Ich betrachte besorgt den Balkon. Die Türen - sperrangelweit geöffnet. Licht – Cat ist wieder da. Mist!
Ich betrachte besorgt den Balkon. Die Türen - sperrangelweit geöffnet. Licht – Cat ist wieder da. Mist!
Beladen mit Kamera, Scheinwerfer und Stativ stolpere ich die Treppe hinauf. Die Wohnungstüre steht einladend offen. Schlamperei!
Ich s chleppe die Sachen in den Wohnraum. Überall fliegen Klamotten von Cat herum, T-Shirts, kurze Hosen, bunte Socken ... Ich glaub´s nicht! Verzweifelt schaue ich mich um. Die Schultern hängen, tätowierte Arme baumeln am matten Körper. Die Türe knallt. »Hi, da bist du ja! Kannst du nicht `nen Zettel hinlegen, damit ich Bescheid weiß, wann du zurückkommst?«, bemerkt Cat, für meinen Geschmack zu herrisch. Ein zuckender Schmerz durchbohrt mein Hirn. Bist du meine Mutter?
»Ich musste einige Klamotten waschen, hab sie oben aufgehängt. Ist ja ein Riesenspeicher, da kann man prima wohnen. Deine Hemden ... sorry, leider verfärbt.« Cat wirft sich aufs Sofa, strahlt. »Alle?« »Drei! Wie viele besitzt du denn?« »Oh Mann, alle drei? Die trage ich in der Agentur. Planst du einzuziehen?« Ich öffne den Mund, schnappe nach Sauerstoff. Zumindest hat sie die Schallplatten nicht angerührt!
Sie schlägt auf die leichtgebräunten Mädchenschenkel. »Keine schlechte Idee! Ich habe Geld und was zu essen besorgt. Ach ja, da ist ausländische Post für dich!« Sie dirigiert mich in die Küche. Der Beschuppte wird mutig, kriecht auf die zarte Mädchenhand. Stopp! Sie ist noch ein Kind!
Cat drückt mir einen verknitterten Briefumschlag an die Brust. »Aus Spanien.« Ich reiße ihn auf, gleite auf den Stuhl. Ihre perfekten Ellbogen ruhen auf dem kühlenden Glastisch, stützen das mädchenhafte Gesicht. »Ist wirklich spanisch. Torroja del Priorat, Katalonien«, stammle ich. Keine Ahnung, ob das korrekt ausgesprochen ist. »Nie gehört ... José Angel sagt mir nix. 5.8.2010? Warte! Hier steht ›Beatles - White Album UK 1968‹!« »Ja und? 1968, das ist aber `ne olle Schallplatte!« Sie fingert am Gemüse auf dem Tisch. »Eine Englische ...« Schlaues Kind!
Ich lege den Kopf in den Nacken, starre an die Decke. »Da will mich jemand verarschen ...« »Wieso?« Sie grapscht nach dem Brief. Ihre Augen tasten das Schriftstück ab. »Das sieht amtlich aus!« Sie streckt das Papier von sich, zieht es mit Kennermiene zu sich heran. »José Angel - Notario.« Gekonnt rollt das Wort über die Zunge. »Ist ein Notar, bestimmt!« »Fake! Beatles - White Album UK 1968«, wiederhole ich flüsternd. »Was ist mit dem Album? Das gibt es schon auf CD oder als Download.« »Das meine Liebe, ist das teuerste Album der Welt! Solch Spam bekomme ich tagtäglich per Mail.« Ich lache aggressiv, quetsche die Post zurück in den Umschlag.
Cat hüpft begeistert vom Stuhl. »Woher weißt du das?« Ich verdrehe die Augen. »Kein Vinyl im Wohnzimmer bemerkt? Sammle ich vielleicht? Und was ist mit dem Plattenladen im Erdgeschoss? Steht an der Türe: Inhaber Nils Löwenberg?« »Ja, ja, wie viel bringt die teuerste Platte der Welt?« »Die bringt nix! Niemand gibt diesen Schatz freiwillig her. Das funktioniert folgendermaßen: Ich überweise Geld, im Gegenzug verspricht man mir die Scheibe. Zahle ich, ist die Kohle futsch und die Schallplatte trifft niemals ein!« »Angenommen, das ist kein Spam. Schau - ein glaubwürdiger Stempel. Was ist sie wert?« Ich werfe den Umschlag auf den Tisch. »Zwanzig Tausend.« Cat plumpst auf den Stuhl, dreht nachdenklich eine Ninja-Locke. Ich wende mich dem Gemüse zu, tippe, es ist geklaut.
»Lass uns essen!« »Also, wenn du mich fragst – der Brief scheint mir sehr offiziell. Er ist an dich persönlich gerichtet. Es gibt einen Termin, den Fünften, du bist Sammler, Plattenverkäufer. Vielleicht wird das Album in Spanien verlost? Du darfst dich glücklich schätzen, zur Verlosung eingeladen zu sein. Ottilie, die kann spanisch. Ich rufe sie an! Sie übersetzt das. Zwanzig Tausend die dürfen uns doch nicht entgehen!« Mädchen, dich ködert man prima mit solchem Scheiß!
»Morgen, morgen kannst du Ottilie anrufen, wenn du unbedingt willst. Okay?« Ich bremse ihre Euphorie. Ottilie klingt irgendwie alt.
Meine Ohren verschließen sich, ähnlich dem gesicherten Einstieg eines U-Bootes, komplett ohne Ohrstöpsel. Eine andere Kunst, die ich perfektioniere . Der Spül geduldet sich. Cat wird das morgen erledigen. Ich habe ja gekocht!
Abendmahl mit Rembrandt
Mit vollen, duftenden Tellern - Ratatouille - ab aufs Sofa. Ich esse öfter bei einem blutigen Horrorfilm, bin begeisterter Horror- und Splatterfan. Wir fläzen uns gemütlich vor dem Fernseher. Martin hat den Film empfohlen. Er sammelt ebenfalls. Meine persönliche Videothek! Das Ratatouille ist deliziös.
Düster gruselige Sounds bedrohen die Ohren. Ächzende, wimmernde Geräusche – Schreie – durchziehen das Mark. »Erkennst du was?« Cat schubst mich, während sie abermals einen großen Schluck Wein in sich hinein schüttet. Sie isst und trinkt wie einer vom Bau. Passt so gar nicht zu dem feingliedrigen Mädchen. »Ich seh´ nix!« Cat beugt sich beängstigend weit nach vorne. In der einen Hand das halb volle Glas, in der anderen den Teller, die Gabel balanciert gefährlich auf dem Rand. Oberkörper, Hals und Gesicht recken sich dem Bildschirm entgegen. Aus dem Augenwinkel bemesse ich das Ungleichgewicht und fasse zu. Trikot zerren, dafür gibt es Gelb!
Ich male mir das Ende des Stunts aus. Das Gesicht landet auf dem Holzboden – schrappt über feinste Splitter, die an der Stelle das Alter der Bohlen verraten. Die Zinken stecken in irgendeinem Körperteil. Das schmerzt! Und die Arme – beide gebrochen, weil sie Teller und Glas nicht loslassen will.
Mit verschränkten Beinen rutscht sie in eine bessere Position, lächelt mir dankend zu. Das Trikot flitscht zurück. »Martin sammelt immer die Besten, aber der ist Kacke«, nuschle ich erbost, entschuldigend. »Der ist wirklich Horror! Ein Horrorfilm, bei dem man weder Blut noch Massaker erkennt. Heißt der Regisseur Rembrandt?« Cat gackert belustigt. Kann sein, sie hatte ein paar Gläser zu viel. »Das sollte ein Hörspiel werden.« Ich scherze versöhnlich, stehe auf und bringe meinen Teller in die Küche. Cat gluckst schmerzfrei vor sich hin. »Ich gehe jetzt zu Bett, mach es dir bequem. Das Bettzeug ist im Schrank«, rufe ich auf dem Weg ins Bad.
Bin godzillamäßig vollgefressen! Reibe meinen Bauch. Dem coolen Typen im Bad, dem, der mich anlächelt, zeige ich meine Zähne. Habe bereits drüber nachgedacht, diese weiße Pracht mit einem Diamanten zu verschönern. Beim leisen Surren der elektrischen Zahnbürste verwerfe ich den Gedanken. Natürlichkeit - kommt besser an!
Ich kneife dem Gegenüber ein Auge, blinzle keck und streiche die verwuselten Haare aus der Stirn. Betty Page nutzt den Moment, um ihre Duttis zu richten. »Prächtige Möpse, oder bist du anderer Meinung?« , fragt sie unbescheiden. »Avanti, sag es!«
»Mach nicht mehr so lang«, werfe ich Cat beim Vorbeigehen zu. Sie ist verdammt schicker, schielt, ihre Lippen nuckeln am Glas. Es scheint, als hätte sie sich festgesaugt, Kopfhörer in den Ohren - das Ninja-Kämpfer-Haar wippt. Ich schließe die doppelflügelige Kassettentüre, falle aufs Bett. Die letzten Tage waren krass anstrengend. Hoffe nur, dass Cat sich bald in Luft auflöst, damit ich mich auf das Wesentliche, auf mich, konzentrieren kann.
Viel schlimmer als das!
Riesen Bifi & Hungerlohn
Der Wecker quält. Nur fünf Minuten! Geballte Fäuste pressen das Kissen auf den Kopf, bis es schmerzt. Es ist nicht auszuhalten! Bin vollkommen gerädert. Wie kann das Püppchen so unglaublich schnarchen? Die halbe Nacht habe ich mit Hin- und Herwälzen verbracht. Bin vollkommen fertig. Die automatische Ohrverriegelung - ausgesetzt! Geschnarche - durch die fette Holztüre, die alten starken Mauern, beinahe hätte ich sie mit den Daunen erstickt. Ich habe einen solchen Hass!
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