„Was ist hiermit? Schröder Baumarkt . Hallo? Ich habe in meinem ganzen Leben noch keinen Fuß in einen Baumarkt gesetzt. Und Blumen Jansen? Warum sollte ich für fünfundzwanzig Euro Blumen kaufen? In meiner Wohnung steht keine einzige Pflanze!“, erinnere ich sie.
Die brauchen viel zu viel Aufmerksamkeit und Pflege, und für so etwas habe ich nun wirklich keine Zeit.
Svenja scheint zu zweifeln. Jedenfalls hat sie diesmal keine passende Erklärung parat.
„Jemand muss sich auf meine Kosten ein ganzes Blumenbeet zusammengekauft haben und im Baumarkt farblich dazu abgestimmte Gartenmöbel!“, ereifere ich mich.
„Moment mal, hast du nicht letztens erzählst, du hättest dir einen Liegestuhl gekauft?“
„Ja, aber ...“ Ich stocke.
Ups. Der Liegestuhl. Den hatte ich vergessen. Er war bei Schröder reduziert.
„Ja, du hast recht“, gebe ich zerknirscht zu. „Aber die Blumen?“, klammere ich mich an den letzten Strohhalm, obwohl es inzwischen auch mir etwas unwahrscheinlich erscheint, dass jemand meine Karte gestohlen hat, bloß um damit seiner Gärtnerleidenschaft zu frönen.
„Keine Ahnung. Hatte vielleicht jemand Geburtstag?“
Kurz denke ich nach, denn fällt der Groschen.
„Mein Chef“, presse ich hervor. „Ich habe mich bereiterklärt, das Geschenk zu besorgen. Das Geld habe ich später wiederbekommen.“
„Siehst du. Niemand hat mit deiner Karte eingekauft. Das warst du selbst.“
Seufzend schlage ich wieder die letzte Seite auf und werfe noch einmal einen Blick auf die fürchterliche Summe unter dem Strich. Minus viertausendachthundertneunundachtzig Euro und dreiundsiebzig Cent. Nicht mehr und nicht weniger. Das bedeutet, ich habe meinen Dispo bereits um über hunderte von Euro überzogen, und mit jeder Abbuchung wird es mehr werden.
„Oh Gott“, stöhne ich und fange an, meine Schläfen zu massieren.
Mein Kopf fühlt sich an, als würde er in einem Schraubstock stecken. Wahrscheinlich ein Migräneanfall. Nicht dass ich je einen gehabt hätte, aber bei dem Kontostand würde es mich nicht wundern.
„Ich will ja nichts sagen, aber ...“, setzt Svenja an, was zweifellos gelogen ist, denn natürlich will sie etwas sagen.
„Ja, ich weiß“, unterbreche ich sie. „Ich muss meine Miesen wieder ausgleichen.“
Und die offenen Rechnungen bezahlen, die ich zuhause deponiert habe. Und mich um die Freigabe der Kreditkarten kümmern.
„Du solltest wirklich dringend zur Bank“, rät sie mir eindringlich. „Die wissen, was zu tun ist.“
Wohl kaum! Sonst hätten sie mir nicht die Kreditkarten gesperrt. Leuten, die so etwas Grausames tun, kann man nicht über den Weg trauen!
„Ja, klar“, schnaube ich verächtlich.
Leider scheint ihr meine Ironie zu entgehen. „Ich komme gerne mit.“
Um Himmels willen, das fehlte mir noch!
„Nein, nein. Musst du nicht. Das kriege ich auch allein hin.“
„Es würde mir nichts ausmachen.“
Darauf wette ich. Sie fühlt sich in jeder Bank wie zuhause.
„Lieb von dir, aber ich würde das gern lieber selbst regeln.“
„Na gut, wie du meinst“, sagt sie, beinahe eine Spur enttäuscht. „Trotzdem, wenn du Hilfe brauchst, ruf mich an. Du weißt ja, ich kenne mich aus“, zwinkert sie.
Ich lächele matt. „Mach dir keine Sorgen. Noch sitze ich nicht auf der Straße.“
Svenja lacht. „Dann sieh zu, dass es dabei bleibt.“
Wir umarmen uns zum Abschied.
„Ruf an, wenn es was Neues gibt, ja?“
„Klar“, versichere ich.
Das muss schließlich nicht zwangsläufig „was Neues in Sachen Kontoüberziehung“ heißen.
Ich sehe ihr nach, bis sie um die nächste Ecke verschwunden ist, und warte noch eine Weile, dann schlage ich ebenfalls den Weg zu meinem Auto ein. Ich habe nicht vor, einen Bankberater aufzusuchen. Das wäre einfach übereilt. Diese kleine Finanzkrise werde ich schon irgendwie in den Griff bekommen. Gut, ich habe keine Schimmer, wie ich das anstellen soll. Aber ich habe ja noch das halbe Wochenende, um mir ausgiebig darüber Gedanken zu machen ...
„Was glauben Sie, was ich hier betreibe? Ein Wohnheim für Bedürftige?“
Ja, ich bekenne mich schuldig: Ich bin ein Shopaholic.
Ich kaufe für mein Leben gerne ein. Alles Mögliche. Davon viel. Und so oft wie möglich. Den größten Teil meiner Freizeit verbringe ich in Geschäften. Shoppen ist für mich mehr als nur ein Hobby. Es ist eine Leidenschaft, eine Berufung, meine Erfüllung. Nichts auf der Welt macht mich glücklicher. Sicher, es gibt einiges im Leben, das eine tiefe, innere Zufriedenheit auslösen kann. Aber nichts, rein gar nichts ist befriedigender, als in einen Laden zu gehen, sich etwas auszusuchen und ihn mit der Gewissheit zu verlassen, dass es nun für immer dir gehören wird! Dieses Gefühl, mit den Händen voller Tragetaschen, randvoll gefüllt mit den wundervollsten Kleidungsstücken, Schuhen, Accessoires, durch die Straßen zu gehen, die neidvollen Blicke auf dir zu spüren und voll freudiger Erregung darauf zu warten, alles zu Hause auszupacken, ist durch nichts zu ersetzen.
Wenn mich das Lebens eins gelehrt hat, dann das: Männer kommen und gehen, aber etwas, das du mit Geld bezahlen kannst, wird dich niemals im Stich lassen. Was du dir kaufst, bleibt dir erhalten. Solange, bis du dich entscheidest, es zu ersetzen. Es liegt in deinen Händen. Du hast die Macht. Es macht dich frei und unabhängig. Einen Mann an seiner Seite zu haben ist nicht zu verachten, und man kann durchaus eine Weile Spaß mit ihm haben. Andererseits kannst du dir bei keinem Mann je sicher sein, dass er dir so treu ist wie ein Paar gut eingelaufener Jimmy Choos. Manche Leute mögen das oberflächlich nennen. Meine Lebenserfahrung dagegen hat mich oft genug in meiner Einstellung bestätigt. Ich habe schon an viele Männer meine Zeit verschwendet. Kostbare Zeit, die ich weitaus sinnvoller hätte verbringen können. Und trotz dieser Opfer war es am Ende immer eine einzige Enttäuschung. Meine Cartier-Uhr indessen enttäuscht mich nie. Sie wird mir auch zuverlässig die Zeit anzeigen, wenn ich schon alt und grau in meinem Lehnstuhl sitze und nur noch Online-Shopping betreiben kann. So sieht es nämlich aus. Man muss im Leben Prioritäten setzen. Was ist einem wichtiger: ein kurzweiliges, trügerisches, weil hormonell bedingtes Vergnügen oder eine dauerhafte, ehrliche, da gefühlsunabhängige Glückseligkeit? Liebe oder Geld? Eigentlich keine Frage, über die man ernsthaft nachdenken muss, oder? Für mich ist die Entscheidung schon lange gefallen. Ich mache mich nicht zum Opfer meiner höchst irrationalen und undurchschaubaren Gefühle, sondern vertraue auf die solide und beständige Partnerschaft mit meiner Kreditkarte.
Nun ja ... ich habe darauf vertraut. Denn so, wie es aussieht, steht unsere Beziehung seit heute zum ersten Mal vor einer echten Zerreißprobe ...
*
Als ich mit meinem alten, verbeulten Mitsubishi zuhause ankomme, sind meine Migräne – oder das, was ich dafür halte – schlimmer geworden. Die ganze Heimfahrt habe ich über den missglückten Shoppingvormittag nachgedacht, und je länger ich grübele, desto weniger verstehe ich, wie es dazu kommen konnte. Ich werfe mein Geld ja nicht mit vollen Händen zum Fenster hinaus oder verprasse es für lauter sinnloses Zeug. Vorhin zum Beispiel habe ich keineswegs im völlig überteuerten Parkhaus des Einkaufscenters geparkt, sondern ganz und gar kostenlos in einer Seitenstraße ein Stück abseits der Innenstadt. Dafür habe ich sogar den zehnminütigen Fußweg zum Stadtkern auf mich genommen, und das mit Pfennigabsätzen! Nein, ich gebe mein Einkommen nur für Dinge aus, die ich wirklich brauche! Nehmen wir nur mal den Flachbildfernseher, den ich mir selbst zum letzten Weihnachtsfest geschenkt habe. Ich konnte unmöglich weiter mit meinem alten Röhrenmodell auskommen. Es passte farblich absolut nicht zu den neuen Couchbezügen, die ich mir kurz vorher zugelegt hatte. Oder was ist mit diesem kuscheligen Mantel aus Kaninchenfellimitat, den ich im Winterschlussverkauf ergattert habe? Der war auf sagenhafte hundertzwanzig Euro heruntergesetzt. Ich wäre doch schön blöd gewesen, wenn ich dieses einmalige Angebot nicht genutzt hätte. Von dem Kalligraphieset, das ich neulich durch Zufall im Schaufenster eines Schreibwarengeschäfts entdeckt habe, fange ich gar nicht erst an. Wer weiß denn, ob ich nicht demnächst einmal in nostalgische Laune gerate und ganz plötzlich Lust verspüre, jemandem statt einer unpersönlichen E-Mail einen handgeschriebenen Brief zu schicken? Man kann mir vielleicht meine Spontaneität und meine Intuition in Bezug auf meine Einkäufe vorwerfen, aber wenigstens investiere ich mit entsprechender Weitsichtigkeit. Das kann man, weiß Gott, nicht von jedem behaupten. Deswegen begreife ich überhaupt nicht, weswegen man mir so mir nichts, dir nichts meine beiden wichtigsten Zahlungsmittel vorenthält. Immerhin kurbele ich mit meinen Ausgaben mächtig die Wirtschaft an. Man sollte mir dankbar sein!
Читать дальше