Zsóka Schwab - Itthona

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Irgendwo in unserer Welt ist sie verborgen, die Königin aller Waffen. Die Schriften besagen, dass sie hundert Heere auf einmal zerschlagen kann – äußerst praktisch, wenn man einen Krieg gewinnen will.
Da in der Parallelwelt Itthona gerade einer ansteht, schickt der dortige Waldstaat Hauptmann Gregor zu uns, damit er die Waffe findet. Doch dann findet die «Waffe» ihn:
Entsprungen einer Verbindung zwischen zwei sich liebenden Feinden ist die junge Kadence eine magische Urgewalt – und die glückloseste Krankenschwester unter der Sonne. Denn Kadence hat keinen Dunst, wer sie ist.
Statt episch die Welt(en) zu unterwerfen, heuert sie bei dem Zauselgreis Balthasar an – für Gregor kein Grund, auf sie zu verzichten. Doch der Alte im Rollstuhl ist nicht so harmlos, wie er aussieht. Und während Gregor sich mit ihm herumschlägt, streckt auch der Feind des Waldstaates die Hand nach der «Waffe» aus …

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Zsóka Schwab

_________________

ITTHONA

oder

Die stille Magie der Schwester Kadence

Fantasyroman

Impressum

Texte: © 2019 Copyright by Zsóka Schwab

Covergestaltung: Sabina S. Schneider; für das Cover wurden Fotos von unsplash.com verwendet (erstellt von Sam Chapman, Etienne Desclides und Karl Saare)

Verlag: Zsóka Schwab, itthona@mail.de

c/o AutorenServices.de

Birkenallee 24

36037 Fulda

Für Pakete bitte gesondert via Kontakt oder E-Mail anfragen

Für meine Eltern,

die mir Familie und Freunde sind

Und für Felix,

mit dir ist die Welt ein verzauberter Ort

Prolog

In einer sternengesprenkelten Nacht erschien der Gesichtslose Hauptmann auf der obersten Stufe der Festung Hohenburg.

Die Ruine unter seinen Stiefeln thronte auf einem waldigen Berg – längst geschlagen, immer noch stolz. Eine Kleinstadt namens Homburg umarmte ihr felsiges Podest wie ein funkelnder schwarzer See.

Der Blick des Hauptmanns glitt in die Ferne: über den Bahnhof, die Brauerei, die Altstadt und die modernere Einkaufsstraße dahinter. Weiter links schlummerten Hunderte winzige Häuser, begrenzt von einem weiteren Hügel, der die Gebäude der Universitätsklinik auf dem Buckel trug. Ein struppiger Wald umzingelte die ganze Szenerie, als wollte er die Stadt verschlingen wie einen Keks.

Der Gesichtslose Hauptmann lächelte grimmig. Seine tiefgrünen Augen glommen auf. Die Irrwege, die er beschritten hatte, die zahllosen Verwandlungen und Kämpfe, die Flucht vor dem Schattengebieter des Feindes … all dies war nicht umsonst gewesen. Denn nun war er am Ziel.

Es war hier.

Und er würde Es an sich reißen, koste es, was es wolle.

Lang lebe König Randolf! Lang lebe Silvestria …

Eins

1~Balthasar

Irgendetwas stimmte nicht.

Balthasar spürte es, als er das Fenster öffnete. Auf den ersten Blick war alles wie gewohnt: Die jungen Linden wiegten sanft ihre Äste, und eine Brise wehte klare Morgenluft in das Wohnzimmer. Sie streichelte Balthasars schlohweißes Haar – doch da war noch etwas anderes: ein feines, unglaublich leises Vibrieren, viel schwächer als der Flügelschlag einer Wespe und dennoch nicht zu ignorieren.

Balthasar überlegte. Vielleicht war es am besten, seine Schachpartie mit Hans Tannemann im Stadtpark abzusagen und sich im Haus zu verbarrikadieren. Hans war Balthasars einziger Freund, wenn er überhaupt so etwas wie Freunde hatte: ein Jungspund von gerade mal fünfundsiebzig Jahren. Dennoch jammerte er, seitdem sie sich vor zwei Jahren im Supermarkt kennengelernt hatten, Balthasar jedes Mal mit seinen zahlreichen Wehwehchen die Ohren voll: Hans war übergewichtig, hatte Schmerzen im Kreuz, Probleme mit dem Blutdruck und war blind wie ein Maulwurf mit Augenbinde – wobei sich Letzteres auf nicht verzehrbare Gegenstände zu beschränken schien.

Apropos, ich muss dringend etwas zum Essen besorgen, fiel Balthasar jetzt ein. Mindestens zehn Köpfe Rotkohl, fünf Packungen Eisentabletten und acht Salamipizzen brauchte er, um sich zwei Wochen lang verkriechen zu können … nicht zu vergessen drei Schachteln Assam-Tee, die einzige Teesorte, die sein empfindlicher, chronisch fehlernährter Magen vertrug.

Mit einem geschickten Manöver wendete Balthasar seinen Rollstuhl und fuhr in den Parkettflur zum Schirmständer, den er als Hutablage zweckentfremdete. Mit dem schwarzen Krempenhut auf dem Kopf schloss er die Tür auf und verließ die Wohnung.

Fünf Minuten später wartete er an der Bushaltestelle auf den nächsten Bus, der ihn in die Homburger Innenstadt bringen würde.

Der Himmel war bedeckt. Ein leichter Regen nieselte herab und benetzte die weißen Härchen auf Balthasars langer, schmaler Nase. Das störte ihn jedoch viel weniger als dieses Vibrieren, das er unter freiem Himmel noch deutlicher spürte als in der Wohnung. Beunruhigt klappte er den Kragen seines braunen Fleecemantels hoch und zog den Kopf tief zwischen die Schultern. Dann kam er ins Grübeln. Warum war er eigentlich beunruhigt? Was immer da im Anmarsch war, konnte ihm nicht viel tun – sicher, er war alt, behindert und schwächlich.

Doch er war alles andere als gebrechlich … und er hatte zwei Waffen, um sich zu schützen: Seinen überragenden Verstand, der bestens auf Problemlösung trainiert war. Und den Tod.

Niemand wunderte sich, wenn ein lahmer alter Mann plötzlich hopsging. Die Menschen vergruben seinen Körper, vergaßen ihn – und schon war er frei, um weiterzuziehen. Das funktionierte natürlich nur, wenn der lahme alte Mann nicht wirklich tot war. Und nicht wirklich tot war Balthasar schon sehr, sehr lange …

Mittlerweile konnte er sich besser totstellen als jeder Tote; und wenn die Luft rein war, scharrte er sich schneller aus der Erde als Houdini blinzeln konnte. Anschließend musste er nur noch die Identität wechseln, und Simsalabim, war er sämtliche Altlasten los – abgesehen von seinem Vermögen natürlich, das er vorsorglich auf mehreren Konten verwahrte. Dank einiger glückreicher Börsenspekulationen war Balthasar nämlich steinreich. Na ja, beinahe … Jedenfalls hatte er genug Geld, um nicht mehr auf das Mitleid anderer angewiesen zu sein. Er konnte sein Schicksal selbst bestimmen. Und er würde es wieder tun.

Sicher, Homburg hatte schöne Seiten – vor allem die jungen Studentinnen, die Balthasar oft aus seinem Fenster beobachten konnte, weil er in der Nähe der Uniklinik wohnte. Doch vier Jahre an einem Ort waren genug. Erst recht, wenn hier merkwürdige Dinge zu passieren begannen …

Balthasar war froh, als der Bus endlich um die Ecke schnaufte. Er ließ sich vom Busfahrer, einem gutmütigen Tataren, in den Passagierraum helfen und wenige Minuten später im Zentrum absetzen. Dort rollte er friedlich über den Christian-Weber-Platz Richtung Gemüsehändler, um sich seinen Bio-Kohl zu holen.

Das Vibrieren traf ihn völlig unvorbereitet: ein penetrantes, ohrenbetäubendes Surren, das sich in seinen Kopf bohrte wie ein gefräßiger Wurm in einen Apfel. Balthasar schrie auf und presste die Hände gegen die Ohren. Dann überwältigte ihn die Angst. Hastig umfasste er die Räder und stieß sich ab. Lass mich in Frieden! Der Rollstuhl bewegte sich schneller und schneller, bis Balthasar ihn nicht mehr hätte stoppen können.

Das hatte er nun davon! Er hätte sich längst nach Rostock absetzen sollen, wie er es seit Wochen plante. Er hätte sich in einen Fluss stürzen sollen und dann …

Plötzlich ruckte es. Balthasars Oberkörper wurde nach vorne geschleudert. Der Rollstuhl ächzte metallisch, und dann – Stille.

Balthasar blinzelte. Zehn Zentimeter vor ihm klaffte ein riesiges, schwarzes Loch im Boden. Das Surren hatte aufgehört. Dafür vernahm Balthasar etwas anderes: ein rasches, flatterndes Pochen. Es dauerte einen Moment, bis er begriff, dass es nicht sein eigenes Herz war, das er hörte. Und einen weiteren Moment, bis er den heißen Atem wahrnahm, der von hinten seine Wange streifte. Jemand zog ihn rückwärts vom Loch weg. Dann klackten die Bremsen des Rollstuhls.

„Meine Güte, das war knapp! Geht es Ihnen gut?“

Balthasar wunderte sich. Er war immer noch auf dem Christian-Weber-Platz, doch viel näher an der Straße als vorhin, direkt neben dem kastenförmigen Kaufhaus namens H&M. Doch was noch viel außergewöhnlicher war: Vor ihm kniete eine Frau.

Ihr Blick glitt forschend über sein Gesicht. Ihre Hände lagen auf seinen, die die Armstützen des Rollstuhls umkrallten.

„Alles in Ordnung?“

Balthasar schluckte trocken. „Ich … denke schon …?“

Die Frau atmete durch. „Gott sei Dank! Sie haben mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt. Was ist denn mit Ihnen passiert?“

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