Siglinde wollte zwar wissen in welchem Verhältnis Lausi und ich zueinander stehen, aber direkt fragen konnte sie nicht und so hielt ich sie eben nur weitschweifend, genau wie sie gefragt hatte, mit meiner Antwort hin. Dasselbe tat Lausi mit seinem Beruf, denn Jüüürgen, so nennen wir ihn bereits, hatte genauso hochnäsig über das Volk, also auch uns hier Versammelte, geredet wie seine ach so hochherrschaftliche Mutter.
Von Claudia kommt an diesem Abend eigentlich so gut wie nichts. Sie sitzt da und schaut, meist wie eine verschreckte Maus, nur wenn sie sich unbeobachtet fühlt, verzerrt sich ihr sonst so starres, gar nicht so langweiliges Gesicht und sie sieht irgendwie haßerfüllt aus.
Haßt sie alle Menschen oder nur die beiden aus ihrer, sich hier befindenden Familie? Abgesehen davon, bei der Schwiegermutter würde selbst auch ich meine Abneigung, besser meinen Haß kultivieren, aber warum bei ihrem Ehemann, den sie doch stets immer wieder anzuhimmeln scheint.
„Elli“,
sage ich mal wieder zu mir,
„da ist eingehende Beobachtung nötig, auch wenn ich eigentlich aus einem anderen Grund hier in Namibia bin, nämlich um das Land mit „Inhalt“ kennenzulernen und nicht irgendwelche Mitreisenden! Aber wie schon so oft werden wir sehen!“
Nach dem Leeren von einer Flasche Südafrikanischen Weins verabschieden die drei sich und Siglinde meint noch zu Claudia, sie solle doch auf die Golftasche achten und eventuell noch einige Dinge im Koffer umräumen.
Kaum sind die drei verschwunden, platzt Sören schon damit heraus, daß die wohl wirklich nicht ganz dicht sind. Anscheinend kennt er die drei, aber nur von der Ferne, wie er kundtut. Er weiß, daß die von Müllersdorf in einem recht großen Gutshof bei ihm in der Nähe wohnen. Da schwirren viele Gerüchte in der Gegend herum und eigentlich fragt sich jedermann im näheren Umkreis, wovon die Familie wirklich lebt und mit welchem Geld sie sich die teuren Hobbys leisten kann. Angeblich haben die von Müllersdorf, wie es so in der Umgebung heißt, einen Handel von Gourmetlebensmittel und veranstalten traditionell eine große, jährliche Jagd auf dem Gut.
Alle drei sind auch eifrige Golfer mit eigenem Golfplatz, der aber an einen Verein vermietet ist. Zudem geht das Gerücht um, daß Claudia einst irgendeine Koryphäe im Bogenschießsport war, die mit einem reichen Vater gesegnet ist. Warum auch immer ist sie auf Jürgen abgefahren und man vermutet, daß ein Teil des Geldes zum Unterhalt der Müllersdorf wohl vom Vater stammen könnte. Ferner heißt es, daß die nette Claudia, denn das war sie früher tatsächlich einmal, Jürgen nur wegen des Titels und auf Wunsch ihres Vaters geheiratet habe, denn Jüüürgen habe sie von Beginn ihrer Bekanntschaft an nur betrogen und schlecht behandelt. Also alles in allem eine recht sonderbare Verbindung!
Aber dann unterhalten wir vier uns lieber über doch anderes, nämlich über unsere Erwartungen an die Reise und über uns. Eh viel interessanter! Irgendwann scheint es so, daß überall in der Anlage die Beleuchtung immer weniger wird und so machen auch wir uns notgedrungen auf, unsere Zimmer etwas weiter oben wiederzufinden. Ich bin heute einmal tatsächlich sehr schnell weg und ich glaube Lausi ebenfalls!
Noch zu erwähnen ist, daß wir beide kein Problem haben, uns ein Zimmer zu teilen. Das Bett allerdings teilen wir sicher nicht, da bestehen wir immer auf getrennten Betten und das funktionierte eigentlich bisher stets auf allen unseren Reisen.
Man mag es nicht glauben, aber ich habe meinen Sohn schon seit Beginn seines Daseins ganz nackt gesehen und er mich auch. Wo also soll es da ein Problem geben? Bei meiner zwischenzeitlich absolut verkorksten Figur kann auch er sicherlich nichts an mir irgendwie „anders interessant“ finden! Aber böse Klatschmäuler gibt es überall!
Nach einem sehr guten Frühstück, es gibt frisch gebackenes Brot, Wurst, Käse, Eier, Joghurt und viel frisches Obst, für jeden müßte also etwas dabei sein, packen wir alles in den Bus und wir beide setzen uns wieder ganz hinten hin. Erich muß nun, bevor wir losfahren, das für mich eben bei Busfahrten, ach so üble Thema der Sitzplatzverteilung ansprechen. Wie stets wollen alle vorne und noch weiter vorne sitzen und nur Lausi und ich bestehen auf unseren Plätzen hinten, die bei diesen Mitreisenden sowieso keiner möchte.
Lediglich unsere Adligen wollen ebenfalls nicht „Rollieren“ und setzen sich deshalb weit nach hinten, direkt in unser Blickfeld. Ihr Anblick, vor allem ihr „Outfit“ ist auch heute schon wieder einen zweiten Blick meinerseits wert. Nachdem Mutter Siglinde gestern ja noch in Edelgarderobe und Edelschuhchen aufgetreten war, Jüüürgen in Edelkombi, also dunkles Sakko mit Ärmelflecken aus Leder, Goldknöpfen und passender Gabardine Hose, wohingegen Claudia in einem recht unauffälligen Kostüm reiste, so ist man heute allesamt tatsächlich im gepflegten Safari Look unterwegs. Alles grünlich beige von oben bis unten und vermutlich auch ganz frisch und neu aus der Fabrik!
Wir und wie es scheint auch der Rest der Gruppe können da nur neidisch oder vielleicht auch amüsiert schauen, denn wir haben uns ganz normal angezogen, die Damenwelt natürlich in langen Hosen trotz der Hitze. Lediglich wir zwei haben noch etwas festere Schuhe an den Füßen, man kann nie wissen!
Als also alles oder fast alles geregelt ist, kann Erich endlich losfahren. Im gut klimatisierten Bus geht es Richtung Otjiwarongo. Dies bedeutet in der Hererosprache „schöner Platz der fetten Rinder“. Die Landschaft durch die wir fahren könnte dazu sogar passen. Hier wächst überall sehr viel doch sehr grünes Büschelgras. Zudem gibt es rundherum grüne Bäume und Sträucher und sogar die Hügel oder besser die Berge in einiger Entfernung schimmern grün. Also alles bestens geeignet für Rinder. Nur die vielen Zäune, die man nicht nur entlang der Straße sieht, schrecken mich etwas ab und ich frage mich, ob die den Rindern wohl gefallen, mir gefallen sie nicht! Je weiter wir uns von Windhuk entfernen, desto flacher wird das Land, bis schlußendlich die Hügel und Berge der Hauptstadt weit hinter uns zurückbleiben.
Der erste Stop in Okahandja findet bei dem angeblich berühmten Holzschnitzermarkt statt, vor den Toren der Stadt, wo in Hütten, unter vielen grünen Bäumen, dutzende Stände untergebracht sind. Die teils aus Holz, Blech und grüner Plane bestehenden Stände wirken so früh am Morgen noch menschenleer und es finden sich auch nur wenige Verkäufer. Die wenigen reichen jedoch aus, um uns daran zu erinnern, daß wir tatsächlich in Afrika sind, denn sie machen sich wie Fliegen über uns Touris her. Wir bekommen in einem Mischmarsch aus Englisch, Deutsch und Afrikaans die vielen, kostengünstigen und einzigartigen Kunstwerke angeboten.
Ich bin hier und gerade heute etwas überfordert, denn gleich zu Beginn der Reise kann ich mich noch nicht so ganz für etwas Souveniriges entscheiden, vor allem auch, weil doch irgendwie alles etwas gleich aussieht. Im Moment fehlen mir einfach der Überblick und auch die Wertschätzung der Dinge, die da angeboten werden. Da Lausi und ich uns für nichts entscheiden oder auf Anhieb so richtig begeistern können, setzen wir uns auf der gegenüberliegenden Straßenseite in ein Café und trinken etwas Kaltes, denn es ist bereits wieder recht heiß. Von unserem Sitzplatz aus können wir unsere Mitreisenden nun auch sehr gut beobachten und uns darüber amüsieren, was von den einzelnen so eingekauft wird. Alles nicht so ganz das Meinige!
Die Fahrt geht weiter über eine breite, bebaumte Allee nach Otjiwarongo hinein. Wir kommen durch mit frischem Grün bewachsene Wohngebiete, total anders als ich mir die Landschaft und die Orte hier vorgestellt habe. Als Erich an einer Tankstelle gegenüber einem Supermarkt hält, können wir dort unser Mittagessen einkaufen, denn das ist fast jeden Tag nicht im Programm dabei. Ganz gut so und vor allem gut für die Figur.
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