Aber noch einmal. Ich bin davon überzeugt, dass, wenn wir Frauen nicht permanent in die Rollen der Mutter, der Ehe- und Hausfrau gedrängt würden, die ihre Karrieren ausschließlich neben dem Haushalt und den ehelichen Pflichten anzusiedeln haben, dann wäre es wahrscheinlich auch nicht zu diesen Extremen und letztlich zu diesem bitteren Ende gekommen.
Ich sehe nicht ein, warum ich mich dafür schämen sollte, dass ich es in der Rolle des „Heimchen am Herd“ nicht mehr ausgehalten habe und dass ich das Gefühl hatte zu ersticken.
Mein Mann lebte sich beruflich aus und fand alles „supi“ zu Hause, wo ihm der Hintern nachgetragen wurde.
Ich will David gegenüber nicht unfair sein. Ich habe es über eine lange Zeit geliebt, für die Familie da zu sein, sie zu umsorgen, das Familienleben zu genießen und all das. Aber ich bin und bleibe eine Künstlerin. Das konnte auf Dauer nicht gut gehen. Ich wäre auf kurz oder lang daran zerbrochen.
Ich will das aber gar nicht nur auf mich beziehen und darauf, dass ich Künstlerin bin. Ich bin davon überzeugt, dass, wenn wir Frauen einen anderen gesellschaftlichen Stand hätten und wir uns nicht permanent als Rabenmütter fühlen müssten, nur weil wir neben der Familie auch noch Träume haben, nur weil wir auch neben der Familie unserer Karriere weiter nachgehen wollen, dann hätte alles anders kommen können.
Nichts gegen David, aber natürlich ging er davon aus, dass ich zu Hause bleibe und er sich mit der Galerie verwirklichen kann.
Dabei war doch von Anfang an klar, dass ich Regisseurin werden wollte. Schon am ersten Abend, als wir uns auf meiner Abschiedsparty zum ersten Mal trafen, erzählte ich ihm von meinem Stipendium im „ August Wilson Theatre“.
Mein Gott war ich aufgeregt. Ein halbes Jahr New York. Mitten auf dem Broadway! Abgefahren!
Und er?
David war beleidigt, weil ich nicht bei ihm bleiben wollte. Er wollte mich nicht einmal küssen. Oh Mann.
Dabei war doch alles schon abgedreht und aufregend genug an diesem Abend.
Die Party war in der Wohnung meines Ex Freundes, der mich die ganze Zeit belauerte und um mich herum schwirrte. Er war so eifersüchtig auf David und meine Reise nach New York, dass ich froh war, dass David so hartnäckig an mir dran blieb. So konnte ich mir Robert schön vom Hals halten.
David war wirklich ein außergewöhnlicher und attraktiver Mann, in seinem schwarzen Anzug und seiner doch schon gesetzten Art. Die anderen waren ja eher Bubis gegen ihn. David war da schon ein anderes Kaliber.
Und trotzdem. Er zickte total rum und ... Ach was weiß ich. Später, als ich dann in New York war, da klappte es ja ganz gut.
Ich hatte, ehrlich gesagt, überhaupt nicht damit gerechnet, dass er sich in dieser Zeit melden würde.
Aber, das fand ich dann irgendwie schon aufregend, dass er sich da so reingehängt hat und am Ball geblieben ist. Anders währe es wahrscheinlich gar nicht gut gegangen mit uns. Ich war innerlich so weit weg und so in meinem Element, dass ich ihn, ohne seine Hartnäckigkeit, ganz sicher schnell vergessen hätte. Dazu war es am bei August Wilson viel zu spannend.
Wenn es so spannend war, warum sind Sie dann zurück-gekommen. Oder kamen Sie wegen ihrem Mann zurück?
Nein, sicherlich nicht. Nein, das Stipendium war abgelaufen und ich hatte keinen finanziellen Background, um in den USA zu bleiben. Außerdem wollte ich mein Studium in Deutschland zu Ende bringen.
Waren Sie denn verliebt in David?
Ach ... ich weiß nicht. Eigentlich nicht, jedenfalls nicht zwingend.
Aber ich war noch nie so richtig zwingend verliebt, daher viel mir das wahrscheinlich gar nicht auf.
Nein, es war ganz schön. Auch, dass er sich um mich so bemühte, das war wirklich neu für mich. Das kannte ich bis dahin überhaupt nicht.
Robert war so ein reicher, verwöhnter Junge, der es gewohnt war, dass man sich um ihn bemühte und nicht umgekehrt.
Und David war so ganz nah, so verliebt und warm, das war ich nicht gewohnt, wie gesagt. Und dann wurde ich ja auch schon schwanger. Das war eine echte Katastrophe. (lacht)
Eine Katastrophe? Das hört man selten bei Müttern.
Ach Sie, mit ihrem eingestaubten, glorifizierenden Mutterbild, das im letzten Jahrhundert geprägt wurde.
Bei Ihnen müssen Mütter alles toll finden, wenn es um Kinder geht. Das weichgezeichnete Muttersein. Mein Gott. Aber ich war gerade mal 24 Jahre alt und mitten im Studium. Da gab es anderes, was man unbedingt toll fand. Dazu gehört Mutter werden nicht unbedingt.
Aber als Georg dann da war, fand ich alles perfekt. Ich war gerade fertig geworden mit dem Studium und hatte das Gefühl, das ich mir eine Pause gut gönnen konnte.
Und irgendwie war es ja auch wirklich großartig.
Wir zogen in unser Haus und ich lernte viele neue Leute kennen, die mit Theater gar nichts zu tun hatten und einfach nur nett waren.
So gesehen habe ich die Zeit wirklich genossen. Ich hatte keinerlei berufliche Verantwortung, jede Menge Zeit und genügend Geld, um mir ein angenehmes Leben zu bereiten.
Alle um mich herum lebten so. Alle meine Freundinnen gingen nicht arbeiten, sondern lebten mehr oder weniger gelangweilt mit ihren Kindern in den Tag hinein. Alle tranken den ganzen Tag Latte macchiato oder Prosecco.
Das hört sich vielleicht abwertend an. Es ist aber gar nicht so gemeint. Eine Weile kann man ohne weiteres so leben.
Und dann kam Fritz und brachte mir noch mal einen neuen Sinn in mein Leben.
Aber spätestens, als beide Kinder im Kindergarten waren, fiel mir die Decke auf den Kopf und ich hatte das Gefühl, wenn mich noch einmal eine meiner Freundinnen fragt, ob ich noch ein Proseccöchen möchte, dann drehe ich durch.
Also begann ich, mich zu bewerben.
Und wurden dann von Marcello Dias eingestellt.
Ja, ausgerechnet von Marcello. Meinem Idol. Wahnsinn.
Und dann ging es auch gleich los.
Schon drei Wochen später ließ ich mein gewohntes Leben, meinen Mann, meine Kinder, meine Umgebung und Freunde von einem Tag auf den anderen zurück.
Ich sprang, sozusagen, in ein neues Leben. In eine neue Stadt, in eine neue Wohnung, in einen neuen Job und das, ohne darüber wirklich lange nachgedacht zu haben, ob dies richtig oder falsch war.
Verstehen Sie? Es war so klar für mich, so ungemein zweifelsfrei, dass ich das Assistenzangebot sofort zusagte. Und das, ohne abzuwägen, zu diskutieren oder zu hinterfragen.
Ich wollte so unbedingt an dieses Theater, dass eine andere Entscheidung niemals in Frage gekommen wäre.
Sie sagen das so, als wenn Sie sonst anders handeln oder gehandelt haben.
Das stimmt. Und deshalb war ich ja selber total von mir überrascht. Wie unvernünftig ich auf einmal sein konnte, wie irrational und spontan. Ich erkannte mich selber nicht mehr. –
Obwohl, das stimmt eigentlich gar nicht. In Wirklichkeit war ich immer so. Ich hatte das nur vergessen.
Doch zu dieser Zeit hatte mich das Muttersein so absorbiert, dass allein der Gedanke, ich würde für meine Kinder nur eine Wochenendmutter sein, völlig undenkbar war. Ich und meine Kinder!? Das war schon wie eins!
Und trotzdem nahmen Sie die Assistenz an.
Ja, mit allen Konsequenzen. Und daran erkannte ich, wie sehr ich mich in den Jahren zuvor unter Druck gesetzt hatte und wie sehr ich unter Druck gesetzt wurde. Ich hatte doch unbewusst ein völlig fremdbestimmtes Leben gelebt.
Ich möchte nicht, dass Sie das falsch verstehen. Ich war gerne Mutter und Ehefrau und bin es ja heute noch. Naja, Mutter zumindest. Aber es brodelte in mir, all die Jahre.
Und plötzlich glitt das alte Leben an mir ab und ich stand in meiner neuen Wohnung, die die Bezeichnung Wohnung ernsthaft nicht verdient hatte.
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