Kielmann erhob sich: „Was unser Gast spricht, klingt verlockend; doch ich bitte zu bedenken, dass andere Länder längst ihre Niederlassungen dort unten begründet haben. Ich fürchte, dass wir zu spät kommen, keineswegs aber mächtig genug sind, die Holländer, Engländer und Franzosen zu verdrängen.“
Der Herzog warf einen fragenden Blick zu Brüggemann.
Der Kaufherr lächelte. Es war ein seltsames Lächeln, so wie ein Erwachsener die einfältige Entgegnung eines Kindes hinnehmen würde. Er wandte sich an den Minister und sprach: „Auf diesen Einwurf war ich gefasst. Wenn Ihr, wie ich, die Handelsverbindungen mit dem Iran mit offenen Augen verfolgt hättet, so würdet Ihr immer und immer wieder finden, dass die persischen Herrscher die Eigenart zeigten, gewissermassen das Alleinhandelsrecht jeweilig einem Volk zu übertragen. Anfangs geschah es unter dem Druck überlegener Erobererstaaten, wie Portugal und später Spanien. Doch die stolzen Herrscher dort unten unterwerfen sich auf die Dauer nicht dem Zwang und beantworten Gewalt mit Gewalt, sobald sie hierzu mächtig genug geworden sind. Die Portugiesen und Spanier haben es am eigenen Leib erfahren. Mit Feuer und Schwert wurden ihre Niederlassungen erzwungen; mit Tod und Vernichtung sind sie beseitigt und die lästigen Gäste davongejagt worden. – Franzosen und Engländer verhielten sich klüger. Sie sandten friedliche Kaufherren nach dort, denen es gelang, mehr oder weniger günstige Handelsverträge abzuschliessen. Dann kamen die Holländer. Sie verstanden es, mit Hilfe ansässiger Händler, den Eindringlingen das Wasser abzugraben, so dass ihre Faktoreien zur Bedeutungslosigkeit herabsanken und die getroffenen Abkommen nach Ablauf der vereinbarten Frist nicht erneuert wurden.“
Eine Pause entstand. Wieder war es Kielmann, der die Frage aufwarf: „Und Ihr glaubt, dass es uns gelingen wird, das mächtige Holland aus dem Sattel zu heben?“
„Würde der holländische Staat dahinterstehen, so müsste ich einsehen, dass unser Unternehmen aussichtslos ist; da aber nur eine reiche holländische Firma Trägerin des Handelsrechtes ist, die obendrein von einem Perser in Ispahan geleitet wird, der heute beim Schah gut angeschrieben sein mag, bei dem launischen Charakter des Herrschers aber schon morgen in Ungnade fallen kann, so bin ich des Erfolges sicher; denn wir kommen nicht als einzelner Kaufherr, sondern im Namen eines ganzen Landes! Hier tritt der Fall ein, dass ein wahrhaft weitblickender Fürst die Handelsverbindungen selbst anknüpft und, alle Zwischenhändler ausschaltend, Reich zu Reich in Beziehung tritt. Dass die hieraus entstehende Freundschaft des mächtigen Schahs das Ansehen Eurer Hoheit in der ganzen Welt steigern wird, liegt auf der Hand!“
Friedrich erwärmte sich mehr und mehr für die gewaltige Idee des Hamburgers. „Gut“, meinte er, „es ist möglich, dass sich hieraus politische Vorteile ergeben können, deren Tragweite wir heute noch gar nicht abzusehen vermögen. Doch wie stellt Ihr es Euch vor, die Fäden zum Schah anzuknüpfen, und wie wollen wir die Güter von dort in unsere Heimat schaffen?“
„Beide Schwierigkeiten erscheinen im ersten Augenblick grösser, als sie es in Wirklichkeit sind. Unser erstes Ziel muss sein, uns die Freundschaft und Unterstützung des russischen Zaren zu sichern. Eine Gesandtschaft wird dies zuwege bringen. Männer, die Geist, Mut und Unternehmungslust besitzen, sollen ihre Führer sein; prunkvolles Autreten und kostbare Geschenke sind erforderlich. Ist dieser Teil unseres Planes ausgeführt, so muss der Schah in Ispahan aufgesucht und mit ihm der Handelsvertrag abgeschlossen werden.“
Der bedächtige Staatsmann fragte: „Und wenn die Perser nun nicht wollen?“
„Dann sollte man dem Führer der Gesandtschaft den Kopf vor die Füsse legen; denn nur seine Unfähigkeit wäre schuld, wenn das Unternehmen scheitern würde!“
„Meint Ihr?“
„Es ist meine felsenfeste Überzeugung!“
Der Herzog mischte sich ins Gespräch: „Und wenn ich nun Euch selbst zum Führer dieser Gesandtschaft ernenne?“
„So wäre der höchste Wunsch meines Lebens erfüllt!“
„So sicher seid Ihr des Erfolges?“
„Ja, so gewiss!“
„Lasst weiter hören, wie Ihr Euch die Beförderung der Waren denkt.“
„Der Seeweg scheidet vorläufig aus. Auch die Karawanenstrasse über Klein-Asien ist bei den gespannten Verhältnissen zwischen der Türkei und dem Iran zu unsicher. Jedoch mit den Schutzbriefen des Zaren versehen, erlangen wir die denkbar grösste Sicherheit. Der Weg führt von Ispahan zum Kaspischen Meer, von dort mit dem Schiff bis zur Wolga, auf ihr eine gute Strecke weiter, dann durch Russland bis Reval. Die Ostsee ist wenig gefährdet, so dass der Rest der Reise wieder zu Wasser bewerkstelligt werden kann.“
Stunde um Stunde berieten die drei Herren. Noch manche Bedenken Kielmanns musste der Kaufmann zerstreuen; aber er hatte das Vertrauen des Herzogs gewonnen und als man sich am frühen Morgen endlich zur Ruhe begab, wusste Brüggemann, dass sein Gedanke zur Tat reifen werde.
Friedrich der Dritte glich von jenem Tage an einem Spieler, der alles auf eine Karte gesetzt hatte. Es wurde ein gefährliches Spiel! Wie trunken schien er! Sein ganzes Tun und Denken kreiste nur noch um die Gestaltung des persischen Planes. Ein Rausch hielt seine Sinne umnebelt. Er sah nichts mehr als dies eine Ziel. Ihm opferte er alles: den Wohlstand und die Liebe seiner Untertanen, die Schlagkraft seines Heeres.
Geld brauchte er, viel Geld, und jeder Weg galt ihm recht, es zu beschaffen. Da waren die reichen Inselfriesen. In blutigen Schlachten hatten sie seinen Vorfahren Thron und Leben gerettet, aber das Gedächtnis mancher Fürsten ist oft kurz, wenn es sich um Dankbarkeit handelt, jedoch lang, wenn sie glauben, dass ihr Stolz getroffen sei. Friedrich glaubte nun hierzu Ursache zu haben; denn die Strandinger besassen nicht geringeren Stolz als er und hielten fest an verbrieften Rechten. Sie wollten keinen Herrn über sich anerkennen.
Unter der Maske der Hilfsbereitschaft war der Herzog zu ihnen gekommen und hatte sich ihr Vertrauen erschlichen. Es gelang ihm, sie zu überreden, dass ein Fähnlein Landsknechte sich zu ihrem Schutz – wie er sagte – auf Nordstrand einnistete. Durch List wusste er immer neue Söldnerhaufen hinüberzuschaffen und mittels Verrat bekam er die Arglosen in seine Gewalt. Er liess freiheitliebende Männer Jahre hindurch im Kerker schmachten und demütigte das aufrechte Volk so tief, dass es an der Lither Fähre selbst die eigene Zwingburg errichten musste.
Hass flammte auf! Unauslöschlicher Hass! Der Fürst lachte des ohnmächtigen Grimmes und erpresste Jahr um Jahr höhere Abgaben. Dieses Inselreich bildete seine Haupteinnahmequelle; aus ihm wurde der grösste Teil jener ungeheuren Summen geschöpft, die das persische Unternehmen verschlingen sollte.
*
Zwischen dem Herzog und seinem Minister hatte sich eine Kluft aufgetan. Hart auf hart prallten die Anschauungen gegeneinander. Kielmann sah, wohin der Übereifer seines Herrn führen musste. Mehr als die Hälfte des ohnehin zu schwachen Heeres war entlassen worden; die Steuern wurden immer rücksichtsloser eingezogen.
Die beiden sassen einander gegenüber. Die Wangen des Kanzlers glühten vor Erregung. Er sprach: „Wahnsinn ist es, in diesen Kriegszeiten, wo der kleinste Fürst aufrüstet, soviel nur in seinen Kräften steht, die Waffen aus der Hand zu legen.“
„Ich wünsche den Frieden“, lautete die Antwort.
„Wer den Frieden will, muss stark sein, um sein Land gegen Überfall, Raub und Brandschatzung schützen zu können!“
„Mögen Dänen und Schweden unter sich ausfechten, was sie miteinander auszumachen haben; ich wünsche nicht in diese Händel hineingezogen zu werden.“
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