1 ...7 8 9 11 12 13 ...18 »Ich kann daran überhaupt nichts komisch finden!«
Andi war wirklich angewidert und ärgerte sich über ihren Heiterkeitsausbruch. Aber dann begleitete er sie ein noch Stück und fragte sie, was denn los gewesen war. Er hatte sie im Bus vermisst. Melli erzählte ihm, was im Sportunterricht passiert war. Andi pfiff leise durch die Zähne.
»Dass die sich das vor den Augen eines Lehrers trauen, die sind ja wirklich sackdoof! Aber ich habe dich gewarnt. Auch wenn die nerven: Wenn du dich mit ihnen offen anlegst, kannst du nichts anderes erwarten.« Er schaute sie erwartungsvoll an, »Und was machst du jetzt?«
»Was soll ich tun? Ich mache so weiter wie immer: Ich lass mir von denen doch keine Angst machen. Wenn die meinen, sie müssen alle schikanieren, sage ich, was ich denke.«
Andi schaute sie nachdenklich an.
»Ich hoffe nur, dass du sie nicht zu sehr provozierst. Das sind immerhin sechs recht fiese Hühner, wie du jetzt weißt. Was immer die sich ausdenken, es wird auf jeden Fall eine linke Sache sein, also pass auf dich auf!« Melli schaute Andi erstaunt an.
»Machst du dir etwa Sorgen? Ich glaube, du dramatisierst die ganze Sache.« Sie zog die Stirn kraus. »Die Zukunft wird es zeigen!«
»Wie weise, nutzt nur nichts, wenn die dich bei jeder Gelegenheit fertig machen.«
Sie waren bei Frau Stump’s kleinem Haus angekommen.
»Wir seh’n uns, ich gehe mich erst einmal gründlich waschen und desinfizieren!« meinte Andi zum Abschied. Melli lachte.
»So schlimm wird es nicht sein, du Armer! Tschüss, bis morgen.«
Irgendwie war es schon toll, einen Freund zu haben, der sich um einen sorgte, dachte sie bei sich.
Zuhause erzählte Melli ihrer Mutter von der unfreiwilligen Gesichtswäsche. Frau Großmann schüttelte sich.
»Das ist ja wirklich widerlich, nein, der Arme! Konntest du dieses Vieh nicht davon abhalten?«
»Mum, Goliat ist kein Vieh und es wäre schön, wenn du ihn nicht so betiteln würdest. Dass du Angst vor großen Hunden hast, ist eine Sache, aber dafür kann Goliat nichts. Ich ziehe seine Gesellschaft den meisten Menschen vor! Und: Nein, Ich konnte ihn nicht davon abhalten. Wenn Goliat jemanden mag, zeigt er es ihm auch und davon kann ihn niemand abhalten!«
Melli war schon wieder genervt.
»Und wenn der Hund irgendwann jemanden nicht mag, was machst du dann?« fragte ihre Mutter weiter. »Das ist etwas anderes, es gibt Hunde, die er nicht mag. Er knurrt dann zwar, geht aber Fuß, wenn ich ihm das sage. Er zieht dann kein bisschen mehr an der Leine. Und wenn er frei läuft, kommt er sofort zurück, wenn ich ihn rufe und lässt sich anleinen.« Melli musste gut durchatmen, so angekratzt war sie. Warum konnte ihre Mum das nicht einfach auch witzig finden und sie mit so blöden Fragen in Ruhe lassen?
»Dann hoffe ich, dass das immer gut geht.«
Schweigend aßen Mutter und Tochter ihr Abendessen. Melli wurmte es, dass ihre Mum beim Thema Goliat so oft blöd reagierte. Am besten erzählte sie in Zukunft nichts mehr von ihren Erlebnissen mit dem Hund. Auch über das, was gerade so in der Schule ablief, war es wohl besser, den Mund zu halten. Sie hatte die immer belehrenden und vorwurfsvollen Sätze ihrer Mutter satt. Soll sie doch mal in die Schule gehen und sich mit diesen Ziegen auseinandersetzen. Dazu kamen noch mehr oder weniger schräge Lehrer und der Lernstoff, den man in dieser Umgebung bitteschön aufzunehmen hatte! Melli war mit ihrer Stimmung wieder auf einem Tiefpunkt angelangt.
Anita Großmann betrachtete ihre Tochter nachdenklich. Seit wann war Melli denn derart empfindlich? Wieso war sie nicht mehr in der Lage, tolerant mit anderen umzugehen? Die Pupertät war kein einfaches Alter, weder für das Kind noch für die Eltern. Irgendwie kannte man da sein eigenes Kind nicht mehr. Mit Geduld und Spucke bekommen wir das hin, dachte sie, aber hoffentlich geht das schnell vorüber!
In den nächsten Tagen lernte Melli, den Lehrer kennen, den sie schon nach 10 Minuten nicht leiden konnte. Herr Niewöhner war ihr IT-Lehrer und ein Mensch besonderer Gattung. Er sah auf den ersten Blick hässlich aus und der zweite und dritte Blick machte ihn auch nicht schöner: Sein Gesicht glich einer dicken Birne mit doppelt verglasten Brillenfenstern und der restliche Körper sah auch so aus, nur eben ohne Fenster. Also kleine fette Birne auf großer fetter Birne. Der Bauch war schwabbelig, obwohl ihre Mutter immer sagte, Männer hätten ihre Muskeln über dem Bauchfett und deswegen eher feste dicke Bäuche im Gegensatz zu den Frauen. Wahrscheinlich hatte Herr Niewöhner keine Muskeln, die den Schwabbelbauch festhalten konnten. Er trug Jeans und Hemd und damit die Jeans nicht an ihm hinunter rutschten, ein absolutes Nogo: Hosenträger! Das ließ den eingeklemmten Schwabbelbauch noch unappetitlicher aussehen. Melli versuchte, in den ersten Minuten ihre Gedanken freundlicher zu stimmen. Es gab viele Menschen, die einfach hormonelle Probleme hatten und deswegen so aussahen. Aber, dachte sie weiter, dann muss man sich doch nicht so unmöglich anziehen. Man könnte diese schwabbelige Masse ja auch kaschieren. Andererseits gab es unglücklicherweise die Kombination: Mensch sieht bescheiden aus und verfügt gleichzeitig über null Geschmack. Das schien hier der Fall zu sein. Das Schlimmste an Herr Niewöhner aber war seine hinterhältige und zynische Art. Das stellte Melli in den nächsten 10 Minuten des Unterrichts fest. Da sie wieder einmal ihren Gedanken nach gehangen hatte, bekam sie nicht mit, dass sich alle an ihren PC’s zu schaffen gemacht hatten. Herr Niewöhner sah sie an, »Hätten wir die Güte, am Unterricht teil zu nehmen oder fühlen sich Fräulein in meinem Unterricht nicht angesprochen?« Zynisch und böse kam die Ansprache. Doch dann schwenkte er um und fauchte Melli richtig an, »Wer hier nicht mitmacht, kann seine Sachen packen und zu den Tests wieder erscheinen! Es gibt immer Schüler, die der irrigen Meinung sind, sich in diesem Fach schon so gut aus zu kennen, dass sie dem Unterricht nicht folgen müssen. Für solche habe ich hier keine Verwendung! Und wie entscheiden sie sich?«
»Entschuldigung, ich habe das nicht vorher nicht mitbekommen«, murmelte sie und schaltete ihren PC an. »Dann möchte ich wissen, was sie am Morgen schon einwerfen, dass sie mich überhören können!«
Der Lehrer war tatsächlich nicht zu überhören. Er war mindestens einsneunzig groß und hatte ein lautes Organ. Nur, wenn Melli ihren Gedanken nachhing, schaltete sie ihre Umwelt komplett ab. Sie bekam dann gar nichts mehr mit, daran konnte auch das Organ von Herrn Niewöhner nichts ändern.
Der Unterricht ging weiter und Herr Niewöhner setzte jedem Schüler, der nicht gleich die richtige Lösung parat hatte, mit seinen bissigen Kommentaren zu. Ein richtiges Ekel! Melli, die am PC fit war, wusste, dass sie, solange sie diesen Lehrer in diesem Fach hatte, keine Lust mehr auf Informatik hatte. Dass dieser Mann notorisch schlechte Laune hatte, dafür hatte sie schon Verständnis. Wenn man sich vorstellt, dass man jeden Morgen in so einem Körper und mit so einem Gesicht aufwachen und dann in das Bad vor den Spiegel musste, o. k., da wäre ihr Tag auch gelaufen! Aber das musste er doch nicht an den Schülern auslassen, denn die mussten ihn ja nicht nur die kurze Zeit, wie er sie vor einem Spiegel verbrachte, ansehen, sondern stundenlang! Eigentlich müsste man Schmerzensgeld für jede Stunde mit diesem Typ bekommen! Tatsache war, dass man bei ihm wirklich aufpassen musste, weil er wie ein Aasgeier darauf wartete, seine Schüler fertig zu machen.
In den nächsten Tagen lernte sie ein paar der neuen Mitschülerinnen näher kennen. Da waren zum einen Sigrid und Esther, die beiden Mädchen, die am ersten Schultag etwas schüchtern in die Klasse gekommen waren. Beide waren wie Melli sehr schlank, aber nicht so groß. Sigrid war extrem sportlich, sie trainierte dreimal in der Woche Leichtathletik! Esther war ein ruhiges, freundliches Mädchen mit intensiven grünen Augen und braunen lockigen Haaren. Mit ihrer hellen Haut sah sie wie eine kleine Elfe aus. Sie war zudem höchstens 1,55 m groß, was das Bild von der kleinen Elfe noch unterstrich. Die beiden anderen Mädchen hießen Felicitas und Nina. Diese waren laut und lustig. Auch sie waren durchtrainiert, das sah man auf den ersten Blick. Gegen die war Melli eine Coach-Potatoe! Felicitas und Nina machten Triathlon! Sie kannten sich schon seit Jahren und trainierten nahezu täglich miteinander. Sigrid und Esther kamen in der Pause auf Melli zu und bedankten sich bei ihr, weil sie die Mädchen in der hintersten Reihe wieder einmal zum Schweigen gebracht hatte, als sie deren auserwählten Opfer gewesen waren. Felicitas und Nina, die gerade in diesem Moment vorbei gingen, wandten sich spontan zu ihnen um, als sie hörten, von was die Rede war.
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