Porter Thomson
Ich, Bürger der DDR
Anekdoten eines aufregenden Lebens
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel Porter Thomson Ich, Bürger der DDR Anekdoten eines aufregenden Lebens Dieses ebook wurde erstellt bei
ALLE JAHRE WIEDER!
AUS DER NOT EINE TUGEND MACHEN
MEIN WEG DER „SELBSTFINDUNG“
LERNEN FÜR´S LEBEN
AUF DASS WAS AUS DIR WIRD
GÖTTERDÄMMERUNG
DAS UNVORSTELLBARE
Impressum neobooks
Ne ne! Nicht was Ihr jetzt vielleicht denkt! Es war noch viel aufregender als Weihnachten!
Einmal im Jahr traf sich die gesamte Sippschaft bei uns zu Hause, und zwar genau an dem Wochenende zu oder nach meinem Geburtstag, also Mitte September. Meine Sippe ist übrigens groß, hatte doch meine Mutter drei Schwestern und mein Vater sage und schreibe elf Geschwister!! Viele Kinder zu haben war wohl damals vor, während und nach dem Krieg, weit verbreitet. Aber ich lenke vom Thema ab.
Wie schon gesagt, trafen sich diese gefühlten hunderttausend Menschen an meinem Geburtstag bei mir zu Hause. Waren schließlich alle da setzte sich eine gewaltige Kolonne aus Trabis, Wartburgs, Ladas, Skodas und Dacias in Bewegung.
Geschlossen fiel dann die große Verwandtschaft am frühen Morgen über die brandenburgischen Kiefernwälder bei Buckow her, um diese von wirklich allen Maronen, Pfifferlingen, hin und wieder einmal ein paar Steinpilzen, Ziegenlippen, Samtkappen und als absolute Rarität vielleicht einer Krause Glucke zu befreien!
Die Heerscharen verteilten sich, schon fast militärisch präzise, in den Wäldern und ernteten Pilze was das Zeug hielt! Waren die Spankörbe voll, wurden die Kinder zurück ins „Basislager“, also zu den im Wald geparkten Autos, geschickt um die Körbe in großen mitgebrachten Kinderbadewannen zu entleeren.
Am späten Nachmittag, die Kinderbadewannen waren tatsächlich alle voll, trafen sich dann die Truppenteile im „Basislager“. Angesichts der fetten Beute waren Alle gut gelaunt. So ließ man sich zu einem munteren Kaffee und Kuchen nieder.
Die Frauen der Verwandtschaft hatten den Kuchen schon Tage zuvor gebacken und brachten diesen mit! Es waren Unmengen an Kuchen!
„Oh mein Gott!“, sage ich da heute noch, denke ich an Damals zurück.
War der Kuchen vernichtet und der Kaffee ausgetrunken, zogen sich die Heerscharen aus den Buckower Wäldern zurück. Geschlossen fuhr die Kolonne aus Trabis, Wartburgs, Ladas, Skodas und Dacias wieder zu uns nach Hause.
Wer nun glaubt, dass es das war, der irrt sich gewaltig! Jetzt ging der Zauber erst mal richtig los! Drei oder vier Kinderbadewannen voller Pilze wollten geputzt, gespült, nicht gebadet, und eingekocht werden! Die Menschenmassen verteilten sich in unserer viereinhalb Zimmerwohnung. Generalstabsmäßig wurden alle für diverse Tätigkeiten eingeteilt. Viele Leute putzten die Pilze, zeitgleich spülten zwei oder drei Personen die Einweckgläser. Sobald genug Pilze geputzt waren, beschickten zwei oder drei Frauen die gereinigten Gläser mit den geputzten und vorher gespülten Pilzen und wieder andere hatten den Einkocher unter ihren Fittichen. Jeder wurde mit eingespannt. Die großen Kinder spielten an diesem Tag Babysitter für die Kleinen.
Der Abend wurde lang, sehr, sehr lang! Erst wenn das letzte Glas Pilze eingeweckt und die komplette Küche mit Pilzgläsern zu gestellt war, wurde es gestattet sich zur Ruhe zu begeben.
Und dieser Spaß wiederholte sich jedes Jahr an meinem Geburtstag! Hurra, super, Klasse, toll!! Ich habe es bereits nach dem dritten mal gehasst! Andere Kinder feiern schön Kindergeburtstag, so mit Topfschlagen, Blinde Kuh und Süssigkeiten bis zum Abwinken und so! Aber ich? Großkampftag in den Pilzen! Danke!
Das ging so bis ich ungefähr 12 oder 13 Jahre alt war. Dann endlich schlief das mit den Pilzen zum Glück ein wenig ein und ich konnte irgendwann auch mal so richtig Geburtstag feiern.
AUS DER NOT EINE TUGEND MACHEN
Jedem ehemaligen DDR-Bürger ist es bestimmt noch in bleibender Erinnerung, dass es damals nicht immer so einfach war, mal eben in den Konsum oder den HO zu gehen, um sich den Kühlschrank immer genau mit dem zu befüllen wonach einem gerade der Sinn stand. Oftmals war es doch so, dass man sich seinen Kühlschrank mit dem befüllte was es gerade zu kaufen gab! Und der dem die Möglichkeit gegeben war, legte fleißig Vorräte an, von Dingen die es ab und an mal gab und nicht gerade zugeteilt wurden.
Einige von uns hatten den glücklichen Umstand, dass es Freunde oder Verwandte gab, die daheim bei sich ein paar Schweine im Stall stehen hatten. Bei uns waren es meine Großeltern. Da hieß es dann einmal im Jahr Schlachtefest!!!
Jau!! War das immer ein Spaß!!
Einmal im Jahr, immer im Winter, bepackten wir unseren schicken rot-weißen 311er Wartburg mit dem allernötigsten um die weite Reise von ca. 300 km zu meiner Oma anzutreten. Das heißt natürlich erst dann, wenn wir drei Geschwister uns denn geeinigt hatten, wer nun auf dieser, für damalige Verhältnisse, doch recht langen Reise in der Mitte der Rücksitzbank saß! Wir waren drei Geschwister, es gab aber nur zwei Fensterplätze. Den rechten Fensterplatz bekam immer meine Schwester. Ja und den Linken? Heute bewundere ich die Geduld meiner Eltern, die sie damals bei diesen immer wieder kehrenden Streitritualen aufbrachten, zumindest eine Zeit lang. Na ja! Am Ende zog dann immer der Kleinste den Kürzeren, und das war leider ich.
Endlich ging es los! Wir brausten in unserem schicken rot-weißen 311er Wartburg los. Erst bis nach Niemegk, und dann auf die heutige A9 bis nach Halle an der Saale.
Diese ewig lange Autobahnfahrt bis nach Halle war so langweilig! Die Langeweile wurde nur zwei oder dreimal unterbrochen, wenn meiner Schwester wieder einmal übel wurde und sie sich übergeben musste. Also fuhr mein Vater rechts ran. (Damals gab es noch keine Standstreifen auf den Autobahnen!) Tür auf Schwester raus, sich noch einmal alles durch den Kopf gehen lassen, und weiter.
Wenn meine Schwester sich nicht gerade am Übergeben war, zählten wir immer Westautos und bestimmten sie nach Marke und Modell. Damals war die Anzahl der Westautos auf DDR-Autobahnen noch recht überschaubar, wie überhaupt der damalige Verkehr auf unseren Straßen.
Auch wenn wir nicht einen Stau hatten, was in der DDR eigentlich nie vorkam, brauchten wir doch geschlagene vier Stunden bis zu meiner Oma, die in einem kleinen Dorf bei Sangerhausen wohnte.
Ja ja! Rasen gab es damals noch nicht! Zum einen gab es das normale Standardauto des Ostens, der Trabi oder der Wartburg mit ihren 100 bis 120 km/h nicht her, zum anderen war mein Vater ein recht vorbildlicher Kraftfahrer und zum dritten war der Zustand unserer Straßen streckenweise doch recht „abenteuerlich“.
Irgendwann waren wir dann endlich da. Wir Kinder konnten es kaum noch erwarten aus unserem schicken rot-weißen 311er Wartburg heraus zu kommen um als aller erstes nach der Begrüßung von Oma, Opa und Onkel und Tante den alten Bauernhof mit seinem riesigen Garten unsicher zu machen.
Es war immer wieder schön bei Oma und Opa. Dieser alte Bauernhof war einfach nur ein Traum!
Auch wenn sich mein Opa nach langem Wehren der Übermacht von Partei und Staat geschlagen geben musste und schließlich der LPG beigetreten wurde, hat er sich doch immer redlich, und im Rahmen seiner damaligen Möglichkeiten, Mühe gegeben den Charakter seines Hofes als Bauernhof zu erhalten. Was damals an Eigenwirtschaft erlaubt war, hat er auch konsequent in Anspruch genommen. So war es eben, dass mein Opa und meine Oma bis zu seinem Tode jede Menge Getier bei sich auf dem Hof hatten. Da waren frei laufende Enten und Hühner, mehrere Schweinekoben mit jeweils zwei Schweinen, jede Menge Kaninchen, also richtige große, schwere Kaninchen zum Schlachten versteht sich, zwei bis drei Ochsen und bis Anfang der Siebziger, habe ich noch ganz schwach in Erinnerung, sogar ein paar Milchkühe.
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