„Glaub ich nicht“, sagte sie mit einem verkniffenen Lächeln. Beide wussten, worauf das hinaus lief.
Elli fuhr mit ihrem Fiat Alwin nachhause und ließ sich die Dusche zeigen, die tatsächlich einen überdurchschnittlichen Durchmesser besaß. „So verschwitzt wie du bist, kannst du sie gleich ausprobieren“, schlug er vor.
„Nicht alleine.“
So lernten sie ihre Körper kennen, aufrecht stehend bei bester Beleuchtung, und Beiden gefiel was sie in die Finger bekamen und sie genossen es, angefasst zu werden. Gegenseitig trockneten sie sich ab und Alwin führte Elli zu seinem Bett. Es wurde eine ungetrübte Nacht, beide hatten viel Wonne und Spaß, irgendwann schliefen sie ein. Sie war, er hatte es vermutet und gehofft, im Bett genauso agil wie auf der Tanzfläche. Im Liegen kroch sie um ihn herum und beglückte ihn mit zahlreichen Griffen, was ihn ermutigte, ebenfalls beherzt zuzugreifen. Mit Ausdauer rieb sie ihre vollen Brüste an seinem Körper, von Fuß bis Kopf und zurück. Das machte sie so gerne, dass sie diese Tätigkeit gleich nach dem Erwachen wieder aufnahm. Nach dem Frühsport, der einem Ringkampf gleich kam, spazierte Alwin nackt in die Küche, der Opa war natürlich schon bei den Hühnern, und ließ eine Kanne Kaffee durch.
Auf dem Bett im Schneidersitz Kaffee schlürfend fragte Elli: „Was machst du eigentlich beruflich?“
„Landschaftsgärtner, und du?“
„Bankkauffrau.“
„Aha, immer schön im Trockenen“, spottete er. Den Indoor-Weicheiern fühlte er sich überlegen.
Versonnen sah sie zur Decke. „Schade, ich hatte dich für einen Studenten gehalten.“ Sie stellte die Tasse zur Seite.
„Mit einem schlaffen Studenten hättest du nicht so viel Spaß gehabt.“ Er streichelte die Innenseiten ihrer strammen Schenkel. „Das war eine richtig sportliche Nacht, die kann sich gerne wiederholen. Gehen wir nun zusammen?“
Erstmals wurde sie richtig ernst. „Du siehst toll aus, du fühlst dich gut an, du bist anständig und witzig. Trotzdem will ich keinen festen Partner. Ungebunden zu sein, bedeutet mir sehr viel. Männer versuchen immer, so ein kleines Mädchen wie mich zu bevormunden. Mein Vater und meine Brüder sind da ganz schlimm.“ Mit einer schnellen Bewegung legte sie sich auf den Bauch.
„So was Kleines will man doch beschützen“. Er streichelte nun ihren Hintern. „Du bist zwar nicht meine Traumfrau, die müsste nämlich groß und dünn sein, trotzdem würde ich dich nehmen.“
„Hör jetzt auf“. Elli setzte sich wieder hin. „Wenn du es genau wissen willst. Ich habe ganz bestimmte Pläne und in denen habe ich für einen Arbeiter keinen Platz. Ich bin auf der Suche nach einem Mann aus guter Familie.“
Alwin unterbrach sie. „Aus reicher Familie, vermute ich.“
„Ich will mal einen Akademiker heiraten, einen Zahnarzt oder so.“
„Oder einen Bankchef.“
„Mein Vater arbeitet am Fließband, meine Mutter ist Putzfrau, aus diesem Milieu will ich raus. Ich will an der Seite eines Mannes glänzen und in der Gesellschaft etwas darstellen.“ Während sie redete, verlor Elli jegliches Nette. „Ich will zu Ereignissen eingeladen werden, zu denen meine Eltern nie Zugang hatten. Ich will in die Oper geführt werden und mit den wichtigen Bürgern in einer Reihe sitzen. Dazu in einem großen Auto herumfahren und in einer repräsentativen Villa wohnen.“
„Du willst das Leben einer reichen Frau führen und dein Mann hat sich abzustrampeln, damit er dir das bieten kann“, meinte Al fast schon giftig.
Elli stutzte. Dann meinte sie grinsend: „Du hast es erfasst. So einen Dummen suche ich.“
„Ich sage dir, du wirst bei einem alten Sack landen.“
„Dann komme ich dich besuchen und mache mit dir, was ich mit dem alten Sack nicht machen kann.“
„Solange meine Traumfrau nicht bei mir wohnt, bist du immer willkommen.“
Alwin und Elli sind in den Siebzigern und Achtzigern aufgewachsen. Damals war alles viel bunter und verrückter. Und die Sitten lockerer, Gruppensex war weit verbreitet. Beim ersten warmen Sonnenstrahl lagen die Studentinnen oben ohne oder ganz nackt an den Baggerseen, den Flussufern und in den Stadtparks. Am Körper flatterten die Klamotten, waren teils schreiend bunt, die Fahrzeuge leuchteten in den unwahrscheinlichsten Farben, es gab verrückte, grelle, unpraktische Möbel zu kaufen. Die Reklametafeln waren farbiger, die Häuser wurden es dann auch, es gab Großdemonstrationen, bei denen Innenstädte in Schutt und Asche gelegt wurden. Ganze Banden zogen durch die Republik auf der Suche nach Demos, um sich mit Polizisten zu keilen und abzureagieren. In den Siebzigern konnte man ungestraft LSD konsumieren, die Möglichkeiten der Rockmusik wurden bis ins Bestialische ausgereizt, die ersten Superstars starben am Drogenmissbrauch. In den Achtzigern ging es ungebremst weiter, es kam zur „Neuen Deutschen Welle“, die oberverrückt und abgefahren ganz Europa erfasste. Danach räumte Michael Jackson ab, was ging.
Es gab auch den Terror der RAF, der Roten Armee Fraktion, in der oberschlaue Kinder reicher Eltern zusammenfanden, um die Republik zu verbessern und sich dabei grandios verrannten. Eine Reihe spektakulärer Morde erschütterten Deutschland, die Bevölkerung spürte eine nervöse Polizeipräsenz. Bei Fahrzeugkontrollen standen die Polizisten mit Maschinenpistolen auf der Straße oder sie leiteten sogar den kompletten Autobahnverkehr über einen Rasthof und kontrollierten alle.
Dann kam die Wende. Deutschland wurde eins und, was keiner für möglich gehalten hatte, wieder grauer. Trendsetter war die neugeschaffene Telekom, die die gelben Telefonzellen beseitigte und dafür Graue aufstellte, denen ein Hauch von Rot anhaftete, das als Magenta bezeichnet wurde. Grau dominierte die Fahrzeugfarbe, grau wurden viele Fassaden. Doch ich greife der Zeit voraus.
Alwin lebte und arbeitete in einer Kleinstadt, die von vierzigtausend Menschen bewohnt wurde und bis auf Oper und Theater alles hatte, was das deutsche Herz begehrte. Was der Stadt fehlte, bot die Großstadt in zwanzig Kilometern Entfernung. Wenn die Jungend mal ableben und so richtig Scheiße bauen wollte, tat sie das lieber im Großstadtdschungel und verdrückte sich danach in die Heimat. Umgekehrt galt das aber auch für die Großstädter, die lieber im Hinterland über die Stränge schlugen, in Besenwirtschaften die Sau raus ließen und unerkannt Sexabenteuer nachgingen. In Alwins Heimatstadt gab es viel bessere Discos, Bars und Striplokale, als in der Großstadt.
Die Bank schickte die Jahresabschlussberichte, fünf Stück, jeweils einen für Opa Robert, Vater Rolf, Mutter Claudia, Alwin und die ausgewanderte Inge bekam auch einen. Vater öffnete den Umschlag seiner Frau und fing an zu heulen. Auf Mutters Konto hatte seit ihrem Verschwinden keine Bewegung stattgefunden. Vater Rolf ging damit wieder zur Polizei und meinte, seiner Frau müsse etwas passiert sein, vielleicht würde sie von jemandem festgehalten. Die Beamten fanden das unangetastete Konto nicht außergewöhnlich, nahmen aber trotzdem dieses Mal eine Vermisstenanzeige auf. Dass Menschen auf dem Weg zum Zigarettenautomat verschwinden würden, so ein Polizist, sei kein Witz. Oft werden sie Jahre später bei einer zufälligen Kontrolle wieder entdeckt. Und, dass manche alles liegen und stehen lassen und verschwinden, käme auch vor. Weil viele der Vermissten gefunden würden oder zurückkämen, wüsste man, dass selten ein Verbrechen dahinter steckt. Der Vater besuchte daraufhin Mamas Behörde, forschte dort nach Beziehungen, wollte wissen, ob sonst noch jemand verschwunden sei, er dachte natürlich an einen Geliebten und brachte so lange Unruhe in den Dienstablauf, bis er Hausverbot erhielt. Rolf durchforstete die Ordner seiner Frau, ihre schriftliche Hinterlassenschaft, forschte bei allen Verwandten und Bekannten, kontaktierte Vereine und Organisationen, bei denen sich Claudia früher engagiert hatte und rief alle ehemaligen Klassenkameraden an, deren Adressen er ausfindig machen konnte.
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