1 ...7 8 9 11 12 13 ...20 „Guten Tag meine Herren.“, rief ihnen der Gerichtsmediziner entgegen und winkte kurz, um sich sogleich wieder seiner Arbeit zu widmen. Noch während er den einen untersuchte, bei dem man nicht sofort eine Todesursache erkannte, begann er schon zu berichten. „Die Todesursache der Herren mit den gespaltenen Schädeln ist ja wohl offensichtlich.“, begann er ohne viel Zeit zu verschwenden. Wahrscheinlich hatte er heute noch viele Leichen zu untersuchen. „Bei dem einen da drüben, mit der herunter gelassenen Hose, ist es ein Genickbruch. Dieser hier allerdings, ist etwas ganz Besonderes. Schauen Sie mal!“
Stübner und Gerlach traten näher an den Leichnam heran, den der Gerichtsmediziner gerade untersuchte.
„Dem hat sich das Nasenbein ins Gehirn gebohrt.“
Er drückte auf die Nase des Toten, die sich ohne Widerstand ins Gesicht hinein schieben ließ.
„An der rechten Schläfe hat er ein kräftiges Hämatom, wie nach einem Stoß mit einem stumpfen Gegenstand. Zu guter Letzt haben wir noch den andern Genickbruch. Bei dem kann man noch auf Anhieb eine Ellenbogenfraktur erkennen. Mehr kann ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Aber, wer so tötet, versteht sein Handwerk! Der Mörder hat gewusst wie man tötet.“
„Danke Doktor! Ich erwarte so schnell wie möglich Ihren ausführlichen Bericht!“, sagte Stübner.
„Selbstredend! Guten Tag!“
Der Doktor packte seine Sachen ein und schickte sich an wieder zu verschwinden.
„Ach ja!“, fiel ihm noch ein. „Sobald die Spurensicherung ihre Arbeit beendet hat kümmern sich meine Jungs um die Leichen.“
Der Gerichtsmediziner winkte noch einmal und ging zu seinem Wagen.
Die Spurensicherung begann auch sogleich damit den Tatort zu vermessen und die Lage der Leichen abzukleben. Sie stellten die potentiellen Tatwaffen sicher und scannten mit einem Profilscanner den Rasen ab.
„Herr Hauptkommissar!“, rief der Beamte mit dem Scanner zu Stübner rüber. „Hier lag noch eine Person!“
„Das habe ich mir schon fast gedacht. Wahrscheinlich war das die Frau die vergewaltigt wurde.“
Gerlach und Stübner gingen zu ihrem Dienstwagen. Über den Bordcomputer, der direkt mit dem Zentralrechner der Polizei vernetzt war, erfragten sie die Dateien über Ibrahim Kizmir.
„Da haben wir’s!“, wurde Gerlach fündig und begann sogleich vor zu lesen. „Ibrahim Kizmir, 58 Jahre alt, verheiratet, vier Söhne eine Tochter, Spediteur aus Nürnberg und stellvertretender Bürgermeister. Zwei Söhne, Ali und Mohammed, leben in Ankara. Erkan in Dortmund und Hassan in Berlin. Die Tochter Ramira lebt…“ Gerlach stutzte. „Ramira lebt mit ihrem deutschen Mann in Waldheim, ganz in der Nähe. Das ist doch schon mal was!“
„Überprüfe ihn!“, sagte Stübner gelassen, wie als würde man eine von vielen Spuren verfolgen.
„Schon in Arbeit.“ Gerlach gab über das Display in eine Suchmaschine den Namen »Ramira Kizmir« ein. „Da haben wir es! Ramira Kizmir heißt heute Ramira Kramp. Sie ist fünfundzwanzig Jahre alt und mit einem Johannes Kramp verheiratet. Die Kramps unterhalten eine Schäferei in Waldheim bei Nürnberg.“
„Ein Schäfer? Hmm! Lass uns den Bericht der Spurensicherung abwarten und die DNA-Muster abgleichen. Das internationale DNA-Register wird uns schon ein paar Namen ausspucken. Hier war´s das erst mal für uns. Fahren wir ins Büro.“
Hof der Familie Kramp, Waldheim, 28. März 2031, 10.00 Uhr
Die Sonnenstrahlen, die durch das kleine Fenster fielen, kitzelten Ramira neckisch im Gesicht, als wollten sie rufen: „Raus aus den Federn! Heute ist ein so wunderschöner Tag!“
Durch die entstehende Wärme in ihrem Gesicht entstand ein Reiz, der Ramira dazu veranlasste sich mit dem Arm über das Gesicht zu fahren. Kaum hatte sie die Sonnenstrahlen quasi weg gewischt, sank ihr Arm zur Seite ab und die Hand tastete auf dem Kissen neben sich nach Johannes. Doch das Kissen von Johannes war verwaist!
Ramira hob leicht den Kopf. Ihr Schädel brummte zum Zerspringen. Sogleich fiel ihr mit Schrecken die letzte Nacht wieder ein. Johannes hat sie k.o. gehauen! Erst auf der Heimfahrt, im Auto, wachte sie wieder auf. Als Ramira mitbekam, dass ihre Eltern nicht mit im Auto waren, entflammte ein böser Streit zwischen ihr und Johannes. Verzweifelt versuchte er ihr zu erklären, dass das Haus lichterloh brannte und die Gefahr viel zu groß war auf weitere lynchende Horden zu treffen. Jedoch war Ramira so sehr aufgebracht und durch ihre Trauer zerrissen, dass sie an diesem gestrigen Abend kein Einsehen mehr mit Johannes hatte. In ihrer ohnmächtigen Wut verwies sie ihn des ehelichen Schlafzimmers. Johannes fügte sich, wohl um den Streit nicht noch weiter eskalieren zu lassen.
Ramira sank wieder in ihr Kissen zurück. Bei dem Gedanken, dass sie ihre Eltern einfach so verbrennen ließen, begann sie wieder bitterlich zu weinen. Aber am Ende ging es wohl nicht anders, kam Ramira an diesem Morgen, nach ein paar Stunden Schlaf, zu dieser vernünftigen Einsicht. Johannes wollte doch nur ihr Leben schützen! So nach und nach tat ihr der Streit mit Johannes leid.
Ich hätte mit ihm nicht so hart ins Gericht ziehen dürfen!
Sie musste sich unbedingt entschuldigen!
Ramira stand auf und wurde plötzlich von einem stechenden Schmerz im Unterleib überfallen. Sogleich krümmte und verkrampfte sich Ramira. Ihr fiel wieder ein, dass eines dieser brutalen Schweine sie letzte Nacht vergewaltigt haben soll! Aber Johannes, so hat er ihr erzählt, habe sie vor noch viel Schlimmerem bewahrt. Sich den Unterleib haltend, zog sie sich ihren Morgenmantel über und ging hinunter ins Wohnzimmer, um nach Johannes zu schauen.
Da lag er, schlafend auf der ausgezogenen Couch, ihr Johannes!
Er würde mich nie im Stich lassen!
Ein leichtes Lächeln legte sich auf ihr noch immer blasses Gesicht.
Doch Johannes schlief nicht ruhig wie sonst! Auf seiner Stirn standen Schweißperlen. Rege bewegten sich seine Augäpfel unter den Lidern hin und her. Nervös zuckten seine Mundwinkel und er murmelte unverständliches Zeug. Es klang beinahe wie...
Latein? Seit wann kann Johannes Latein?
Ramira rüttelte ihn ganz leicht an der Schulter. Blitzschnell packte er ihr Handgelenk, verdrehte den Arm schmerzhaft und hatte sie auch schon zu Boden gedrückt. Mit der erhobenen Faust stand er über ihr.
„NEIN!!!“, schrie Ramira entsetzt und erkannte erst jetzt dieses ungewöhnlich verzerrte Gesicht, wie das eines Wahnsinnigen!
Johannes schien zu sich zu kommen. Seine Gesichtszüge entkrampften sich und er sank neben ihr kraftlos zu Boden. Er begann zu weinen und wandte sich von Ramira ab.
„Verzeih mir Schatz! Bitte! Du musst mir verzeihen! Ich weiß selber nicht was mit mir los ist!“, flehte er mit schluchzender Stimme.
Ramira hockte sich neben ihren Mann und streichelte seinen Oberarm. „Du hast nur schlecht geträumt. Kein Wunder nach einer solchen Nacht! Seit wann kannst Du eigentlich Latein?“
„Wie bitte?“ Johannes schaute Ramira ungläubig an. Tränen perlten über seine Wange und verschwanden in seinem dichten Bart.
„Ja! Du hast im Schlaf Latein gesprochen!“
Ramira streichelte seinen Kopf wie eine Mutter ihrem kleinen Jungen der schlecht geträumt hat.
„Aber ich kann doch gar kein Latein! Wie soll das denn gehen?“
„Ich weiß doch was ich gehört habe!“, beharrte Ramira auf ihre Feststellung. „Weißt Du denn noch was Du genau geträumt hast?“
„Ein wirres Zeug war das. Ich schwebte scheinbar über einen großen gepflasterten Marktplatz frei von Menschen. An seinem Ende stand eine große romanische Kirche aus Feld- und Ziegelsteinen gemauert. Deren Turm stand abseits vom Schiff. Mich zog es wie magisch zu einer zweiflügeligen Holztür. Auf der waren zwei große schwarze Kreuze zu sehen. Es zog mich wie magisch zu jener Tür hin, sie zu öffnen. Ich hatte sie fast erreicht, da hast Du mich geweckt.“ Johannes zögerte einen Moment und schaute Ramira entgeistert an. „Große schwarze Kreuze! Ja genau! Gestern Abend, bei den Nachrichten, war auch von einem schwarzen Kreuz die Rede. Danach hatte ich diese schrecklichen Kopfschmerzen!“
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