Anja Kuemski
Summer of 86
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Inhaltsverzeichnis
Titel Anja Kuemski Summer of 86 Dieses ebook wurde erstellt bei
1. Kapitel
2. A Kind of Magic
3. Boys Don't Cry
4. On My Own
5. Showing Out (Get Fresh At The Weekend)
6. Everybody Have Fun Tonight
7. Touch me
8. A Question Of Lust
9. Strangers By Night
10. Being Boiled
11. Underground
12. When Tomorrow Comes
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
Impressum neobooks
Es ist noch dämmrig draußen, als er in die Küche kommt. Schücking ist noch nicht da. Johannes überlegt, ob er das Frühstück für ihn vorbereiten soll, kann sich aber nicht zu einer Entscheidung durchringen, was sein Mitbewohner denn wohl essen möchte. Zögernd geht er die Treppe wieder hinauf in den ersten Stock und bleibt vor der Schlafzimmertür stehen. Er weiß, er soll das nicht tun. Sie haben klare Regeln. Aber er muss doch wissen, was Schücking zum Frühstück essen will. Das ist wichtig. Er hinterfragt nicht, warum das so dringend geklärt werden muss. Aber es ist viel zu still. Schücking ist Frühaufsteher. Er muss jetzt nachsehen, was mit dem Mann ist.
Johannes klopft leise an die Tür. Ein grummelndes Geräusch ist die Antwort. Er klopft etwas lauter. Ein unwilliges Brummen kommt von drinnen. Schücking ist ein Meister der Kommunikation. Er würde solche Geräusche nicht von sich geben, wenn er stattdessen die Möglichkeit sähe, Johannes einen langen Vortrag über unerwünschtes Stören zu halten.
Vorsichtig öffnet Johannes die Tür und späht in die Dunkelheit. Vom Bett aus schauen ihn zwei kränklich gelbe Augen an. Das stimmt nicht. Schücking hat blaue Augen. Und ohne Kontaktlinsen sind sie ein grauer Nebel. Niemals gelb und krank. Kattenstroth möchte sich umdrehen und weglaufen. Aber er bleibt. Die Frühstücksfrage ist ungeklärt.
»Was wollen Sie zum Frühstück?«, fragt er und ärgert sich über seine zitternde Stimme.
Ein krächzendes Röcheln dringt aus Schückings Kehle. Die gelben Augen fixieren ihn beinahe hungrig. Gierig.
Johannes schluckt schwer.
»Was ist mit Ihren Augen, Schücking?«
Er macht zwei Schritte Richtung Bett.
»Ich … sehe … besser, Katten…«, kommt es bellend und keuchend aus Schückings weit geöffnetem Mund.
»Ihre Zähne sehen unnatürlich lang aus.«
»Ich will … fressen.«
Schücking schlägt die Bettdecke zurück und steigt aus dem Bett. Er landet auf allen Vieren.
Der Geruch eines nassen Hundes wabert Johannes entgegen. Schücking richtet sich auf seine Beine, seine Hinterläufe, auf. Sein Mund verformt sich, Krallen wachsen aus seinen Fingern.
»Fressen«, jault er und stürzt sich auf Johannes.
*
Schweißüberströmt erwachte Kattenstroth und stellte irritiert fest, dass er neben seinem Bett auf dem Fußboden lag. Er setzte sich ächzend auf und rieb sich mit den Händen energisch das Gesicht.
»Alles in Ordnung?«, kam Schückings Stimme von jenseits der Tür.
»Ja ja.«
»Frühstück fällt aus. Sie haben die Milch gestern leer gemacht, ohne rechtzeitig neue zu kaufen.«
»Ist schon gut, ich kaufe welche«, rief Kattenstroth matt. Er konnte sich gerade nicht auf eine Haushaltsdebatte einlassen.
»Müssen wir das durch die Tür besprechen?«
»Wir müssen das gar nicht besprechen, Schücking! Ich gehe gleich einkaufen. Lassen Sie mich doch einen Moment in Ruhe!«
Er traute sich nicht, zur Tür zu gehen. Der Anblick Schückings, der sich vor seinen Augen in einen Hundskopf verwandelte, hatte ihn zu sehr mitgenommen. War es das, was ihn eines Tages erwartete? Nicht nur in einem Albtraum, sondern ganz real?
»Ich warte unten«, rief Schücking.
Kattenstroth hörte ihn die Treppe hinuntergehen.
Warum bestand sein Mitbewohner darauf, dass sie gemeinsam einkaufen gingen? Vielleicht hatte er auch schlecht geschlafen. Er wollte es nur ungern zugeben, aber möglicherweise war langsam der Zeitpunkt gekommen, an dem sie ohne psychologische Hilfe nicht mehr zurechtkamen.
Es war inzwischen fast ein Jahr her, dass sein Beerdigungsinstitut abgebrannt war, aber die Albträume wurden nicht weniger. Dass Schücking ihn bei sich aufgenommen hatte, war einerseits ein Segen gewesen, aber andererseits auch ein ständiger Quell neuer Probleme. Nicht zuletzt deshalb, weil Schücking große Erinnerungslücken und eine wahrscheinlich grauenvolle Kindheit hinter sich hatte. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass die Stadt offenbar von hundsköpfigen Wesen untertunnelt wurde. Und niemand wusste, ob Schücking sich nicht eines Tages in ein solches Wesen verwandeln würde. Die Alternative war, dass sie beide längst den Verstand verloren hatten und sich diese ganze Sache mit den hundeartigen Ghulen nur einbildeten.
Kattenstroth war sich nicht einmal sicher, welche Variante ihm lieber gewesen wäre.
*
»Ich hätte nie gedacht, dass ich mal ein gestörtes Verhältnis zu Hunden entwickeln würde«, klagte Kattenstroth und wartete hinter dem Gartenzaun, bis die Nachbarin mit der sabbernden Dogge um die nächste Straßenecke verschwunden war.
»Das liegt sicher an Ihrer ersten Begegnung mit einem Hundskopf in unserem Garten neulich«, meinte Schücking und hielt ihm geduldig die Gartenpforte auf.
»Ach, wirklich?«
»Ich gebe zu, der Anblick war alles andere als ermutigend. Zu wissen, dass diese Kreaturen unter uns leben, buchstäblich, kann einem schon mal den Schweiß auf die Stirn treiben.«
»Ich finde es ehrlich gesagt noch deutlich beängstigender, dass Sie behauptet haben, Sie würden sich eines Tages in ein solches Wesen verwandeln.«
Kattenstroth hatte das Wesen, welches Schücking als Ghul oder Hundskopf bezeichnet hatte, nur kurz gesehen, aber das hatte ausgereicht, um ihn in Panik zu versetzen und nur noch mehr Albträume zu bescheren. Er hatte diese Kreaturen für Fabelwesen aus Horrorromanen gehalten. Wieso wusste der Rest der Welt denn offenbar nichts von deren Existenz?
Und die Vorstellung, sein Mitbewohner könne eines Morgens am Frühstückstisch anfangen zu jaulen und ihn mit Geifer am Mund gierig über den Rand der Zeitung anstarren, war gelinde gesagt verstörend. Der Albtraum letzte Nacht war sicher nur ein kleiner Vorgeschmack auf das, was ihn erwartete.
»Wollen Sie noch eine Weile warten, ob die Dogge zurückkommt, oder können wir jetzt ins Café gehen?«
Kattenstroth musterte Schücking skeptisch.
»Sie sind echt ein Phänomen. Erst eröffnen Sie mir eher so nebenbei, dass Sie, ebenso wie Ihr Vater, irgendwann zu so einem …«, er ruderte mit den Armen in der Luft herum, auf der Suche nach einem passenden Wort, »zu so einem Wesen mutieren werden und dann verlieren Sie tagelang kein Wort mehr darüber, als wäre nie etwas gewesen.«
Schücking blickte etwas verloren auf seine handgefertigten Lederhandschuhe.
»Ich hatte gehofft, wenn ich es nicht mehr erwähne, dann geht es Ihnen besser. Ich höre, dass Sie schlecht schlafen, seit der Ghul in unserem Garten aufgetaucht ist.«
Kattenstroth hätte wissen müssen, dass seinem Mitbewohner die Albträume nicht verborgen blieben. Schücking war ein sehr aufmerksamer Beobachter.
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