Und hat das funktioniert?
Ja, und wie! Widererwartend ging mir das Verkaufen unglaublich leicht von der Hand und ich bewies so viel Geschick und Kalkül, dass aus dem Trip nach Australien eine ausgedehnte Weltreise wurde. Beinahe zwei Jahre lang.
Und das alles aus dem Verkauf von ein paar Bildern?
Wie ich es sage!
Sie scheinen nicht viel von Kunst zu verstehen, wie ich Ihrer Frage entnehmen kann. Na ja, sei es drum.
Ich reiste sage und schreibe zwei Jahre um den Globus. Heute absolut unvorstellbar.
Und ohne mir einen übermäßigen Zwang aufzuerlegen, setzte ich mich in jedem der bereisten Länder, immer wieder mit der jeweiligen, landestypischen Kunst auseinander. So lernte ich im Laufe der Reise mehr über Kunst und ihre ganz individuelle und biografisch bedingte Anders- und Einzigartigkeit kennen, als ich das in irgendeinem Kunststudium dieser Welt hätte lernen können.
Beinahe am Ende der Reise lernte ich dann den Künstler Sharon kennen. Durch ihn kam ich erst auf den Gedanken, eine Galerie zu eröffnen.
Meinen Sie den Bildhauer und Maler Sharon? Erzählen Sie von ihm.
Sie sind zu ungeduldig. Immer mit der Ruhe. Zu Sharon und vor allem zu seiner Tochter ... ach je, wie hieß sie noch gleich ... ach, was weiß ich. Ich habe keine Ahnung mehr. Aber es wird mir noch einfallen. Sie war zauberhaft. Und sie hat gevögelt wie eine Besessene. Ach ja, ... wie hieß sie denn nur ... ? Ach, zu ihr komme ich später.
Auf jeden Fall, gleich nach meiner Rückkehr mietete ich eine alte Fabrikhalle in einem schicken In - Viertel meiner Stadt. Ich schruppte tagelang den alten Dreck heraus, tünchte sie weiß, hing Lampen auf und machte sie galerietauglich. Nicht so ein Edelscheiß, sondern eher in einem urbanen Look. Sehr außergewöhnlich zu dieser Zeit. Heute findet man das ja an jeder Ecke.
Mit dem stattlichen Rest der Bilder meines Großvaters eröffnete eine Galerie. So fing das an.
Kommen wir noch mal auf Ihre Frau Katharina zu sprechen.
Ach ja, ja. Katharina. Sie schien begeistert von dem Gedanken zu sein, sich mit einem Galeristen zu liieren. Auch wenn ihr der Altersunterschied von 14 Jahren anfänglich noch eine gewisse Sorge zu bereitete schien.
Und wie haben Sie Ihre spätere Frau dann doch überzeugt?
Nun ja, wir verbrachten die erste Nacht in tiefe Gespräche versunken auf dieser Party. Sexuell gesehen völlig unspektakulär. Erotisch allerdings – umwerfend!
Wir sprachen über vergangene Gefühle und Vorlieben, die wir mit unseren Ex-Partnern erlebt hatten. Über wilden und langweiligen Sex. Über kopflastige Lebensmodelle und tiefgründige Sehnsüchte, Geilheit und Langeweile. Wir bissen uns verbal ineinander fest und ließen uns nicht mehr los. Wir liebten uns mit schmeichelhaften Worten und keuchenden Blicken bis in die frühen Morgenstunden. Dann erwachte ich, aus diesem surrealem Traum, aus Liebe und Müdigkeit. Immerhin mit der Gewissheit die Frau fürs Leben getroffen zu haben.
Die Sie jedoch noch am selben Morgen wieder verlieren würde.
Ja, in der Tat. Gut zugehört, mein Lieber, gut zugehört.
Das hat mich fast zerrissen, dass ich sie gehen lassen musste. Aber Katharina lachte nur. Sie war ja noch jung und Zeit spielt keine Rolle, wenn man jung ist.
„David, sechs Monate ist doch keine Zeit.“ Sagte sie lachend.
Wir standen im Morgengrauen vor ihrer Haustür und ich hatte furchtbare Angst sie aus dem Auto aussteigen zu lassen.
„Ich bin in einem halben Jahr wieder hier. Und dann machen wir genau da weiter, wo wir jetzt aufgehört haben. Hier in deinem Auto, bei mir vor der Tür.“
Ich hatte aber überhaupt keine Lust zu warten, deshalb lächelte ich nur dünn und schwieg. Was sollte ich dazu sagen. Ein halbes Jahr war für mich eine Ewigkeit. Ich beneidete sie um ihre Jugend.
„Komm, wir küssen uns jetzt endlich“, sagte sie.
Wir hatten ja bis dahin noch nicht einmal geknutscht,
„und wenn wir wieder hier stehen, dann küsst du mich wieder und es ist so, als wäre die Zeit stehen geblieben.“
Aber ich wollte sie nicht küssen. Ich war traurig, zerrissen und beleidigt.
Und? Haben Sie sie geküsst?
Nein. Ich hatte, wie gesagt, keine Lust!
Gott ja, und so flog sie eben ungeküsst.
Aber unserer Zukunft tat das zum Glück keinen Abbruch.
Nach sechs Monaten unbefriedigter Seemannsliebe und tausenden von Telefonaten, Mails und Briefen über den Atlantik hinweg, war unsere Liebe so unendlich tief, dass ich Angst hatte, wir würden uns nur etwas vormachen. Verstehen Sie was ich meine? Ich dachte, wir könnten uns ohne Trennung im realen Leben nicht lieben. Aber es hielt. Unbeeindruckt von meinen negativen Gedanken. Fast zehn Jahre lang.
Was passierte dann?
Dann begann dieses wundervolle Fundament zu bröckeln und letztlich in sich zusammenzubrechen. Jetzt sind nur noch Hass und Verzweiflung in mir.
Das hört sich schlimm an. Konnten Sie denn nichts daran ändern?
Was weiß ich? Sie stellen Fragen!?
Ja vielleicht, wenn ich schon früher von den Verstrickungen zwischen Katharina, Herrn Mühe und mir gewusst hätte, ich wäre möglicherweise anders, besser und besonnener mit der Situation umgegangen.
Obwohl. Ach was.
Wie ich mich und meine Verhaltensmuster kenne, wäre ich sicherlich auch im Vollbesitz aller schmerzlichen Fakten und Informationen ebenso untätig geblieben.
Es wäre mir allerdings eine beruhigende Genugtuung gewesen, meine Ehre in Sicherheit zu wissen, wenn es mir schon nicht vergönnt war, meine Ehe in ruhige Gewässer zu lenken.
Ich finde es übrigens interessant, dass bei den Worten Ehe und Ehre nur ein „r“ den Unterschied ausmacht.
Haben Sie das auch schon entdeckt?
Ehe – Eh(r)e. Interessant oder?
Ja sicher. So habe ich das noch nie gesehen.
Ach Firlefanz! Das dachte ich mir schon, dass man sich mit Ihnen über die existenziellen Dinge im Leben nicht richtig unterhalten kann. Das sieht man Ihnen ja förmlich an.
Ach wirklich?
Ach sein Sie ruhig. Das ist doch jetzt völlig ohne Belang.
Und was soll es? „R“ hin oder her. Mir blieb weder die Ehe noch die Ehre, sondern nur die schmerzliche und unerbittliche Gewissheit, dass von der Vorsehung, die Katharina und ich uns immer als eine positive, auf uns herabschauende Macht ausmalten und der Gewissheit, dass das Universum es gut mit uns meinte, nichts aber auch gar nichts übrig blieb.
Das Universum blieb stumm, die Vorsehung pfiff auf meinen unendlichen Schmerz, und falls es einen Gott geben sollte, dann ist er, mit Verlaub, ein Arschloch.
Von Kürthen singt einen Grönemeyer Song. Gar nicht mal so schlecht. (Anmerkung der Redaktion)
Gib mir mein Herz zurück
Brauch' niemand, der mich quält,
niemand, der mich zerdrückt
niemand, der mich benutzt, wann er will.
Niemand, der mit mir redet, nur aus Pflichtgefühl,
der nur seine Eitelkeit an mir stillt.
Niemand, der nie da ist, wenn man ihn am nötigsten hat.
Wenn man nach Luft schnappt, auf dem Trocknen schwimmt.
Lass' mich los, oh, lass' mich in Ruh',
damit das ein Ende nimmt
Gib mir mein Herz zurück,
du brauchst meine Liebe nicht
gib mir mein Herz zurück,
bevor es auseinanderbricht.
Je eher, je eher du gehst,
umso leichter umso leichter wird's
für mich
Äh ... ja , schön. Okay. Sie konnten Ihre Ehe also nicht retten ...
.... Nein! Sonst säße ich ja wohl nicht hier, Sie Klugscheißer.
Irgendwann war der Stein ins Rollen geraten und ließ sich nicht mehr aufhalten. Das alles geschah, so unvorstellbar, so verletzend und beleidigend, dass meine Konsequenz daraus, logisch und nachvollziehbar war:
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