F. Albicilla Lin. (?) „Guincho“. Berthelot hat diesen Adler nie selbst beobachtet; er gibt ihn jedoch als Bewohner der Deserta’s, jener kleinen wüsten Eilande an, die nördlich von Lanzarote den Archipel beginnen. — Eine, unter seinen Sammlungen befindliche Kralle war in Frankreich, als dem „Aigle pygargue“ angehörig, erkannt worden. Auch hatte er selbst auf Lanzarote von der Existenz dieses Vogels Kunde erhalten. Mir wurde der Vorzug zu Teil, diese interessante Species auf der Insel Lobos, im Mai 1854, in mehreren Pärchen zu Gesicht zu bekommen: wenn anders die nicht sehr großen weißköpfigen Adler, deren schönen, schwimmenden Flug ich dort zu beobachten Gelegenheit hatte, die sich aber stets außer Schussweite hielten, hierher zu ziehen sind. Der auch auf Teneriffa für eine Strandlokalität vorkommende Name „Punta del Guincho“ (Vorgebirge des See-Adlers) scheint auf eine früher allgemeiner gewesene Verbreitung dieser Art, selbst auf den größeren Inseln, hinzudeuten.
An sie haben wir auch wohl vor anderen bei jenen dunkelen, halbsagenhaften Nachrichten der Araber des Mittelalters über die atlantischen Meeresstriche zu denken, die von einer Insel Raca melden, wo die, von dem damals maurischen Lissabon aus auf Entdeckungen und Meeres-Abenteuer ausgefahrenen Seeleute landeten: nachdem sie Dgezirat Alzhanam (das Eiland der Lämmer mit bitterem Fleische) hinter sich gelassen. In der Nähe dieses letzteren, sagt Edrisi, der Geograph von Nubien, liegt die Insel Raca, wo man Vögel findet, roten Adlern gleich und mit Klauen bewehrt, welche Fische und Schaltiere fressen, und sich deshalb nie von jenen Gestaden entfernen. Ein anderer Araber, Ebn al Ouardi, der ebenfalls jene Expedition schildert, erwähnt Raca unter dem Kamen Dgezirat el Thouiour: die Vogelinsel. „Sie wird“, sagt er, „von roten Adlern, die Krallen haben, bewohnt; sie versammeln sich dort, um fern von der Küste im weiten Ozean zu jagen und zu fischen. Honcaïli behauptet: ein Frankenkönig habe ein Schiff ausgesandt, um sich von diesen Vögeln zu verschaffen; aber es sei untergegangen“. — Auch die, bei den älteren christlichen Erdbeschreibern vorkommenden, und, bevor sie eine geographisch bestimmte Deutung gewannen, auf verschiedene Punkte zwischen dem 20. und 40° n. B. angewandten Namen „Corvo, insulae Asturum“ usw., zeugen von der einstigen Häufigkeit großer Raubvögel auf den damals größtenteils wüsten Inseln des atlantischen Ozeans.
F. cineraceus Mont. Wird von Berthelot, und
Circus aeruginosus von Ledru, als auf den canarischen Inseln vorkommend angegeben.
Strix flammea L. „Luchuza“. Auf sämtlichen Inseln überall anzutreffen, obwohl ihres verborgenen Lebens wegen nicht gerade häufig bemerkt. In den heißen Tälern der Küstenregion sind die stacheligen Dickichte der Euphorbia canariensis ein gern von ihr gewähltes Asyl. Besonders aber liebt sie die höhlenreichen Barancos, an welchen Teneriffa und Palma so überreich sind („Barancos“ heißen auf den canarischen Inseln jene tiefen, schluchtenartigen Täler, welche, meist vom Zentrum gegen die Küste hin ausstrahlend, durch ihre senkrechten, schwarzen Basaltwände das Terrain überall zu einem im höchsten Grade kupierten machen.). Sogar die Mumiengrotten der allen Guanchen soll sie bisweilen bewohnen.
Strix Otus L. Unter dem Namen „Corruja“ bekannt. Mehr Waldvogel.
Mit Wahrscheinlichkeit dürften in späterer Zeit noch mehrere Eulen-Arten sich als Bürger der canarischen Ornis herausstellen; denn kein Land kann ihnen in zerklüfteteren Felsgebirgen einen passenderen Wohnsitz darbieten. Ihr stilles, nächtliches Treiben entzieht sie nur allzu sehr der Beobachtung.
Corvus corax L. „Cuervo“. Auf allen Inseln, auch den Deserta’s: z. B. auf Lobos, wo der Auswurf des Meeres seinen Bedürfnissen genügt. In Handia sah ich soeben aus dem Neste in einer hohen Felsspalte geholte Junge, welche die Hirten töten wollten. Denn der Rabe, meinten sie, sei „el pajaró mas perro“, der hündischste Vogel, den es gebe; er hacke nur allzu oft jungen Ziegen und Lämmern die Augen aus, um sie zu fressen. Deshalb könne ihm gar nicht genug nachgestellt werden.
C. Monedula . Kommt nur als zufällig Verirrter nach den Canaren. Im Februar 1830, nach einem starken S.-O.-Winde, wurden mehrere Dohlen bei Laguna erlegt.
Corvus graculus Lin. „Grajo“. Die Alpendohle bietet uns ein merkwürdiges Beispiel jener schwer zu erklärenden Eigentümlichkeit der canarischen Ornis dar, die gewisse Arten an einzelne Inseln der Gruppe bannt und sie allen übrigen versagt: ohne dass ihre Bodenbeschaffenheit so von einander abwiche, dass die Isolierung sich aus physikalischen Gründen erklären ließe. Palma ist das ausschließliche canarische Heimatland der Alpendohle. Aber während dort zahlreiche Schwärme sowohl die heißen, grottenreichen Täler des Litorales, wie die hochgelegene, im Winter mit Schnee bedeckte Cumbre (Cumbre nennen die Spanier jeden dominierenden, sich in weiter Ausdehnung hin erstreckenden Gebirgsrücken.) bevölkern, haben die in der Entfernung von wenigen Meilen, dem Auge weithin sichtbar, aus dem Meere auftauchenden Gebirgskämme von Teneriffa, Gomera und Ferro die Auswanderungslust dieser fluggewandten Bewohner der hohen Lüfte, noch nie gereizt. Scheu, flüchtig und höchst gesellig, beleben, seine Kolonien auf das Angenehmste und Interessanteste die entzückenden Landschaften jener unvergleichlichen Insel. Ihren Lockton, ein schwer zu beschreibendes schrilles Pfeifen, lassen die Alpendohlen im Fluge fortwährend hören. Ihr Leben scheint ein immerwährendes heiteres Spiel zu sein; denn man sieht sie einander fortwährend jagen und sich necken. Ein leichter, zierlich schwebender Flug, voll der kühnsten, anmutigsten Evolutionen, zeichnet sie aus. Auf frisch beackerten Feldern fallen sie zu Herden von Tausenden nieder; auch nach einsam aus den Felsen hervorsprudelnden Quellen sah ich sie oft zahlreich zur Tränke kommen. Der Jäger, welcher nahe bei letzteren, oder im Gebüsche der Feldränder versteckt, ihnen auflauert, kann des Erfolges sicher sein. Sie im Freien zu beschleichen, hält schwer. Ihr Fleisch ist ein höchst mittelmäßiges Wildpret; daher sie in einem Lande, das an Wachteln und wilden Tauben Überfluss hat, wenig Verfolgungen ausgesetzt sind. Die Nester sollen sie in schwer zu ersteigendem Felsgeklüft oder in Grotten anlegen und dort in der Regel gesellschaftlich brüten. — Ich habe mehrfach jung gezähmte gesehen und mich an der außerordentlichen Zahmheit dieser schönen Tierchen, mit sammetschwarzem Gefieder und korallenrotem Schnabel und Füßen, ergötzt. Zu Santa Cruz de Tenerife bemerkte ich oft in einer ziemlich menschenleeren Straße eine zahme Alpendohle, die mit gestutzten Flügeln unter den Hühnern umherlief und sich nie freiwillig von dem Hause ihres Pflegers entfernte. — Der Pfarrer von Barlovento auf Palma besaß einen jungen „Grajo“, der, obwohl er Fleisch über Alles liebte und bereits über ein halbes Jahr alt war, dennoch beständig den Schnabel aufsperrte, um sich die Bissen in den geöffneten Rachen stecken zu lassen. Dieser niedliche Vogel begleitete in vollem Fluge seinen Herrn auf meilenweiten Ritten, ja, wie der glaubwürdige Geistliche mir versicherte, einmal sogar auf einer Reise nach dem am entgegengesetzten Ende der Insel gelegenen los Llanos, ohne sich durch die Lockungen seiner wilden Brüder zur Flucht verleiten zu lassen. — Nach Schousboe’s Angabe soll die Alpendohle auch den maroccanischen Atlas in großer Menge bewohnen.
Coracias garrulus . Dieser für die canarische Fauna neue Vogel wurde vor wenigen Jahren von meinem Freunde Don Carlos Quintana bei Puerto-Cabras, auf Fuertaventura, erlegt. Wohl 25 Stück dieser prachtvollen. Gäste waren, ermüdet von dem weiten Fluge übers Meer, auf einer steinigen Fläche eingefallen, wo man sich ihnen ohne weitere Vorsicht zu nähern im Stande war. Von Don Carlos geschickter Hand ausgestopft, werden zwei Exemplare davon in der Casa de Recreo (dem Lusthause) des Obersten Don Cristobal Manrique zu la Oliva aufbewahrt. Die Mandelkrähe, welche auch schon andere sporadisch auf den Inseln bemerkt haben wollen, ist jedenfalls dort nur als zufälliger Gast anzusehen; und sie rangiert daher unter der Kategorie der im Lande so genannten „Pajaro’s de Africa“. („Pajaros de Africa“, afrikanische Vögel, werden auf den Canaren alle nicht gerade regelmäßig oder häufig dorthin wandernde Zugvögel genannt. Es sind meist europäische Arten; sie erscheinen aber mit östlichem Winde, also vom afrikanischen Festlands her: deshalb der Name.)
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