1 ...6 7 8 10 11 12 ...20 Als Fila-Frank die beiden Autos des Mossad-Teams erspähte, blieb er wie angewurzelt stehen, einen Ausdruck ungläubigen Erstaunens auf seinem Gesicht, der sich rasch in eine Fratze puren Hasses verwandelte: Unglaublich! Diese perversen Schweine hatten es tatsächlich auf ihn persönlich abgesehen, verfolgten ihn jetzt sogar beim Pissen! Das waren bestimmt Rastplatzsex-Freaks, Dogger, die sich gegenseitig daran erkannten, daß sie auf der Autobahn den Verkehr aufhielten, und die dann zum gemeinsamen Spannen auf den nächsten Rastplatz fuhren! Saßen hier wie in einem Autokino, mit ihren Butt-Plugs und ihren Nippelklemmen, und geilten sich zu Viert am Anblick seines Schwanzes auf!
Der Typ im lila Trainingsanzug zeigte mit seinem ausgestreckten Zeigefinger mal auf Yossy, mal auf Avi, ging dabei leicht in die Knie, als wolle er auch noch einen Haufen auf dem Parkplatz hinterlassen, und brüllte aus Leibeskräften: „Oi, you! Get the fook out yer fookin cars! Out, now! I’ll fookin ’ave you cunts! Come on, then, ya tossers! Come ooooon!“
Als sie nicht augenblicklich reagierten, riß er einen großen stählernen Mülleimer aus seiner hölzernen Ummantelung, hob ihn beidhändig über seinen Kopf und schmiß ihn in ihre Richtung. Der Mülleimer traf die Motorhaube von Avis BMW mit einem dröhnenden „Klong“, hinterließ eine halbmondförmige Delle darin, rollte dann scheppernd auf dem Parkplatz aus.
Der Angreifer blickte sich einen Moment lang vergebens nach weiteren Wurfgeschossen um, machte dann auf dem Absatz kehrt und rannte in Richtung der Herrentoilette, wohl um Verstärkung zu holen.
Yossy und Avi warfen sich gegenseitig einen Blick zu. Jetzt ging es nicht mehr, jetzt mußten sie etwas unternehmen. Yossy nahm sein Spyderco-Klappmesser aus der Brusttasche seines Hemds, reichte es Dina und sagte ruhig: „Steche alle Reifen des Mercedes platt, dann setz dich ans Steuer, mach den Motor an und warte auf mich. Ich bin in höchstens zwei Minuten wieder da, ab jetzt. Falls Wyss unterdessen losfahren sollte, verfolgst du ihn alleine. Ich komme dann mit den anderen nach.“
Urs Wyss verzweifelte allmählich an der Menschheit. Jetzt schmissen die hier auch noch mit Güselchübel, unerhört! Was war denn bloß auf einmal in die Leute gefahren?
Eingespieltes Team, das sie waren, öffneten die vier Kidon die Türen ihrer Fahrzeuge absolut synchron. Während Dina auf den Mercedes zuging, im Gehen das Klappmesser öffnete, schlenderten Yossy, Avi und Sylvia geruhsam in Richtung der Herrentoiletten. „Auf dem Sportplatz dürft ihr laufen, aber im Operationsgebiet müßt ihr gehen. Wer läuft, ist immer verdächtig, aber wer gemächlich geht, muß sich wirklich anstrengen, um verdächtig zu wirken.“ Das war so ziemlich die erste Verhaltensregel, die man ihnen in der Akademie eingetrichtert hatte, und sie war ihnen längst in Fleisch und Blut übergegangen.
Wie immer wenn es ernst wurde, summte Yossy leise und rhythmisch vor sich hin. Noch nicht einmal sein Partner Avi wußte, was er da summte. Wahrscheinlich war das für den Seelenfrieden aller Beteiligten auch besser so, denn in solchen Situationen rezitierte Yossy stets das Lied des Mose aus dem Devarim, dem Fünften Buch der Tora: „Mein ist die Rache und die Vergeltung, zu der Zeit, da ihr Fuß wanken wird; denn die Zeit ihres Verderbens ist nahe, und ihr Verhängnis eilt herzu.“
Kaum hatten sie die Tür der Herrentoilette erreicht, als ihnen der Clown im lila Trainingsanzug geradezu in die Arme gerannt kam. Avi, der voranging, schlug ihn quasi im Vorbeigehen mit einer klassischen Krav-Maga-Kombination bewußtlos: rechte Gerade zum Hals, gefolgt von einem horizontalen rechten Ellbogenstoß zum Gesicht, gefolgt von einem linken Haken zur Schläfe, das Ganze abgerundet mit einem rechten Kniestoß in die Hoden. Dann stieß Avi die Schwingtüren zur Herrentoilette auf und ging hinein, gefolgt von Yossy, mit Sylvia als Schlußlicht. Die drei übrigen Gestalten aus dem Mercedes standen direkt vorn am Waschtisch, mit den Gesichtern zur Tür. Der Riese in dem Golfpullover schien sich gerade mit dem Zeigefinger das Zahnfleisch zu massieren und grinste dabei breit, so wirkte es zumindest.
Als Avi gerade angreifen wollte, hörte er, wie hinter ihm die Schwingtüren der Toilette mit Wucht aufgestoßen wurden. Unmittelbar darauf ertönte ein ausgesprochen häßliches Klatschen. Sylvia taumelte an ihm vorbei, verlor nach ein paar Schritten das Gleichgewicht, fiel vornüber und rutschte bäuchlings den glatten Fliesenboden entlang, dicht gefolgt von dem Clown im lila Trainingsanzug, der es nach seinem Niederschlag unerklärlicherweise geschafft hatte, sofort wieder auf die Füße zu kommen, fast wie in einem Zombiefilm.
Der Clown trat ein paarmal gegen Sylvias Kopf wie gegen einen Fußball, während Sylvia blindlings wegzukrauchen versuchte. Dann griff er mit beiden Händen in ihr langes Haar, zerrte ihren Kopf auf Hüfthöhe und stieß ihr Gesicht wieder und wieder auf die Kante eines Urinals, während Sylvia mit einer Hand seine Hoden zu quetschen versuchte und mit der anderen ihr Gesicht schützte. Die Geräuschkulisse dabei konnte einem den Magen umdrehen, Sylvias Stöhnen und das rhythmische Ächzen des Angreifers: „Eh, eh, eh, you like it like that, bitch, don’t yer, bitch? You like it rough, don’t yer, bitch, eh, eh, eh.“
Avi und Yossy konnten ihr nicht helfen, denn just in diesem Augenblick griffen der südländische Typ und der Farbige gleichzeitig an. Mit dem südländischen Typ, der in typischer Boxerhaltung kämpfte, hatte Yossy relativ leichtes Spiel. Der Bursche schaffte es zwar noch, einen geraden Stampftritt in Yossys Magengrube zu landen, doch dann nutzte Yossy seinen Größen- und Reichweitenvorteil, griff sich die Kapuze des Anoraks und zog sie über den Kopf seines Gegners hinweg nach vorn-unten, so daß dieser kaum noch etwas sehen konnte und vornübergebeugt vor ihm stand, im labilen Gleichgewicht. Yossy gab seinem Gegner ein paar Kniestöße ins Gesicht, ließ dann mit der Rechten die Kapuze los, streckte seinen rechten Arm in die Höhe und versetzte seinem Gegner mit voller Wucht einen Ellenbogenstoß abwärts auf die Nackenwirbelsäule, mit einer Bewegung, als zöge er die Notbremse eines Zuges. Erledigt. Dieser Typ würde so bald nicht mehr aufstehen.
Aber Yossy wäre nicht Yossy, wenn er es dabei hätte bewenden lassen. Er packte den Bewußtlosen mit der Linken am Hals, zog ihn hoch, ergriff mit der Rechten dessen Gürtel, hob ihn waagerecht in die Höhe, nahm zwei, drei Schritte Anlauf und warf ihn mit einem Kraftschrei quer durch die ganze Toilette auf Sylvias Gegner, den Clown im Trainingsanzug. Treffer, versenkt! Aus dieser Ringecke waren nun vorerst keine weiteren Scherereien mehr zu erwarten.
Avi hingegen hatte echte Mühe gegen den Farbigen. Gleich nach seinen ersten paar Handtechniken, die der Farbige mühelos abgewehrt hatte, mit ungeheuer komplizierten Blocks, bei denen sich seine Hände geschmeidig in kleinen Kreisen und Achten bewegten, hatte Avi gespürt, daß er es mit einem ebenbürtigen Gegner zu tun hatte. Was war das, welchen Stil kämpfte dieser Typ? Die Bewegungsabläufe ähnelten Wing Chun, aber Wing Chun war die Einfachheit selbst, hatte längst nicht solche komplizierten Handstellungen, Kranichfäuste und dergleichen. Das mußte klassisches Kung Fu sein.
Nun, auch Krav Maga hatte gute Abwehrtechniken, auch Avi wurde nicht getroffen, aber gegen diesen Burschen kam er einfach nicht zum Zug, konnte keinen Treffer landen. Bestimmt zwanzig Sekunden lang standen Avi und der Farbige sich schon auf Reichweite gegenüber, flogen ihre Hände rasend schnell hin und her, klatschte Fleisch auf Fleisch, aber keiner der beiden hatte bislang einen Treffer landen können. Ihre Schläge, Stöße und Tritte verpufften jeweils wirkungslos am Gegenüber. Eine Pattsituation. Wäre die Lage nicht so ernst gewesen, hätte Avi schallend aufgelacht. Nie hätte er geglaubt, daß er außerhalb seines Dojos einmal in eine solche Situation geraten könnte, und dort kämpften schließlich die Besten der Besten.
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