„In Wien wird auch gefickt,“ sagte er zum Abschied und sie schüttelten sich die Hände und grinsten.
Bernd fragte sich durch und fuhr mit Straßenbahnen auf die Reeperbahn und quartierte sich abseits in der schäbigsten Pension ein, die sich finden ließ.
Am nächsten Morgen würde er noch vor der Abrechnung bei der Reederei, die schlappe sechzig Mark in bar bringen würde, beim Heuerstall einkehren und nach dem nächsten Schiff Ausschau halten müssen.
Als Decksjunge, der er ein Jahr lang bleiben würde, konnte sich Bernd keinen Leerlauf erlauben, da von den sechzig Mark Monatsheuer auch noch die Marketender Waren wie Zigaretten, Zahnpasta, Bier und Seife abgezogen werden würden. Er würde das erstbeste Schiff nehmen müssen, das man ihm vorhielte.
Der Aufenthalt in Hamburg währte nur zwei Tage und ließ einen beschränkten Bummel auf der Reeperbahn zu.
Sie sammelten sich, das waren ein Teil der Deckmannschaft und der Maschinenmannschaft, an einer angewiesenen Straßenecke und bestiegen einen pünktlich vorfahrenden Bus, der sie nach Cuxhafen bringen würde, wo der Massengutfrachter Clyde zu bemannen war. Bernd war am Morgen nach der Ankunft in Hamburg in die Mattentwiete, eine Strasse, gegangen, nachdem ihm das Heuerbüro versicherte, dass die dortige Reederei nach einem Deckjungen Ausschau hielt und hatte einen Jahresvertrag unterschrieben. Nachmittags erhielt er von der Rickmersen Reederei ordnungsgemäß die Restheuer, die ausreichte, das Loch in der Pension für zwei Tage zu bezahlen. Den ominösen Seesack konnte er nicht fortwerfen, da das Geld für einen Koffer nicht ausreichen wollte.
Der Bus brachte die Mannschaft direkt auf das Steubenhöft, wo an der Pier die gerade fertiggestellte Clyde, ein nagelneues Schiff mit achttausendzweihundert Bruttoregistertonnen und zwanzigtausend Tonnen Ladefähigkeit, mit wehender Flagge Liberias, lag, und gerade in einer Feierstunde unter Anteilnahme einer großen, festlich gekleideten Menschenmenge, in Dienst gestellt wurde, die der Ankunft der Besatzung wenig Beachtung schenkte und Platz machte, sie an Bord zu lassen.
Unverzüglich wurde mit der Herstellung der Seebereitschaft, denn das Schiff sollte nicht verweilen, sondern sofort nach Abschluß der Feierlichkeiten in See stechen, begonnen.
Wenige Stunden später stampfte es bereits auf der hochgehenden Nordsee mit Kurs auf den Ärmelkanal und etliche der Mannschaft, Bernd eingeschlossen, hingen über der Reling und kotzten um die Wette in das Meer. Es herrschte Windstärke zehn und der Dampfer brach sich mit elementarer Gewalt seine
Bahn gegen die Brecher, schlingerte stark von Seite zu Seite und wippte mit dem Heck, sobald der Bug frontal in eine Woge einbrach, um alsbald aufzuschwimmen. Die ab Biskaya ruhigere See, wurde mit Pönen der Abschnitte, die in der Werft nicht mehr fertiggestellt worden waren, genutzt. Zwei Wochen später kamen voraus die gelben Fluten in der Mündung des Orinoco in Sicht und dann dampfte die Clyde mit sechzehn Knoten, ein schnelles Schiff, den breiten Fuß stromaufwärts, um fünfzehn Stunden später und dreihundert Kilometer mitten im Urwald von Venezuela, in dem Dreieck eines zufließenden Stromes mit nicht bekanntem Namen die Anker zu werfen und auf einen freien Platz an der Pier, an der Eisenerz mit Laufbändern verladen wurde, zu warten.
Zuvor hatte ein tieffliegendes Flugzeug der US Coastguard des Nachts, östlich des Sargassomeeres stehend, unversehens angemorst und zwei Hurrikane in Aussicht gestellt, von denen der eine den Kurs zu kreuzen drohte und der andere an Steuerbord aufholte und ihnen nachlief. Das hatte die Nachtruhe unterbrochen und alle an Deck gerufen, wo alles weggestaut wurde, das nicht niet- und nagelfest erschien und alles gelascht wurde, das nicht wegzustauen war. Einschließlich des Radarmastes. Jedoch hatte sich der eine Hurrikan woanders hin verzogen, in Richtung Caracas und der zweite war schwächlich in Auflösung begriffen, wie zwei Bodenstationen der Funkortung, die das Schiff eingepeilt hatten, meldeten.
Sie lagen nur kurz vor Anker und verholten am gleichen Tag an die Pier, wo unverzüglich zwei breite Laufbänder den Erzdreck in die tiefliegenden Gruben der Räume zu schütten begannen, und das Schiff sichtbar in das Brackwasser preßten. Nach gerade einmal drei Stunden waren in allen Räumen kleine, spitze Erdhäufchen zu sehen und der Erste Maat kam herbeigeeilt und meinte : „Das wars. Das sind unsere zwanzigtausend Tonnen Eisenerz. Da unten. Macht die Luken dicht und seeklar.“
Nicht verweilend und herumlungernd, wurde rasch abgelegt und Puerto de la Ordaz, so hieß der Ort, der auf der anderen Seite des Flusses sichtbar war und den sie späterhin in San Syphillis umtauften, flussabwärts verlassen. Das Schiff drehte erneut in den Orinoco ein, auf dem mit abfließendem Wasser im Rücken rascher die Mündung in den Atlantik erreicht werden konnte, als bei der Auffahrt. Rechts und links dichter, unwegsamer Urwald. Einige Affensippen wagten einen Wettlauf, gaben aber rasch auf, hier und da eine Hütte mit Schilfdach und gelegentlich ein paar Eingeborene mit Einbäumen, die gefährlich schlingerten und in dem aufgewühlten Heckwasser zu kentern drohten und die die Deckmannschaft mit leeren Blecheimern aus der Farblast und aus der Kombüse, nachdem der Koch die Vierfruchtmarmelade herausgekratzt hatte, bombardierten. Sie droschen im Streit schon mal mit ihren Paddeln auf einander ein, wenn nicht ganz klar war, wem der treibende Eimer gehören sollte. Dann waren zu dem Leidwesen anderer Indianer hinter anderen Flußbögen die Eimer ausgegangen und dann gingen auch die Indianer zur Neige.
Bei strahlendem Sonnenschein wurde der Anker auf der Reede von Port of Spain geworfen. Hier in Trinidad wären alle gerne an Land gegangen, aber nur Post und Order wurden übernommen und mit den Wurfleinen auf zuhauf an der achteren Bordwand schaukelnde Kanus gezielt, die an die Enden der Leinen
Flaschen mit schwarzem Rum knüpften und versicherten, dass niemand nach dem Genuß keinesfalls erblinden müsse, nachdem alle vertrauensvoll Gegenwerte in Form von Banknoten US amerikanischer Prägung, die mittschiffs zu erhalten waren, so man auf Vorschuß drängelte, hinunterließen, damit die braungebrannten Einheimischen sie über die nahen Strände ins Innere der Insel Trinidad und der anderen Insel Tobacco, die außer Sichtweite hinter dem Horizont lag, zu schmuggeln sich beschäftigen konnten.
Die See hatte das Schiff nach wenigen Stunden Aufenthalt zurück, nachdem auch noch ausreichend Öl gebunkert worden war. Bernd hatte Post von Maren bekommen, die er aus Hamburg angerufen und der er seine künftige Adresse durchgesagt hatte. Maren war seine zweite Jugendfreundin, nach Dörte, an der er seinerzeit nach den Titten gesucht hatte, die noch nicht vorhanden waren und die ihm die strenge Verwarnung ihrer drei großen Schwestern eingebracht hatte, ihn kräftig auf den Hinterhöfen der Fabrik in Elmshorn zu verprügeln, sollte er die kleine Schwester noch einmal in sexueller Absicht abtasten und dabei erwischt werden. Maren war seine zweite Jugendfreundin und schrieb gern und schickte ihm eine goldene Kette mit einem goldenen Amulett, in dem er ein Foto von ihr fand. Bernd trug fortan alles an seinem Hals und sah sorgsam darauf, den oberen Knopf des Hemdes nicht zu schließen, damit alle sehen konnten, dass er ein Amulett besaß. Er schloß den Kragen auch nicht bei einbrechender Kälte. Aber eines Tages kam er nicht umhin, festzustellen, dass das Amulett und die Kette irgendwann und irgendwo abhanden gekommen sein musste und das war der Beginn des Endes dieser Beziehung, die allmählich einschlief.
Vierzehn Tage benötigte das Schiff, den Atlantik, der sich ruhig verhielt und die Irische See, die glatt war, zu queren, bevor es bei dichtem Nebel die Clyde hinaufdampfte. Vor Greenock wurde der Anker geworfen und auf Order gewartet. Nach Eingang nahm das Schiff Fahrt auf und machte am Nachmittag des Folgetages an einer Pier im Hafen von Glasgow fest, wo bereits gewartet wurde. Eine Menschenmenge, in deren Mitte der amtierende Bürgermeister Glasgows um die Gunst der Zuhörer bat, hatte sich auf dem Kai versammelt und nahm Teil an der folgenden festlichen Ansprache, denn das Schiff führte den Namen des Drecksflusses, der sich grau und träge durch die Stadt und hinunter in die Irische See wälzte. Der Namenspatron.
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