Gabriele Berchter-Bohl, geboren1964 in Singen, ist in Radolfzell am Bodensee aufgewachsen. Die Liebe zu Büchern war schon von klein an überdurchschnittlich ausgeprägt. Lesen mit der Taschenlampe unter der Bettdecke bis in die frühen Morgenstunden war normal. Diese Liebe zum Lesen haben alle vier Kinder und auch die Tochter ihres Lebensgefährten (die übrigens das Cover ziert) in die Wiege gelegt bekommen. Trotz der acht Pferde, den vier Hunden, Katzen, Fischen, dem Chamäleon und einem großen Gemüsegarten, nebenbei noch zwei Arbeitsstellen als Pferdetrainer und Ernährungs-berater, musste dieses Buch geschrieben werden. Beim Suchen nach einem Buch für ihre Töchter fiel ihr auf, dass es in der Abteilung ›Romane für junge Menschen‹ nur noch Fantasy, Vampir-Geschichten oder Krimis gab. Etwas einseitig, dachte sie sich und fing an zu schreiben.
Melli noch 16 Jahre alt, geht nach der Realschule an ein zweijähriges BK. Sie findet sich in einer Klasse wieder, in der eine handvoll Mädchen alles mobbt, was weiblich ist. Ihr Gefühlsleben wird von einem Jungen in Unordnung gebracht, der für sie aber nur ein Weiberheld sein kann – so wie der aussieht und sich benimmt. Nach einer handgreiflichen Attacke der Mädchenclique muss Melli feststellen, dass Tassilo gar nicht so ist, wie sie gedacht hatte. Aber das trägt nicht zu ihrem Seelenfrieden bei, ganz im Gegenteil!
Weil Melli ihre Klappe nicht halten kann, spitzt sich die Situation mit der mobbenden Clique richtig zu. Nebenher hat Melli noch trouble mit ihrer Mum, mit ihrem besten Kumpel und nebenher noch mit dem fiesesten und unkompetentesten Lehrer der Schule! Ob sich alle Knoten auflösen?
»Melli!« Anita Großmann’s Stimme klang etwas angesäuert.
»Ja Mum, ich komme ja schon.«
Melli hatte gar keine Eile. Am liebsten würde sie sich im Schrank verstecken, so als wäre sie wieder fünf Jahre alt. Wenn sie keine Lust auf Kindergarten gehabt hatte, war das eine der Möglichkeiten gewesen, zumindest etwas später in diesem Getto für Kleinkinder anzukommen.
Heute war der erste Schultag nach den großen Ferien und ihr erster Tag auf der Zweijährigen. Melli hatte im letzten Schuljahr beschlossen, ihr Abi ganz langsam anzugehen. In Folge kam nun der Schulwechsel. Melli mochte gar nicht darüber nachdenken. Sie hasste solche Situationen! Lauter Neue und sie war eine davon! Neue Lehrer, neues Klassenzimmer und einen mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit beschissenen Stundenplan. Eine Freundin ihrer Mum hatte ihre Tochter schon ein Jahr auf dieser Schule: Von Montag bis Freitag jeden Nachmittag Unterricht! 10 Stunden normal!!! Am liebsten würde sie sich wieder in ihr Bett legen und diesen Tag ersatzlos streichen.
»Mellissa!!!« Okay, jetzt eindeutig richtig sauer.
»Bin fertig, Mum.« Tasche noch schnell über die Schulter, Gott sei Dank hatte sie diese am vorigen Abend schon gepackt und ab die Treppe hinunter, in die Wohnküche. Mum’s Frühstücks-Vitamingetränk stand auf der Theke, daneben ein zweites Glas. ›Auf Ex‹, dachte Melli, obwohl sie wusste, dass sie damit einen weiteren Rüffel riskierte. Und da kam er schon, »Erst wird herumgetüddelt, man wird nicht fertig und dann bei den Dingen hetzen, die in Ruhe getan werden sollten! Wann wird sich das denn ändern? Von einer 17-Jährigen könnte man schon etwas mehr erwarten!«
Normalerweise kam Melli super mit ihrer Mutter aus, nur war heute eben nicht ›normalerweise‹! Sie wusste, dass sie ihrer Mum gerade furchtbar auf den Geist ging, aber sie konnte das einfach nicht ändern. Sie hatte ein scheiß Gefühl im Bauch und mit jeder Minute wurde es schlimmer. Und alles nur wegen der neuen Schule! Wenigstens hatte ihre Mum beschlossen, sie am ersten Schultag mit dem Auto zur Schule zu fahren. Ab dann hieß es, sich mit dem Bus quälen. Eine halbe Stunde Fahrt, viel Vergnügen! Vollgestopfte Schulbusse kannte Melli schon zu Genüge aus den vergangenen Schuljahren. Spaß war anders! Ihre Mutter holte sie aus ihren dunkelgrauen Gedanken.
»Auf geht’s, wir fahren, sonst kommst du noch am ersten Schultag zu spät!«
Auf dem Weg zum Auto ging Melli zum x-ten Mal ihre Kleiderwahl durch. Sie liebte einen lässigen Style, der an ihr auch gut aussah. Lange Beine, schlank, blonde, gewellte Haare bis zu den Hüften, und immerhin schon Trägerin eines B-Cubs! Aus ihrem Gesicht blitzten grün-graue Augen, eine etwas vorwitzige Stupsnase gab Melli einen frechen Touch. Zu ihrem Leidwesen verharmlosten einige Sommersprossen das Bild. Ansonsten war sie mit ihrem Anblick im Spiegel zufrieden, es hätte sie schlimmer treffen können. Melli hatte ein richtiges Problem damit, dass sie sich zu groß fühlte mit ihren 173 cm, auch wenn die meisten Jungs in ihrem Alter immer noch einen Kopf größer waren. Aber nur selten gab es Mädchen, die auch so lang geraten war. Sie wäre lieber etwas kleiner gewesen und vielleicht nicht so aufgefallen. Um cool rüber zukommen, zog sie prinzipiell lässige Pullis und Shirts an.
Heute waren verwaschene Jeans, ein Gürtel mit Nieten um die Hüften, Sneakers und eine passende, gehäkelte Ballonmütze angesagt. Gott sei Dank war ihre Mum mit ihrem Style einverstanden und quatschte selten rein, sie bevorzugte selbst auch eher flippige Klamotten. Melli’s Dad war in seinem Job so eingespannt, dass die Kleidersorgen seines einzigen Kindes völlig an ihm vorbeigingen. Was dieser auch sehr recht war.
Je näher sie der Schule kamen, desto mulmiger wurde es Melli. Ihr Magen rebellierte – den Drink doch zu schnell getrunken? Ach Quatsch, es lag nur daran, dass sie schlicht und ergreifend Angst hatte. Ihre coole Fassade war eine gut geübte Show. Gott sei Dank kaufte man ihr die auch ab. Hoffentlich waren in der neuen Klasse nicht so viele Zicken, wie in ihrer alten Klasse, dachte sie bei sich. Wenn sich ein paar von solchen Mädchen zusammen fanden, mobbten sie den Rest. Melli verfiel einem Strudel von allerschwärzesten Gedanken, die das schlechte Gefühl im Bauch noch mehr verstärkten.
»Na meine Große, wie fühlst du dich? Etwas aufgeregt?« Tolle Frage und was für ein gutes Timing!
»Ich fühle mich richtig bescheiden. Ich wollte, dieser Tag wäre schon gelaufen!«
»Du bekommst das hin, glaub mir, alles halb so wild.«
»Hmmm«, kam es sehr reduziert von Melli.
Ihre Mum hatte leicht reden. Die hatte wirklich keine Ahnung, was heute so in den Klassen abging. Wann immer Melli ihr erzählte, dass es wieder einmal voll assi zugegangen war, glaubte sie, dass Melli die Situationen dramatisieren wollte. Seit zwei Jahren hielt sich Melli bei Themen wie Schule und Mitschüler zurück, es machte einfach keinen Sinn. Ihre Mum war einfach nicht davon zu überzeugen, dass in Schulen mehr gemobbt wurde, als sonst irgendwo.
Sie standen mit dem Auto vor dem Schulgebäude.
»Soll ich mit hinein kommen?«, fragte Anita ihre Tochter.
»Mum, das ist jetzt echt extrem peinlich, ich bin doch kein Grundschüler mehr! Damit komme ich schon klar.«
»Na dann, viel Glück, mach’s gut und verpass’ den Schulbus nach Hause nicht!«
Melli war schon ausgestiegen.
»Ja klar, wir sehen uns, bye Mum.«
Anita schaute Melli hinterher. Ihre Tochter baute immer mehr englische Ausdrücke in ihre Sätze ein. War vermutlich ›cool‹, dachte sie sich beim Davonfahren.
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