»Danke sehr.«
Ein bisschen Stolz klang in seiner Stimme mit, als er noch hinzufügte: »Die Männer sind ebenfalls seit Beginn hier ..., wir sind zusammen angekommen. Es ist eine gute Truppe, quer durch die Nationalitäten, und wir haben alle ein und dasselbe Motto.«
Ich mochte ihn fragend anblicken, denn er blickte nun seinerseits auffordernd zu den Soldaten hinüber.
Der, den er als Smith vorgestellt hatte, trat einen Schritt vor. »Ausbruch unmöglich, Flucht unmöglich.«
Thompson mochte meine Miene falsch deuten, vielleicht wollte er mich aber auch nur vollends von den Gegebenheiten überzeugen. »Smith und Kowalski werden Sie auf einem weiteren Rundgang begleiten, dann können Sie sich selbst überzeugen. Dafür sind Sie ja schließlich hier, nicht wahr?«
Ich nickte nur.
Er sah mich eindringlich an. »Aber bringen Sie mir die Männer nicht durcheinander!«
»Ich werde es versuchen«, gab ich zurück.
Smith machte eine auffordernde Handbewegung. »Bitte sehr, hier entlang!«
Der andere, Kowalski, ging voran und öffnete die Tür zum Treppenhaus. Ich ging hindurch, Smith direkt hinter mir. Ich vermutete einen Amerikaner in ihm, doch hütete ich mich, ihn darauf anzusprechen. Vor meiner Abfahrt war mir klar gemacht worden, dass das Sicherheitspersonal strikte Anweisung hatte, nichts über sich und die persönlichen Verhältnisse zu erzählen, und dass ich dies respektieren möge. Die Soldaten sprachen über sich nicht einmal gegenüber den anderen. Lediglich der Direktor hatte eine namentliche Übersicht über alle, sowohl Sträflinge wie Wachpersonal.
Insgesamt waren es vier Soldaten, die der Direktor je nach den aktuellen Erfordernissen flexibel einsetzen konnte. Die beiden anderen würden jetzt wieder in den Bereitschaftsraum zurück kehren. Das Wachpersonal auf den sieben Stationen hatte seinen eigenen Rhythmus. Jede Etage war gleich aufgebaut: Außen waren die Zellen, im Innenbereich, getrennt durch einen Gang, ein Komplex, der neben dem Treppenhaus, einer Sporthalle, den Duschen und einem Fahrstuhl einen großen Raum beherbergte, in dem die jeweilige Wachmannschaft untergebracht war. Dieser Raum beinhaltete eine Kommandozentrale, in der alle Bilder der Überwachungskameras des jeweiligen Stockwerks auf entsprechend vielen Monitoren rund um die Uhr gezeigt wurden, einen Aufenthaltsraum und einen Ruheraum. Nach meinen Informationen bestand eine Wachmannschaft aus einundzwanzig Soldaten, die sich in drei Gruppen teilten – in acht-Stunden-Schichten.
Auf dem Weg nach unten referierte Kowalski: »Der Bau besteht aus einem neu entwickelten Material, einer Mischung aus Stahlbeton und Glas, Licht-durchlässig, sofern von uns gewünscht, absolut witterungsbeständig und nahezu unzerstörbar. Und das bei einer extrem geringen Dicke.«
Er war zweifelsohne Pole, sprach jedoch ein sehr gutes Englisch. Er war einen halben Kopf größer als Smith, schätzungsweise zwei Meter groß, slawischer Typus.
Wir waren inzwischen im fünften Stock angekommen.
Kowalski öffnete die Tür mit seiner Karte und hielt sie auf. »Bitte sehr! Hier können Sie sich einmal in Ruhe eine Zelle ansehen. Hier ist noch niemand.«
»Danke.«
Wir gingen zu einer Zelle, Kowalski öffnete die Tür mit seiner Karte, und wir gingen hinein. Ich hatte die Pläne schon in meinem Büro in New York studiert, und es machte jetzt vor Ort keinen überragend anderen Eindruck als in meiner Vorstellung existierte. Jede Etage des Würfels war drei Meter hoch, die Höhe der Zwischendecken betrug zwei, die unterste drei und die oberste sechseinhalb Meter. Auf einer Grundfläche von zwei mal drei Metern waren in jeder Zelle ein Bett, ein Waschbecken und eine Toilette untergebracht. Die Wände schienen tatsächlich aus einer Art Glas oder durchsichtigem Metall zu bestehen. Versuchsweise schlug ich gegen eine Wand. Es fühlte sich härter an als Beton.
»Ausbruch zwecklos.« Smith lachte. »Ohne die Karte kommen Sie hier nicht raus, höchstens mit einem Presslufthammer.«
»Okay, ich bin überzeugt.«
Ich sah nach oben.
»In der Decke befinden sich Sensoren ..., um zum Beispiel Feueralarm auszulösen ..., und um ein eventuell gerade ausbrechendes Feuer direkt löschen zu können, sind dort auch mehrere Strahler installiert, deren Kapazität hinreichend ist, um die ganze Zelle binnen einer Minute unter Wasser zu setzen. In den Decken des Gebäudes verlaufen diverse Leitungen ..., Strom, Wasser, und alles was die Technik so braucht. Und der größte Ozean der Welt liefert das Löschwasser. Ein Feueralarm ist hier allerdings noch nie vorgekommen. Aber wir sind für alle Fälle gerüstet.«
»Das glaube ich.«
»In den Decken gibt es auch Videokameras. Jede Zelle wird überwacht ...«, erklärte Kowalski, »damit ist nicht nur ein Ausbruch unmöglich, sondern es wird auch jedes ungewöhnliche Ereignis ..., wie eben ein Feuer, sofort bemerkt. Denn das Wachpersonal ist vierundzwanzig Stunden am Tag, rund um die Uhr, dabei. Bei allem, was die Gefangenen tun. Es ist eine doppelte Absicherung, elektronisch und durch Menschen.«
»Aber gehen wir doch weiter«, meinte Smith und ging zurück zum Treppenhaus. Er öffnete die Tür und ließ uns hindurch. Kowalski ging wieder voran.
»Bisher waren alle Zellen leer, die obersten drei Etagen, also Stockwerk fünf bis sieben, sind noch nicht belegt. Jetzt geht es aber los. In der vierten Etage sind fünfundfünfzig Zellen belegt, das entspricht insgesamt also dreihundertachtundachtzig Gefangenen. Das Treppenhaus ist in der Mitte des Gebäudes und von den Zellen aus nicht einsehbar. Bitte bleiben Sie dennoch hinter mir, öffnen keine Tür und treten nicht auf einen der Flure.«
»Warum?«
Smith packte mich von hinten am Arm. »Weil wir es sagen, verstanden?«
Kowalski sah ihn an, und Smith ließ meinen Arm los.
»Folgen Sie mir, bitte« sagte der Pole und ging weiter die nächste Treppe hinab. »Viele der Gefangenen sind schon seit Monaten, ja Jahren hier, und haben in dieser Zeit keine Frau gesehen. Es wäre unverantwortlich, wenn herauskommen sollte, dass sich eine Frau in diesem Gefängnis befindet ...«
»An diesem Ort ...«, murmelte ich.
»Sehr richtig. Jetzt wissen Sie, was der Direktor meinte. Es dient nicht nur Ihrer eigenen Sicherheit, sondern auch der Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit.«
»Aber ein Ausbruch ist doch unmöglich ..., wie sollten ich oder die innere Sicherheit dann gefährdet sein?« Ich biss mir fast auf die Zunge, manchmal war ich einfach zu unbedacht.
Ich merkte die Folgen sofort. Smith packte wieder meinen Arm. »Wir wollen hier drin keine Aufstände erleben. Ich bin Militärpolizist und habe schon einiges schlichten müssen, Aber die Verhältnisse hier sind noch einmal ganz anderer Natur, als wenn sich zwei Typen im Suff die Birne weich kloppen. Hier sitzen Mörder und Vergewaltiger, die schlimmsten Verbrecher, für die die normalen Gefängnisse nicht ausreichend sind, da sie über die entsprechenden Mittel und Ressourcen verfügen ...«
Er brach ab und ließ meinen Arm los. Hatte er zuviel gesagt?
»In anderen Gefängnissen kann man versuchen, die Wärter zu bestechen oder zu erpressen«, setzte Kowalski die Erläuterung fort. »Das wird hier kaum funktionieren, da jeder der hier eingesetzten Soldaten weiß, wie es um die Sache steht. Hier überwacht jeder jeden, und der Direktor hat immer alles im Blick. Es sind überall Kameras angebracht, jeder Quadratzentimeter dieses Gebäudes wird überwacht, jede Zelle, jedes Treppenhaus, jeder Flur, jeder Raum.«
»Auch das Büro des Direktors?«, entfuhr es mir.
Smith lachte. So allmählich schien er sich an mein Temperament zu gewöhnen. Kowalski schmunzelte. »Ja, auch das. Der Direktor ist nicht der einzige, der alle Bilder sehen kann. Die Wachmannschaft jeder Etage hat die entsprechenden Bilder vor sich, und in der neunten Etage gibt es eine Wachmannschaft für alle sieben Etagen mit entsprechend vielen Monitoren. Die überwachen ebenfalls alles, auch den Direktor.«
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