Frau Creutzer machte „Oh!“, dann seufzte sie. „Nun ja… Feinde hatte er wohl nicht zu knapp. Sie gehen doch wohl davon aus, dass er ermordet wurde?“
„Das ist durchaus denkbar, aber sicher wissen wir es erst, wenn -“
Frau Creutzer winkte ab. „Lassen Sie nur, man kennt diese Sätze. Aus dem Fernsehen, ich liebe Krimiserien. Ganz ehrlich, wenn man sich bei jemandem vorstellen kann, dass er ermordet wird, dann bei ihm.“ Sie kicherte damenhaft. „Früher habe ich auch manchmal daran gedacht – und ich bin sicher, Carina tut das auch. Oh – ich wollte jetzt nicht damit sagen, dass – Carina würde das natürlich nie – man malt sich so etwas manchmal aus, und das erleichtert dann schon hinreichend, wenn man sich geärgert hat… Naja…“
„Sie haben also Kontakt zu Ihrer – hm – Nachfolgerin?“
Marie Louise Creutzer lächelte. „Natürlich. Spätestens beim ersten Ärger über ihren Frischangetrauten hat sie sich an mich gewandt. Es war ihr beim ersten Mal ein bisschen peinlich, aber der Gedankenaustausch hat uns beiden gut getan. Man erkennt so doch viel besser, dass man nicht selbst schuld daran war, dass es nicht geklappt hatte.“
Liz und Joe wechselten einen ratlosen Blick.
„Obwohl“, fuhr die erste Frau Creutzer fort, „Carina ist nicht viel anders als ich, nur jünger. Ein frischeres Modell, sozusagen. Er hat eigentlich immer den gleichen Typ Frau. Ich glaube nur, Carina redet nicht so viel wie ich…“
„Och“, machte Liz, „uns ist das durchaus recht. Je mehr wir erfahren, desto schneller kriegen wir ja heraus, wer für diese Tat verantwortlich ist. Sagen Sie, Ihr Sohn hat angedeutet, dass Ihr Mann – Exmann – eine außereheliche Tochter hat? Wissen Sie da vielleicht Näheres?“
Ihr Gegenüber lächelte wieder, sanft, aber ganz Herrin der Lage. Wehe dem Mann, der sich mit der anlegt, dachte Joe, egal, wie mädchenhaft sie auftritt.
„Natürlich. Übrigens ist Christine der gleiche Typus. Ihre Tochter – zwei Tage jünger als meine ältere Tochter Tatjana – heißt Kira. Kira Merten. Viel mehr weiß ich eigentlich nicht über sie.“
„Und hat Ihr Exmann zur Zeit vielleicht ein neues – hm – Interesse?“, erkundigte sich Joe vorsichtig.
„Vermutlich. Aber da weiß ich leider gar nichts. Ich erinnere mich, die Sache mit Christine hat er mir selbst gesagt, so richtig unter die Nase gerieben.“ Sie überlegte einen Moment. „Vielleicht hat er sich an seiner Zeugungskraft berauscht… kennen Sie noch diesen Song „Dschingis Khan“?“
Liz und Joe schüttelten den Kopf.
„Nun, eine Zeile dort heißt Er zeugte sieben Kinder in einer Nacht , und so sieht sich – hat sich Hans Peter wohl selbst auch gesehen. Der starke Mann…“
Teilnahmsvolles Nicken.
„Was ich eigentlich meine, ist: Was aktuelle Affären betrifft, müssten Sie Carina fragen. Jetzt müsste er so etwas ja ihr hinreiben. Damit Carina sich fragt, was die Neue hat, was sie nicht hat. Wahrscheinlich bloß weniger Jahre auf dem Buckel, Carina müsste jetzt etwa so alt sein wie ich bei der Scheidung war, wenn ich es mir recht überlege. Zeit für etwas Neues… andererseits ist – war Hans Peter jetzt auch schon dreiundsechzig, kann man da denn noch eine junge Frau anlocken?“
„Och…“, antwortete Joe, „so als Sugardaddy?“
Frau Creutzer freute sich sichtlich. „Sugardaddy – das ist gut! Sehr gut sogar! Man merkt, dass Sie noch recht wenig über Hans Peter wissen.“
„Am Anfang einer Ermittlung ist das der Normalzustand“, entgegnete Joe nicht ohne Schärfe. „Klären Sie uns eben auf!“
„Hans Peter ist – war – obendrein ausgesprochen geizig. Er will zwar nicht, dass seine Frauen arbeiten, denn das würde sie ja unabhängig machen, aber er legt auch Wert auf einen wasserdichten Ehevertrag, der im Scheidungsfall bestenfalls das Existenzminimum sichert. Als seine Ehefrau bekommt man ein bescheidenes Taschengeld. Extras nur, wenn sie Repräsentationszwecken dienen. Ich möchte wetten, dass er Christine gar nichts gezahlt hat…“
„Das wäre dann doch aber illegal?“
„Na und? Er hat die besseren Anwälte, behauptet – behauptete – er wenigstens. Und wenn man darauf beharren sollte, ihm Ärger zu machen, könnte man so richtig Probleme kriegen. Sagt er.“
„Das klingt ja schon ein bisschen mafiös“, fand Liz.
„Ein bisschen? Ich glaube, solche Strukturen hätten ihm gefallen – nein, nichts Illegales, er war schon gesetzestreu, wenigstens solange ich mit ihm verheiratet war, also bis 1996 – auch schon wieder länger her… Aber die Mafia als ein System der Machtstrukturen – das hätte ihn schon gereizt.“
Liz und Joe wechselten wieder einen Blick – schon wieder so ein unsympathisches Mordopfer, wie sollte man sich denn da motivieren, gründlich zu ermitteln?
„Ja“, sagte Joe dann, leicht benommen von der Faktenfülle, „vielen Dank erstmal, Frau Creutzer. Ganz ehrlich, wir müssen das alles erst einmal sortieren. Und es natürlich mit anderen Aussagen abgleichen und verbinden.“ Dies garnierte er mit seinem berühmten zutraulichen Lächeln, das noch fast jeden Zeugen weichgekocht hatte.
Carina Creutzer hatte Anne und Max sehr freundlich empfangen und sofort gefragt: „Ist Hans Peter etwas zugestoßen?“
„Wie kommen Sie darauf?“, gab Anne vorsichtig zurück.
„Nun, ich habe heute Mittag schon mit Jonathan telefoniert – also, er hatte mich angerufen, weil sein Vater nicht im Büro aufgetaucht ist, aber ich hatte ihn seit Donnerstagnachmittag ja auch nicht mehr gesehen. Wir haben hin und her überlegt, aber dann haben wir uns natürlich beide gefragt, ob wir ihn überhaupt vermissen. Ob „vermissen“ eigentlich das richtige Wort ist. Wir haben uns dann allerdings doch überlegt, dass jemand in der Hütte mal nachsehen müsste, nur wussten wir beide nicht so genau, wo diese vermaledeite Hütte überhaupt ist. Er ist ja immer alleine dorthin gefahren!"
„Und wer wusste dann, wo diese Hütte ist? Leicht zu finden war sie ja wirklich nicht!“, wollte Anne wissen. Max beschränkte sich auf atemloses Zuhören – mit Befragungen hatte er noch wenig Erfahrung, aber er hoffte, hier viel zu lernen. Anne Malzahn war da legendär, wenn sie ihm auch ziemlich Angst machte.
„Marie Louise konnte sich erinnern. Anscheinend war er ganz früher noch nicht so strikt – von wegen Plappernde Weiber stören nur den himmlischen Waldfrieden – und hat sie ab und an mal mitgenommen. Ich war nur einmal dort, und da sind wir im Dunkeln hingefahren und ich hatte damals nicht wirklich auf den Weg geachtet. Jonathan und seine Geschwister waren offenbar nie dort. Ich glaube, Hans Peter mochte seine Kinder nicht so besonders.“
„Aus einem bestimmten Grund?“
Carina Creutzer zuckte mit den Schultern. „Schwer zu sagen. Mit Jonathan gab es in der Firma häufiger Ärger, kein Wunder. Sebastian ist Kunstmaler geworden und hat auf Kleinelektronik gepfiffen, Tatjana und Sybilla sind bloß Mädchen. Und generell, glaube ich, kann er mit Kindern nicht so viel anfangen. Ich habe ihn nur ein paar Mal mit seinen Kindern erlebt, aber da herrschte so ein – wie soll ich sagen? – gezwungener Ton, als kennten sie sich gar nicht richtig. Als – ja, als hätte er sie erst als Erwachsene überhaupt erst kennengelernt. Sie müssten die Kinder fragen – aber als wir geheiratet haben, das war 1996, da waren die Kinder vierzehn, zwölf, zehn und eins. Mein Gott, eins? Das hatte er mir damals natürlich nicht so genau gesagt… also, ganz ehrlich, er war schon ein ziemlicher Arsch, wenn man es recht bedenkt.“
Anne zwinkerte. „Wird das ein Geständnis?“
„Tut mir leid – ich war´s nicht, auch wenn es mich ab und zu in den Fingern gejuckt hat. Und nicht nur mich, da bin ich sicher. Fragen Sie mal Marie Louise, seine erste Frau. Die war zwar sicher auch sauer auf mich, aber bestimmt noch mehr auf den Göttergatten.“
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