»Korrekt. In der Tiefsee waren alle beteiligten Elemente, Komponenten in Sicherheit. Gewissermaßen gut behütet ..., oder bewacht.«
»Klingt wie unser Gefängnis!«, lachte ich.
»Ist aber gar nicht so abwegig. Denn der Mensch ist schließlich das höchstentwickelte Lebewesen auf diesem Planeten.«
»Und wo entstanden dann schließlich die ersten Menschen? Nicht in der Tiefsee, oder?«
Er sah mir an, das ich scherzte. »Hm ..., ich höre da einen leicht ironischen Unterton.«
»Nun ja, ich habe zwar Fantasie ..., aber mir solche Vorgänge über einen Zeitraum von Millionen von Jahren vorzustellen, übersteigt meinen Horizont.«
»Darum forschen wir ja. Darum wird überhaupt geforscht. Damit wir es besser verstehen ..., und vielleicht einmal tatsächlich einen Beweis finden.«
»Welche Beweise gibt es denn bisher?«
»Alle bisher gefundenen wirklich alten Überreste von Hominiden wurden in Afrika entdeckt. Die ältesten sind bis zu sieben Millionen Jahre alt und unsere Spezies ungefähr zweieinhalb Millionen Jahre. Allerdings waren das eher noch Affen als Menschen. Sie hatten noch nicht ein so hochentwickeltes Gehirn ..., von anderen Dingen einmal abgesehen. Aber im Laufe der Evolution hat sich das dann zu der heutigen Beschaffenheit entwickelt.«
»Hm.«
»Was meinen Sie?«
»Nichts. Ich überlege nur.«
»Tja ..., das ist etwas, was ich schon mein ganzes Leben lang tue. Und jetzt bin ich hier.«
Er schien etwas schwermütig zu werden. Ich störte ihn nicht in seinen Betrachtungen.
»Wollen wir wieder zurück gehen? Es ist ja auch schon spät geworden«, schlug er nach einer Weile vor.
»Oh ja ..., auf jeden Fall!«
Wir gingen schweigend zurück zu der Baracke.
Dort angekommen hörten wir, dass die Wissenschaftler noch immer in der Debatte begriffen waren. Soeben sprach Doktor Emerson: »Ohne das Meer wäre das alles Nichts! Die tiefsten Gräben, die höchsten Berge, finden sich in den Ozeanen. Und der größte ..., oder tiefste ..., Tiefseegraben der Welt ist der Marianengraben ..., mit über elftausend Metern. Und der wiederum liegt im größten Ozean der Welt, dem Pazifik. Er ist halb so groß wie alle Ozeane zusammen, größer als alle Landgebiete der Erde ..., womit er über ein Drittel der Erdoberfläche bedeckt ..., und im Durchschnitt vier Kilometer tief. Er beherbergt zahlreiche aktive Vulkane ..., vielleicht ist Ihnen der Feuerring des Pazifiks ein Begriff?«
»Ja ..., da habe ich schon von gehört«, antwortete Björn. Offenbar gab es hier eine Weiterbildung zu vorgerückter Stunde.
»Kein Wunder, ohne Vulkane gäbe es Hawaii nicht. Man stelle sich vor ..., kein Surfen, kein Hula-Hula ...,«, fiel Maik ein.
»Hee, es ist wieder eine Dame anwesend ..., benimm dich!«, hielt Björn dagegen.
Bevor sich Unmut breit machen konnte, erläuterte Professor McKinney: »Insgesamt gibt es drei Ozeane, den Atlantischen, den Indischen und den Pazifischen, mit einem Wasservolumen von eins Komma vier Milliarden Kubikkilometern.«
»Das braucht eine Weile zum Trockenlegen«, scherzte ich.
»Ha ha ..., es kommt ja eher etwas dazu«, lachte Nilsson. »Die Pole schmelzen seit dem Zwanzigsten Jahrhundert beständig, der Himalaya und andere Gebirge ebenfalls. Der Wasserspiegel steigt. Denken Sie nur an das Gefängnis ..., also an dessen Untergrund. Das war vor einer Generation noch eine bewohnte Insel mittlerer Größe.«
»Wie arbeiten Sie denn im Untergrund?«, fragte ich. Es sollte wieder ein Scherz sein, doch wurde meine Frage ernsthaft aufgefasst.
»Wir nutzen Hai-Käfige, sonst könnten wir unter Wasser oder im Wasser gar nicht arbeiten«, erklärte Doktor Rossi. »Haie sind zwar prinzipiell Einzelgänger ..., da jagt jeder für sich allein ..., aber wo einer ist, ist der nächste meist nicht weit entfernt.«
»Klingt ziemlich egoistisch.«
»Ha ha ..., ja so ist das im Tierreich. Die sind nicht so gestrickt wie wir Menschen!«
»Jedenfalls nicht alle. Es gibt solche und solche Tiere. Aber da sie alle Bewohner dieses Ozeans sind, müssen wir entweder mit Haikäfigen arbeiten ..., oder unser Goldstück einsetzen ..., ein Mini-Tauch-U-Boot für zwei Personen. Theoretisch könnten wir damit in den Marianengraben fahren ..., und zwar an den tiefsten Punkt des Ozeans. Aber da das Boot noch in der Erprobungsphase ist, belassen wir es vorerst bei tausend Metern. Das ist auch schon eine deutliche Belastung«, ergänzte McKinney.
»Denn der Wasserdruck steigt mit zunehmender Tiefe, gleichzeitig sinkt die Temperatur. Dennoch gibt es eine beispiellose Vielzahl von Lebewesen dort unten.« Jakob schien tief beeindruckt.
»Zum Beispiel Kraken ..., die sich nicht nur bei Kapitän Nemo, sondern in allen Seemannsgeschichten finden«, fügte Maurice hinzu. Er wollte wohl noch eine kleine Gute-Nacht-Geschichte zum besten geben.
»Na danke, da werde ich bestimmt gut schlafen heute«, scherzte ich.
»Sehr gern«, gab der Franzose lächelnd zurück.
»Ist halb so wild ..., wir schmecken nicht besonders ..., und als natürlicher Feind werden wir auch nicht wahrgenommen. Dafür sind wir zu klein. Man muss nur aufpassen, dass es zu keinem Unfall kommt ..., dass meinetwegen ein Pottwal den Weg kreuzt oder so«, wiegelte McKinney ab.
»Gilt da nicht rechts vor links?«
Diesmal kam mein Witz wieder an, es gab Gelächter in der Runde.
Mit belustigter Miene sagte Maurice daraufhin: »Verkehrsregeln gibt es da unten keine. Pottwale tauchen fast anderthalb Stunden und bis zu dreitausend Meter tief. Doch die sind nicht das Problem, auch nicht der Druck, die Dunkelheit oder die Temperatur. Das kriegen wir alles bewältigt mit unserem Tauchboot ..., es ist extra für solche Zwecke gebaut.«
Ich mochte etwas ratlos wirken, was kein Wunder war, hatte ich mich mit Tauchbooten doch noch nie beschäftigt, So sah sich Professor McKinney offenbar genötigt, ins Detail zu gehen: »Wenn wir von der Tiefsee sprechen, dann meinen wir Wasserschichten, die für normale Taucher nicht zu erreichen sind. Vierzig Meter sind beispielsweise für Sporttaucher kein Problem, und bis zu einer Tiefe von fünfhundert Metern können Menschen in Druckanzügen gelangen. Meeresschildkröten erreichen die dreifache Tiefe, anderthalb Kilometer, das ist für Menschen nicht mehr leistbar. Und Pottwale erreichen noch einmal das Doppelte, das ist schon sehr beachtlich. Die Titanic, die 1912 im Nordatlantik gesunken ist, liegt übrigens in dreitausendachthundert Metern Tiefe. Nur, damit Sie mal einen Vergleich haben. Unser Tauchboot ..., wir müssten korrekterweise eigentlich Tiefsee-U-Boot sagen ..., unterscheidet sich nun wiederum ganz wesentlich von den anderen, normalen U-Booten, wie sie das Militär verwendet. Die können Tiefen von sechshundert bis tausend Metern erreichen, manche auch ein bisschen mehr. Doch bemannte Tiefsee-U-Boote können bis zu sechstausend Meter und tiefer tauchen, und zahlreiche Nationen verfügen mittlerweile über entsprechende Boote. Frankreich, Japan, China und natürlich Russland und die USA beispielsweise. Der tiefste Punkt liegt im Marianengraben, rund elf Kilometer unter der Wasseroberfläche. Bisher sind nur wenige Menschen so tief getaucht, die ersten waren Jacques Piccard und Don Walsh 1960 mit ihrem Tauchboot “Trieste”.«
»Okay ...«
»Unser Tauchboot ist sieben Meter lang, drei Meter breit und wiegt voll ausgerüstet zwölf Tonnen. Damit können wir drei Tage unter Wasser bleiben. Die Fenster bestehen aus Acryglas und sind extra für derartige Einsätze konzipiert. Mit den entsprechenden Kameras und Scheinwerfern können wir auch unter Wasser sehen.«
»Ja ..., die Zeit braucht ihr auch, bei dem Schneckentempo«, lästerte Roberto.
»Fußgängertempo wolltest du wohl sagen«, gab Maurice zurück und grinste dabei. »Außerdem soll man nichts übereilen ..., schau dir die Wale an! Die haben die Ruhe weg.«
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