»Außerdem gibt es eine Live-Schaltung rüber zur Insel. Dort sitzt ein Kommando ..., Soldaten vom United States Marine Corps, US-Marines, wenn Ihnen das etwas sagt ..., das nicht nur die ankommenden Flugzeuge, sprich unsere Gäste und so weiter, in Empfang nimmt, sondern auch überwacht, dass hier alles in Ordnung ist«, ergänzte Smith.
Ich erinnerte mich an meine Ankunft wenige Stunden zuvor. Der Flug von New York nach Los Angeles und von dort mit einem Militärflugzeug auf die Insel, von der ich per Helikopter hierher befördert wurde. Bei der Landung hatte ich einige amerikanische Soldaten gesehen, zwei hatten mir beim Gepäck geholfen und mir die Örtlichkeiten gezeigt und erläutert. Auch das Haus, in dem ich während meines Aufenthaltes untergebracht war. Allein. Es gehörte zu einem Komplex, der von den Wissenschaftlern genutzt wurde, die zu Forschungszwecken auf der Insel waren. Die beiden Soldaten hatten mir ein paar allgemeine Instruktionen mit auf den Weg gegeben und mir gesagt, wenn ich etwas benötigen würde, sollte ich das Telefon im Haus benutzen. Ich wäre sofort mit der Zentrale verbunden, und von dort würden dann die weiteren Schritte in die Wege geleitet werden. Dann hatten sie mir noch den Hubschrauberlandeplatz gezeigt und mich mit John, dem Piloten bekannt gemacht, bevor sie sich wieder in ihren Bereich der Insel zurückgezogen hatten.
»Und sollte etwas nicht in Ordnung sein, setzen die sich in Bewegung. Sie haben vier Hubschrauber, die permanent einsatzbereit sind, und sie sind darauf trainiert, ebenfalls sofort einsatzbereit zu sein«, fuhr Kowalski fort. »Im Fall der Fälle sind die in fünf Minuten hier, sie können per Funkbefehl die Tür vom Oberdeck öffnen und sind im Ernstfall in der Lage, vollausgerüstet jeden Widerstand zu brechen.«
»Mit vollausgerüstet meinen Sie, dass die Waffen haben, oder?«
»Schlaues Mädchen«, lachte Smith. »Natürlich! Das komplette Programm. Da ist jeder Widerstand zwecklos. Wenn man nicht zufällig Superman ist, hat man nur die Wahl zwischen erschossen werden und sich gefangen nehmen lassen.«
Ich wusste, dass das Wachpersonal im Gefängnis lediglich mit Gewehren mit Gummigeschossen, Elektroschockgeräten und Pistolen mit Betäubungsmunition ausgerüstet war. Jegliches Risiko war somit ausgeschlossen, dass etwa eine Wache einen Gefangenen erschoss oder sich mehrere Gefangene Zugang zu einem Waffenarsenal verschaffen konnten, mit dem sie ernsthaft in der Lage wären, größeren Schaden anzurichten.
Schließlich waren wir in der ersten Etage angelangt.
»Die, die hier sitzen, sind am längsten unsere Gäste. Seit die Einrichtung eingeweiht wurde ..., also vor etwa vier Jahren kamen die ersten. Und dann ging es zügig weiter«, sagte Smith. »Und jetzt gehen wir nach ganz unten.«
Er öffnete eine Tür mit einer anderen Karte als der bisherigen und ging voran. Über eine weitere Treppe gelangten wir in den Keller, ins Stockwerk Null.
Kowalski betätigte einen Lichtschalter.
Über die Hälfte der Grundfläche wurde durch den Technischen Bereich eingenommen. Ich hörte ein leises Summen.
»Das stammt von den Generatoren«, erklärte Kowalski, der offenbar meinen Gesichtsausdruck gedeutet hatte. »Wir sind hier komplett autark, dank der neuesten Technologie zur Nutzung der Sonnenenergie und der Produktion von Frischwasser, können wir theoretisch monatelang unabhängig von der Außenwelt leben.«
»Als wären wir auf einem anderen Planeten«, fügte Smith hinzu.
»An allen Wänden des Gefängnisses sind Solarzellen angebracht, wir produzieren hier mehr Strom als wir benötigen. Dadurch kann auch die Forschungsstation betrieben werden, sowohl hier im Gebäude als auch auf der Insel.«
»Und die Abwässer?«
»Schadstoffe werden in einem recht aufwendigen Verfahren gefiltert und gelangen schließlich ins Meer, sofern sie biologisch abbaubar sind. Andere Schadstoffe werden gesammelt, dann auf der Insel zwischengelagert und einmal im Quartal von einer Frachtmaschine abgeholt. Aber die Maschine ist praktisch nie ausgelastet ..., wir produzieren äußerst wenig Schadstoffe. Das liegt auch an den eingesetzten Materialien.«
»Das ist Aufgabe der Wissenschaftler ..., und ich glaube, sie machen einen guten Job. Zu Hause habe ich jedenfalls erheblich mehr Müll produziert als hier, allein durch Verpackungsmaterial.«
»Okay ..., ich bin überzeugt. Das Geld scheint gut investiert zu sein ..., und die Zusammenarbeit mit den Wissenschaftlern eine sinnvolle Sache.«
»Ja ..., und durch deren Arbeit hat sich auch eine Idee in die Tat umgesetzt, die wahrscheinlich einzigartig ist. Dadurch wird das Gefängnis noch ausbruchsicherer, denn die Gefangenen haben mittlerweile gar keine Lust mehr zu fliehen.«
»Inwiefern?«
Er deutete nach links. In der Mitte der freien Grundfläche war durch Glas – Panzerglas, wie ich später erfuhr – eine Art Schacht abgetrennt. »Der geht bis hinauf in die achte Etage«, erklärte Kowalski. »Damit sorgen wir dafür, dass bei den Gefangenen erst gar keine Fluchtgedanken aufkommen.«
»Mit diesem Schacht? Sperren Sie diejenigen, die fliehen wollen, da ein? Da passt doch kein Mensch rein!«
»Nein! Es dient lediglich als ..., Durchgangsstation für etwas Besonderes.«
Smith und Kowalski wechselten einen Blick, der mir nicht entging.
»Sie haben meine volle Aufmerksamkeit«, erklärte ich und sah die beiden auffordernd an.
»Zeigen wir es ihr«, meinte Kowalski.
»Das volle Programm?«, fragte Smith.
»Warum nicht? Es wird ja auch nach oben übertragen ..., ist mal wieder eine Abwechslung und gleichzeitig Mahnung ..., auch für die Neuen.«
»Okay.«
»Was wollen Sie mir zeigen?«
Er nahm einige Einstellungen an einem Tablet vor. »Passen Sie gut auf ..., sehen Sie nach unten.«
Ich sah nach unten. Der Boden war dunkel, doch das musste eine Täuschung sein, denn auf einmal wurde er durchsichtig, und ich konnte das Meer unter uns sehen. Gleichzeitig wurde es an den Wänden lebendig, einige Bildschirme wurden sichtbar. Offenbar waren Kameras an den Pfeilern im unteren Bereich montiert, denn sie lieferten ein Bild aus nächster Nähe der Wasseroberfläche.
»Die Show kann losgehen«, sagte Smith und drückte auf einen Punkt an seinem Tablet.
Zunächst geschah nichts, doch dann hörte ich ein Geräusch. Ich konnte es allerdings nicht einordnen. »Was ist das?«
»Werden Sie gleich sehen«, meinte Kowalski. »Beobachten Sie den Schacht und das Wasser!«
Ich tat, wie mir geheißen, und da kam auch schon etwas durch den Schacht von oben herunter, das hinunter ins Meer fiel. Abfälle. Küchenabfälle, wie ich auf die Schnelle sehen konnte.
Und dann begann der eigentliche Showteil: Haie!
Gebannt starrte ich abwechselnd durch den Boden nach unten und auf die Fernsehbildschirme in der Wand. Es war ein bizarres Schauspiel, was sich da, vierzig Meter unter unseren Füßen, abspielte. Mehrere Haie stritten sich um die Abfälle, die ins Meer gespült worden waren.
Kowalski lachte. Er merkte, dass ihnen der Überraschungseffekt gelungen war. »Das sind unsere Haustiere. Wir haben sie gewissermaßen dressiert und darauf trainiert, alles, was aus diesem Gebäude ins Wasser fällt, als Futter zu betrachten. Das sind zwar nur Küchenabfälle ..., aber die Fische sind nicht wählerisch.«
»Die Wissenschaftler haben hier schon zig Haiarten entdeckt ..., und natürlich auch jede Menge andere Fische, Bonitos beispielsweise, die wir ab und zu auch zu essen bekommen«, ergänzte Smith.
Das Treiben im Wasser hatte mich völlig in seinen Bann gezogen. Ich konnte meinen Blick nur schwer wieder abwenden.
»Und? Was sagen Sie?«
Ich sagte zunächst gar nichts, war sprachlos.
»Dieses Schauspiel wird jedem Gefangenen bei seiner Einlieferung gezeigt. Es wirkt natürlich umso besser, je mehr und größere Haie hier auftauchen und mitmischen. Ich habe mir sagen lassen, dass die meisten Burschen da unten Ammenhaie und Blauhaie sind, aber auch Tigerhaie tauchen hier durchaus auf ..., und manchmal sogar ein Weißer Hai. Damit wird jeder Gedanke an einen Fluchtversuch im Keim erstickt, denn etwas derart Offensichtliches akzeptieren die meisten Leute. Stillschweigend.«
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