Zsóka Schwab
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~ Die Brücke aus Glas ~
Gabos Geheimnis
Roman
Impressum
Texte:
© 2019 Copyright by Zsóka Schwab
Zweite, überarbeitete Ausgabe
Die erste Ausgabe erschien unter dem Titel „Die Brücke aus Glas“ bei Edition Ecrilis (E-Book 2013, ISBN: 978-3-944554-10-5, Taschenbuch 2016, ISBN: 978-3944554709)
Covergestaltung:
Sabina S. Schneider
Verwendetes Bildmaterial: Silhouette junger Mann (Künstler: Thomas Young /unsplash.com), Silhouette junge Frau (Künstler: Azamat Zhanisov /unsplash.com), Brücke: Designed by Clker-Free-Vector-Images/pixabay.com Hintergrund: Designed by freeillustrated/pixabay.com
Verlag:
Zsóka Schwab, gabos-geheimnis@e.mail.de
c/o AutorenServices.de
Birkenallee 24
36037 Fulda
Für Pakete bitte gesondert via Kontakt oder E-Mail anfragen
Eins
Alles begann damit, dass ich mich auf Jana Bergmanns Füße erbrach.
Das war natürlich nicht geplant. Jana Bergmann war einfach zur falschen Zeit am falschen Ort: Am 31. Oktober 2007 gegen Mitternacht in der Kastanienallee 35 vor der Türschwelle der Stockhausens.
Manchmal führt uns eine Kette aus vielen winzigen Zufällen an einen Punkt, der unser Leben verändert. Und diese hier ereignete sich folgendermaßen:
Mein bester Freund, Thorsten Stockhausen, war – wie eine seiner Verflossenen zu sagen pflegte – eine gestandene Saufnase. Mehr noch: Wann immer jemand in den Raum warf, dass irgendwer doch mal wieder eine Party schmeißen müsste, war Thorsten der Erste, der „Hier!“ schrie. (Ein zwanghaftes Verhalten, dessen psychologische Ursachen nie abgeklärt wurden, obwohl wir mal überlegt hatten, eine Promotionsarbeit daraus zu machen.)
Nun hatte Thorsten dieses Halloween also zufällig sturmfreie Bude, weil seine Eltern geschäftlich verreist waren. Und als sein bester Freund war ich der Erste, den er überredete, mit ihm einen draufzumachen.
„Du kennst doch die alte Weisheit, Gabe: Prüfungen kann man wiederholen, Partys nicht.“
Tatsächlich stand uns zwei Tage darauf ein Unitestat in Arbeitsmedizin bevor. Aber wie ein weiteres Glied der kosmischen Zufallskette es wollte, verspürte ausgerechnet an diesem Tag keiner von uns das Bedürfnis, die verschiedenen Arten der Krankenversicherung durchzubüffeln.
Also kam es, wie es kommen musste: Gegen Mitternacht hatte ich grob geschätzt vier Becher Bier, eine Miniflasche Wodka und eine Tüte gammelige Kartoffelchips intus, die in meinem Magen einen Ringkampf ausfochten, welcher seinen epischen Höhepunkt ausgerechnet bei Jana Bergmanns Ankunft erreichte. Leider begann der Showdown auch noch just in dem Moment, als ich mit Thorstens Cousine Melanie wild knutschend neben der Eingangstür lehnte.
Ich habe bis heute keine Ahnung, wie wir dorthin gekommen waren, denn angefangen hatten wir – da bin ich mir ziemlich sicher – im Wohnzimmer neben der dröhnenden Stereoanlage.
Ich weiß noch, dass mich Melanies knallblau getönten Haare an die Frisuren der Troll Dolls erinnerten, mit denen meine Schwester als kleines Kind gespielt hatte. Ihr blaugrünes Elfen-Make-up war grotesk verschmiert, was wohl hauptsächlich auf meine Kappe ging. Doch der Teil des Abends, in dem das eine Rolle spielte, war schon lange vorüber. Genau wie die Bedeutsamkeit der Frage, was eigentlich aus meiner brillanten Totenkopf-Schminke geworden war. Dieses Stadium so früh zu erreichen, war keine Selbstverständlichkeit, daher war ich mit dem Verlauf der Party soweit hochzufrieden, bis – ja eben bis …
„Was’n los?“
Melanies erstauntes Gelalle, als ich mich von ihr löste klang, als spräche sie durch einen dicken Stofflappen. Für einen kurzen Moment alkoholgetränkten Stumpfsinns begriff ich selbst nicht, was mit mir nicht stimmte. Doch als mir der kalte Schweiß ausbrach, gingen endlich die Alarmglocken an.
„Shit … sorry!“
Hastig raffte ich meine schwarze Sensenmann-Kutte, stürzte zur nächstbesten Tür, riss sie auf und spie mir jenseits der Schwelle die Eingeweide aus.
Als ich mich endlich in der Lage fühlte, die Augen zu öffnen, schimmerte mir mein ehemaliger Mageninhalt in der plötzlichen Dunkelheit wie helle Lackfarbe entgegen – Farbe, die jemand auf einem Paar schwarzer Stiefel verkleckert hatte.
Ach, du Sch...!
Böses ahnend hob ich den Blick himmelwärts und entdeckte eine behandschuhte Faust vor meinem Gesicht.
„Reizend“, erklang eine frostige junge Frauenstimme. Die dazugehörige Person senkte den Arm. „Ich wollte gerade anklopfen.“
Wie der Meister der Einfalt glotzte ich zu ihr hinauf, ehe ich auf die Idee kam, mir über den Mund zu wischen und aufzustehen.
„Schuldigung … wegen der Schuhe …“
Durch die brennende Magensäure klang meine Stimme ganz kratzig, was ich allerdings noch eher ertragen hätte als den säuerlichen Gestank nach Erbrochenem, der mich beinahe umhaute.
Der Frau entging er bestimmt auch nicht, dennoch sagte sie kein Wort, während sie aus ernsten, bebrillten Augen zu mir empor sah.
Die drei grinsenden Kürbislampen, welche Thorsten und ich am Nachmittag auf den Stufen der Eingangstreppe verteilt hatten, tauchten ihre Gestalt in rötliches Flackerlicht – gerade hell genug, um erkennen zu lassen, dass sie einen wahrscheinlich dunkelbraunen und sicherlich für Sibirien geschneiderten Kordmantel trug. Gut zwei Drittel ihres Kopfes steckten in einer dunklen Wollmütze, unter welcher sich eine Flut aus schwarzen, welligen Haaren ergoss. Der Rest war hinter einem grobgestrickten Schal verborgen, der sich um ihren Hals schlang wie eine Anakonda. Seltsam , dachte ich, wir haben doch mindestens fünf Grad über Null …
„Alles in Ordnung, Gab … oh!“
Melanie hatte sich offenbar soweit gefangen, um mir zu folgen. Und als hätten die anderen nur auf sie gewartet, tummelte sich hinter mir das Partyvolk nun derart, dass ich beinahe gegen die Frau hinter der Schwelle geschubst wurde.
Selbst die Musik im Haus war verstummt, sehr zu meinem Unbehagen. Leute, das ist eine Studentenfete. Es ist ja wohl keine sehenswerte Pionierleistung, auf einer Studentenfete zu kotzen.
„Was gibts’n da zu sehen?“
Eine von Kopf bis Fuß rotbemalte, muskulöse Gestalt mit nacktem Oberkörper kletterte über den Buckel eines auf der Schwelle hockenden, schaulustigen Kobolds.
„’N Abend“, grüßte der Hellboy für Arme, alias mein Kumpel Thorsten, als er an meiner Seite ankam. In einer Kompetenz ausstrahlenden Geste rückte er seinen verrutschten Haarreif mit den abgesägten Styroporteufelshörnern zurecht.
„Können wir irgendwie helfen?“
Die Frau schien sich inzwischen von der Überraschung über den „warmen“ Empfang erholt zu haben.
„Thorsten? Das bist doch du, oder?“
In den Augen meines Kumpels flackerte Verwirrung.
„Äh, kennen wir uns?“
Die Frau verschränkte die Arme vor der Brust und funkelte ihn herablassend an.
„Hätte ich mir ja denken können …“
Da Thorsten offensichtlich immer noch kein Licht aufging, nahm sie vorsichtig ihre schwarz umfasste Brille ab und zog den Schal soweit hinunter, dass eine kleine, gerade Nase zum Vorschein kam.
„Der Schnellste warst du ja noch nie“, spottete sie. „Und bei deinen Freunden warst du auch nie besonders wählerisch.“
Sie streifte mich mit einem eisigen Blick, ehe sie die Augen erneut hinter ihrer Brille verbarg. Mich beschlich die Vermutung, dass die Linsen womöglich aus schusssicherem Panzerglas bestanden – entworfen vom Geheimdienst zum Schutz der Allgemeinheit … Trotzdem, so leicht ließ sich ein Gabriel Wiegand nicht einschüchtern!
„Na, hören Sie mal!“, empörte ich mich mit noch etwas schwerer Zunge. „Es war keine Absicht, und ich hab mich entschulligt!“
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