchs, sie war schwanger. Nun hatte sie immer noch keine Arbeit gefunden und half der Zimmerwirtin im Haushalt, jedoch als diese die Schwangerschaft bei der jungen Frau bemerkte, wurde sie sehr zornig und warf die Frau hinaus, ohne sie anhören zu wollen. Diese wusste nun nicht, wohin sie gehen sollte und war verzweifelt. Da bot ihr eine andere Frau auf der Straße Quartier und sagte, sie könne ihr im Haushalt helfen. Und so arbeitete die junge Frau als Haushaltshilfe, bis ihr Kind geboren wurde. Nach der Geburt, es war ein Mädchen, blieb der jungen Frau nichts anderes übrig als es in eine Pflegefamilie zu geben. Das brach ihr fast das Herz oder vielleicht auch vollständig. Jedenfalls beschloss die Frau, ihr Kind sollte es einmal –wie auch immer- besser haben und so fing sie an Geld herbeizuschaffen. Da die Frau, bei der sie im Haushalt hatte arbeiten können, viele junge Frauen beherbergte, die sich ihr Geld mit dem Angebot ihrer „Liebeskünste“ verdienten und die junge Frau viel Geld benötigte, um ihrem Kind ein erträgliches Dasein in der Pflegefamilie zu ermöglichen, fing sie eines Tages auch an, sich und ihren Körper anzubieten. Doch sie war sehr unglücklich und weinte dann bitterlich und dachte sehnsüchtig an die Zeit zurück, als sie im Kloster gewesen war.Dort hatte sie in einem weißen kargen Raum gesessen, meditiert, gefastet und zu Gott gebetet. Dort gab es keine Lust und keine Sinnenfreuden und keine materiellen Sorgen. Allerdings war sie auch nicht glücklich gewesen. Nun war sie verzweifelt und wusste nicht mehr, was sie tun sollte. Da erschien ihr im Traum ihre Mutter Oberin aus dem Kloster und sagte voller Mitgefühl mit der jungen Frau“ Du hast die Welt der Askese und Meditation im Kloster und die Welt außerhalb der Klostermauern kennen gelernt. Wenn du eines Tages entdeckst, dass es eine Welt ist ohne Mauern und du in dieser ohne Schuld, Scham und Angst leben kannst, dann bist du angekommen!“Als die junge Frau aus diesem Traum erwachte, hatte sie zwar erahnt, was die Mutter Oberin meinte, sie fühlte sich jedoch immer noch zwischen zwei Welten, zwischen der einer meditativen und der einer sinnlichen Frau.
Das Sich - Zurück - Sehnen des Halbkugelmenschen nach dem Kugelmenschen wird besonders im Ausleben der Sexualität deutlich. Die sexuelle Lust, der Orgasmus, ermöglicht so etwas wie ein „Einsseingefühl“, so etwas wie Vollständigkeit und Ganzheit, was wir häufig auch mit einer Kugel verbinden, die so etwas wie den perfekten Körper darstellt. Durch die körperliche Verbundenheit zweier Menschen während des Geschlechtsaktes erfährt der Mensch sich ein wenig als der aristophanische/platonische Kugelmensch, mit vier Armen, vier Beinen, zwei Köpfen und zwei Geschlechtsorganen… Während des Geschlechtsaktes scheint die intensive Sehnsucht nach Ganzheit, nach Einssein zumindest für Momente gestillt. Dieses Einsseins im Ursprünglichen ist etwas „Außerirdisches“ und gleichzeitig erdverbunden, diese beiden Attribute gehören zusammen. Es ist die Verbundenheit mit dem „Himmlischen“ und dem „Irdischen“, dem Göttlichen und dem sich sehnenden Halbkugelmenschen. Diese Verbundenheit gilt es in diesem Leben wiederzuentdecken und sie zu erfahren, sie zu erleben, zu leben.
Jedoch ist dies nicht so einfach, da diese Verbundenheit nicht nur im Verlauf der Menschheitsgeschichte verloren gegangen ist, sondern bereits zu Beginn der Menschheit nicht mehr existierte.
Der Mensch war getrennt von seiner Ganzheit und hat in diesem Leben, die Aufgabe diese Trennung weitestgehend aufzuheben. Das Ausleben der Sexualität als universelle Urkraft bietet eine Möglichkeit die Sehnsucht nach Ganzheit zumindest teilweise zu überwinden und ein zeitweises Gefühl von „Angekommensein“ zu erfahren. Dennoch gibt es bis zum heutigen Tage eine Art Verirrung, was das Ausleben der Sexualität betrifft, da die Sexualität und die Spiritualität, d.h. das Geistig/Geistliche voneinander getrennt sind, obwohl beides zusammengehört.
Durch die Zivilisation und die damit verbundenen Regeln hat diese Trennung zwischen Natur und Geist stattgefunden.
Wir haben ein Bordell, wo „Liebe“ = Sexualität käuflich ist und wir haben eine Kirche, die Sexualität nur als Fortpflanzungspflicht ansieht (die katholische Kirche z. B.).
Auch der Versuch einer sexuellen Befreiung in der 68-er Revolte im 20.Jahrhundert in Europa und in den USA haben nicht viel an der Gespaltenheit und an den Irrwegen, die die Sexualität im menschlichen Dasein einnimmt, geändert oder jene verhindert.
Was können wir nun wirklich tun, wenn wir dieses Gespaltensein aufheben wollen? - Wir müssen lernen, uns selbst zu verstehen, uns selbst in dem folgenden Sinne Fragen zu stellen: wo kommen wir her, was sollen wir hier, auf dieser Erde, wohin gehen wir? Welches sind unsere Aufgaben als Mann und Frau? …
In diesem Märchen sind unsere eigenen Anteile, die Weiblichkeit zwar schon ausgeprägt vorhanden, sie ist für die Sexualität bereit, sie sehnt sich nach dem Anderen, nach Körperlichkeit, aber der weibliche Anteil ist noch sehr naiv und domestiziert zugleich. Die junge Frau ist zwar christlich erzogen, kann Gott dienen, ist mit Meditation und kirchlichen Regeln vertraut, allerdings kann sie mit diesem einseitig gestalteten Leben nicht glücklich werden und verlässt das Kloster, die Abgeschiedenheit und damit auch das Geistig-Geistliche (das hier vor allem in einer reglementierten Form vertreten ist). So lernt sie die Sinnlichkeit, das weltliche Dasein kennen.
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