Wilhelm Ernst Asbeck
Roman
Saga
Die Brücke nach Ispahan
© 1937 Wilhelm Ernst Asbeck
Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen
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ISBN: 9788711517819
1. Ebook-Auflage, 2016
Format: EPUB 3.0
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Dieses ist der Roman des Hamburger Holzhändlers Otto Brüggemann. Er hatte den gewaltigen Plan, mitten im Dreissigjährigen Krieg für Herzog Friedrich dem Dritten von Holstein-Gottorp den persischen Handel – Holland und England zum Trotz – über Holstein zu leiten.
Ich habe mich, soweit es der Rahmen eines Romans zulässt, an geschichtliche Belange gehalten, in der Hauptsache an des Holsteinischen Gesandtschaftssekretärs Adam Olearius „Moskowitische und persianische Reisebeschreibung“.
Es liegt eine tiefe Tragik über dem Leben Brüggemanns, der eine der grössten Taten seiner Zeit vollführte, fast sein Ziel erreichte und dessen Werk dann, nicht ohne eigene Schuld, doch scheiterte.
Wilhelm Ernst Asbeck
Erster Teil
Ein grosser Plan wird geboren
Am 20. Februar 1600 sass der Holzhändler Hugo Brüggemann mit gestütztem Haupt sinnend in seinem Büro. Stunde auf Stunde wartete er in Furcht und Sorge. Diese entsetzliche, unerträgliche Ungewissheit! Die ganze Nacht hindurch schon lag seine Frau in Schmerzen, nun sind der Morgen und auch der Mittag vergangen. Bleigrau senkt sich die frühe Abenddämmerung hernieder und immer noch keine Erlösung.
In den weiten Kontor- und Lagerräumen wurde eine Öllampe nach der anderen angezündet; der einsame Mann achtete nicht darauf. Seine Gedanken umgaben heute nur sein Weib. Eine lähmende, furchtbare Angst überfiel ihn.
Wurde nicht soeben sein Name gerufen? Deutlich vernehmbar und doch wie aus einer anderen Welt kommend? Er blickte zur Tür, von dort musste das Schicksal zu ihm treten.
Minuten vergingen, endlose Minuten, die ihm wie Ewigkeiten erschienen. Da stand plötzlich jemand im Zimmer. Eine bleiche, zitternde Gestalt. Er hatte sie nicht kommen hören. War sie wie das Unheil auf leisen, unhörbaren Sohlen hereingeschlichen, oder schienen seine Sinne von den Dingen des wirklichen Lebens abgelenkt?
Eine gedämpfte, bebende Stimme erzählte, dass ihm soeben ein Sohn geboren sei, aber dem Herrn dort oben habe es gefallen, sein Weib zu sich zu nehmen. – – –
Schweigend hatte der Kaufmann die Botschaft vernommen, stumm stand er wenige Tage später am Grab der geliebten Frau. Keine Träne weinte er; stolz und aufrecht bot er dem Schicksal Trotz.
Er hatte sich nicht unterkriegen lassen, als das einzige Wesen, das er auf Erden liebte, von ihm genommen wurde. Nur wortkarg war er seitdem geworden. Er glich einem knorrigen Baum, dem die Sonne entzogen, der nun langsam dahinwelkte, an dessen Mark der Wurm zehrte und ihn allmählich aushöhlte. – – –
Zehn Jahre vergingen. Sein angeborenes Gerechtigkeitsgefühl war zu gross, als dass er das Kind entgelten liess, die unschuldige Ursache seines Unglückes zu sein; aber, wenn er auch den geheimen Hass niederrang, Liebe konnte er für seinen Sohn nicht aufbringen. Dieser zarte, schmächtige Bursche hatte nichts mit ihm gemein.
Fast ängstlich blieb er bemüht, jeder Begegnung mit ihm aus dem Wege zu gehen. Da fügte es das Schicksal, dass er eines Tages einen unfreiwilligen Einblick in die Empfindungswelt seines Sohnes tun musste. –
In der Steinstrasse geschah es. Hier gewahrte er plötzlich, dass sein Junge in kurzem Abstand vor ihm dahinschlenderte. Aus der schmalen Altstädter-Fuhlentwiete tauchte ein stämmiger Bursche von etwa sechzehn Jahren auf, wild, verwahrlost, mit plumpen, rohen Gesichtszügen. Als dieser den zarten, gutgekleideten Otto erblickte, schien dem Raufbold der Gedanke zu kommen, dem Jüngeren und Schwächeren einen Streich zu spielen. Er ging neben dem Kleinen her, hänselte ihn mit Redensarten und belegte ihn mit üblen Schimpfworten. Da flammte in des Kindes Augen der Zorn über all dies Hässliche und Gemeine auf. Er verbot dem Grossen sein rüpelhaftes Benehmen. Der jedoch stiess ihn vom Bürgersteig und schlug ihn ins Gesicht. Was dann geschah, kam so unerwartet und schnell, dass der alte Brüggemann den Vorgängen kaum zu folgen vermochte. Wie eine Pantherkatze sprang sein Sohn den Rauflustigen an, klammerte seine Beine wie Schraubstöcke um den Leib des Gegners und drückte ihm mit beiden Händen die Kehle zu. Vergeblich versuchte der andere sich aus der Umklammerung zu befreien; er mochte zerren und schlagen, soviel er wollte. Die Wut verlieh dem Beschimpften eine Widerstandskraft, an der jeder Angriff abprallte. Zwar lief Otto das Blut aus Mund und Nase, aber die Schläge schienen nur seinen blinden Zorn zu erhöhen; tiefer und fester krampften sich seine Finger um den Hals des Widersachers. Dunkelrot war der Kopf des Raufboldes, und die Augen begannen ihm aus den Höhlen zu treten.
Eine zahlreiche Zuschauermenge hatte sich angesammelt. Sie war Zeuge der wüsten Herausforderungen gewesen und freute sich, dass der schmächtige, zehnjährige Knabe es fertigbrachte, dem stämmigen Flegel den richtigen Bescheid zu geben.
Wie aus einem Traum erwachte der Kaufmann. Schnell trennte er die Kampfhähne. Der Grosse rang nach Atem, aber in seinen Augen blitzte es boshaft und rachgierig auf. Als er jedoch einen Blick auf des Holzhändlers Hünengestalt warf und dieser ihm obendrein ein paar schallende Ohrfeigen verabreichte, hielt er es doch für ratsamer, sich heulend und schimpfend aus dem Staube zu machen. – –
Daheim sassen Vater und Sohn einander gegenüber. Kein Wort war bisher zwischen ihnen gewechselt worden. Endlich brach der Ältere das Schweigen: „Weisst du, dass du den Jungen beinahe umgebracht hättest?“
Ein Zug tiefster Verachtung legte sich um des Knaben Mund: „Es wär’ nicht eben viel daran verlorengegangen; von seiner Sorte gibt es mehr als zuviel!“ war die Antwort. – –
Von diesem Tage an verfolgte der Kaufherr mit grösster Aufmerksamkeit den Werdegang seines Kindes. Wenige Jahre später nahm er Otto in sein Handelshaus auf. Sein Grundsatz lautete: ein Geschäftsmann, der vorwärtskommen will, muss hart sein und einen klaren Blick haben. Diese Eigenschaften traten in Ottos Wesen von Jahr zu Jahr schärfer hervor. Mit Feuereifer widmete er sich seinem Beruf. Er besass ein schnelles Auffassungsvermögen und einen fast krankhaft übersteigerten Hang zum Geldverdienen. Er und sein Vater lebten und schafften nur für das alte Handelshaus, aber darüber hinaus verband sie kein Zusammengehörigkeitsgefühl. Das Herz des Sohnes, das sich in den Jahren der Kindheit vergeblich nach Liebe gesehnt hatte, war erkaltet, und in Brüggemann erlosch dieser heilige Funke beim Tod seines Weibes. – –
Einundzwanzig Jahre waren seit Ottos Geburt vergangen, da starb der Vater. Das Ereignis ging dem Sohn nicht sonderlich nahe. Er kannte jetzt nur ein Ziel: Geld verdienen, Ansehen und Ehre erringen, hoch über die Köpfe seiner Mitbürger emporsteigen!
*
In einer jener seltsamen Strassen Amsterdams, durch deren Mitte sich ein Kanal zieht, zu beiden Seiten mit Bäumen bestanden und die Ufer durch viele kleine Brücken miteinander verbunden, stand um diese Zeit ein alt-ehrwürdiges Patrizierhaus. Dort wohnte der Kaufherr David van Scheijten, Inhaber eines der bedeutendsten Handelsunternehmungen Hollands. Er, ein Mann in den besten Jahren, galt als das Urbild jener bedächtigen, klugen und doch wagemutigen Händler, die das Ansehen und die Macht des kleinen Staates begründet und Jahrhunderte hindurch behauptet hatten.
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