Zügig lief Johannes zum Eingang der Bank und betrat die kleine Filiale der bäuerlichen Genossenschaftsbank. Die Bankangestellte, eine schlanke Blondine von etwa fünfundzwanzig Jahren mit ausladenden Brüsten und knallrot bemalten Lippen, lächelte ihm entgegen.
„Grüß Gott, Herr Kramp. Was kann ich für Sie tun?“
„Guten Tag Fräulein Eggernbacher. Ich möchte gern mein Konto auflösen.“
Fräulein Eggernbacher tat verwundert.
„Waren Sie mit uns nicht zufrieden?“
Johannes lächelte.
„Nein! Ganz im Gegenteil! In Anbetracht der momentanen politischen Lage kann ich für die Sicherheit meiner Frau nicht mehr garantieren. Deshalb wollen wir uns ins neutrale Russland absetzen.“
Johannes wurde plötzlich bewusst, dass er eine falsche Fährte gelegt hat.
Wieder dieser Automatismus!!
„Oh die letzte Nacht war schrecklich, nicht wahr? Könnte ich vielleicht Ihre Ident-card haben?“
Johannes schob ihr die kleine Plastikkarte über den Tresen. Diese Karte erfüllte wirklich alle Funktionen des öffentlichen Lebens. Sie war nicht nur Personalausweis, sondern auch Führerschein, Kreditkarte und Sozialversicherungskarte in einem.
„Auf welche Bank in Russland soll ich Ihr Vermögen transferieren.“, fragte Fräulein Eggernbacher freundlich.
„Oh das weiß ich noch nicht! Ich möchte es gerne bar ausbezahlt bekommen.“
„Ja da muss ich erst mal schauen.“ Die junge Frau gab über das Partikeldisplay ihres Computers Johannes seine Bankdaten ein und zog die Ident-card durch einen Scanner. „So Herr Kramp! Ihr Guthaben beläuft sich auf 54000DM Privatvermögen und 125000DM betriebliche Rücklagen.“
„Die betrieblichen Rücklagen lege ich in treuhänderische Verwaltung von meinem Freund Robert Mayer. Er führt den Betrieb in meiner Abwesenheit.“
„Das ist günstig! Ist doch Herr Mayer ebenfalls Kunde unseres Hauses! Dann ist Alles klar, Herr Kramp! Haben Sie ein paar Minuten Geduld. Ich werde Ihr Geld und alle nötigen Unterlagen vorbereiten.“
Fräulein Eggernbacher gab Johannes seine Karte zurück und verschwand im Keller der Bank, wo der Tresor stand.
Johannes warf einen Blick durch die Glastür auf den Parkplatz. Alles schien ruhig zu sein und Ramira war noch relativ gelassen. Er setzte sich auf einen Sessel im Schalterraum und wartete ungeduldig, immer den Parkplatz im Auge behaltend.
Die Minuten rannen dahin und erschienen wie Stunden!
Nach etwa zehn Minuten kam Fräulein Eggernbacher die Treppe wieder herauf. In den Händen hielt sie ein dickes Bündel Banknoten und zwei Formulare. Alles breitete sie vor Johannes auf dem Tresen aus.
„Sie müssten hier eben noch zweimal unterschreiben.“
Die junge Frau schob Johannes die beiden Dokumente und einen Stift zu.
„Das sind zum einen die Empfangsbestätigung über den Erhalt ihres Privatvermögens in bar, und zum anderen die Bestätigung, dass wir Ihre betrieblichen Rücklagen Herrn Robert Mayer in treuhänderischer Verwaltung überschreiben dürfen.“
Johannes unterschrieb die Formulare und schüttelte der jungen Frau die Hand.
„Ich bedanke mich, Fräulein Eggernbacher. Ich habe stets gerne mit Ihnen meine Finanzgeschäfte geregelt.“
„Ich wünsche Ihnen alles Gute für die Zukunft und kommen Sie wohlbehalten in Russland an.“
„Das hoffen wir doch mal! Auf Wiedersehen und alles Gute für Sie!“
Zügig verließ Johannes die Bank. Er setzte sich zu Ramira in den Wagen und schaute sie einen Moment einfach nur an. Er atmete tief durch und lächelte.
„Also dann Baby!“, raunte er, wie so ein Westernheld, mit tiefer Stimme und grinste dabei. „Lass uns in die Sonne reiten!“
Polizeirevier, Nürnberg, 28. März 2031, 12.00 Uhr
Gerlach goss sich und Stübner zwei weitere Pötte Kaffee ein, der inzwischen nur noch als lauwarm zu bezeichnen war. Er stellte seinem Partner eine Tasse vor die Nase und ging mit der anderen langsam zurück an seinen Schreibtisch.
„Johannes Kramp ist Offizier der Reserve.“, begann Stübner zu sinnieren „Aber wenn es stimmt was ich vermute, wird er sich wohl kaum beim Wehrkreiskommando melden.“
„Er hat bis heute eine blütenreine Weste! Es gibt nichts über ihn in unserer Datenbank, noch nicht einmal wegen falsches parken oder so. Nichts! Keine Jugendsünden, keine alten Schulden, gar nichts! Er ist der absolute Saubermann!“, stellte Gerlach eins ums andere mal fest, wenn er wieder und wieder Kramps spärliche Aktendatei durchsuchte.
„Kramp wurde am 7.10.2001 in Waldheim geboren, er ist selbstständiger Schäfer, wie Du schon sagst, Offizier der Reserve und ist seit zwei Jahren mit der heute fünfundzwanzigjährigen Ramira Kizmir verheiratet. Sie haben keine Kinder.“, las Gerlach von seinem PC ab. „Das ist alles! Mehr steht da nicht! Ich versuche mal an seine Militärakte ran zu kommen.“
Gerlach zog sich mit einigen Verlinkungen in die Personaldateien der Bundeswehr und schaffte dies sogar relativ leicht! Sogleich gab er in eine Suchleiste den Namen Johannes Kramp ein.
„Verdammt! Kein Zugriff!“, stieß er enttäuscht hervor
„Wie bitte?“ Stübner schaute auf und zog überrascht seine Augenbrauen hoch. „Das ist aber schon etwas ungewöhnlich!“
„Ja! Sieh doch!“
Gerlach drehte den Sockel des Partikeldisplays zu Stübner, auf dass der nicht alles spiegelverkehrt lesen musste.
„Zugriff nur mit erweiterter Autorisation!“
„Für mich hört sich das doch verdammt nach Spezialeinheit oder Geheimdienst an! Da es sich bei dieser Militärakte wohl um eine geheime Verschlusssache zu handeln scheint, tendiere ich eher zum Militärischen Abschirmdienst, als zu BND oder Verfassungsschutz. Oder Kramp hatte mit dem KSK, dem Kommando Spezialkräfte zu tun. Doch das glaube ich weniger. Mensch, der Mann ist in den besten Jahren! Warum sollte er da schon so früh aus dem Dienst bei dieser Eliteeinheit ausscheiden? Nein! Nein! Ich glaube Kramp ist mit dem MAD involviert, irgendwie!“
Der Communicator piepste. Sogleich bestätigte Stübner und nahm das Gespräch an. Vor ihm baute sich das Hologramm des Gerichtsmediziners auf.
„Doktor Seifert! Was haben Sie für uns?“, begrüßte Stübner den Gerichtsmediziner freundlich.
„Ja meine Herren! Ich habe mich eingehend mit diesen fünf Burschen beschäftigt. Unter anderem haben wir diverse Abstriche genommen und deren Werte durch unseren Rechner gejagt. Es kam wenig Erfreuliches zu Tage. Diese Mistkerle haben nach ersten Erkenntnissen letzte Nacht wenigstens fünf muslimische Frauen und sechs Mädchen vergewaltigt und getötet. Stellen Sie sich vor, die Kinder waren allesamt erst zwischen neun und dreizehn Jahre alt! Dies konnten wir auf Grund von Spermaspuren an den jeweiligen Opfern feststellen.“ Doktor Seifert nahm seine Brille von der Nase. „Also um ehrlich zu sein, meine Herren, mein Mitleid für diese Typen hält sich weiß Gott in Grenzen!“
Stübner und Gerlach schüttelten fassungslos die Köpfe.
„Bei der Leiche mit der heruntergelassenen Hose haben wir frisches Vaginalsekret von Ramira Kramp gefunden.“, fuhr Doktor Seifert fort. „Zu den Todesursachen der fünf Männer haben sich meine Vermutungen bestätigt. Der Todeszeitpunkt liegt etwa um Mitternacht herum. Ach ja! Zum Zeitpunkt der Tat waren die fünf Männer extrem alkoholisiert. Mehr habe ich im Moment nicht.“
„Das ist doch schon mal eine Menge! Besten Dank, Doktor!“
„Nicht dafür, ist ja mein Job! Übrigens einen schriftlichen Bericht lasse ich Ihnen zeitnah zukommen. Wenn Sie den Typen finden, der uns von diesen Monstern erlöst hat, dann nehmen Sie ihn bitte nicht all zu hart ran, okay?“
„Wenn das so einfach wäre, Doktor! Aber das liegt nicht in unserer Gewalt. Unser Job kann manchmal schon ganz schön beschissen sein! Nichts desto trotz danken wir Ihnen für die zügige Bearbeitung der Angelegenheit! Tschüss Herr Doktor!“ Stübner trennte die Verbindung.
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