Von Wilhelm Ernst Asbeck
Der Glückspilz und andere Märchen
Saga
Der Glückspilz und andere Märchen
German
© 1947 Wilhelm Ernst Asbeck
Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen
All rights reserved
ISBN: 9788711517888
1. Ebook-Auflage, 2016
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt und Ringhof und Autors nicht gestattet.
SAGA Egmont www.saga-books.com– a part of Egmont, www.egmont.com
Meinen lieben Kindern
Erna und Gertrud
gewidmet
Es war einmal ein wilder, weiter Wald, in dessen Mitte sich eine Lichtung befand. Hier wohnten viele kleine Pilze. Alle trugen ein rotes Käppchen, aber einer unter ihnen überragte alle anderen an Größe, auch trug er einen scharlachroten Mantel und auf seinem Haupt ein rotes Krönlein mit weißen Tupfen. Er war der König der Pilze, und wem er wohlgesinnt war, vermochte er Glück zu spenden. Ihm zur Seite lag im Grase ein winziges Männlein. Es mußte uralt sein, denn sein Gesicht bestand aus lauter Runzeln und Falten. Im Sommer war es grün gekleidet. Selbst sein Antlitz, die Augen und der lange Bart nahmen dann diese Farbe an, so daß niemand es von seiner Umgebung zu unterscheiden vermochte. Es hieß Mucki-Pucki und war ein Waldgeist, der guten Menschen gern Beistand gewährte, schlechten aber mancherlei Schabernack spielte.
Unweit dieses Forstes befand sich ein Dorf. Es war in ein liebliches Tal inmitten baumbestandener Höhenzüge gebettet. Ein munteres Bächlein schlängelte sich hindurch, das mit lustigen Sprüngen über Steine und Felsgeröll setzte, und in dessen klarem Wasser Forellen wie Silberstreifen vorüberhuschten. An diesem Bach stand eine alte Mühle, die sich seit grauen Zeiten vom Vater auf den ältesten Sohn vererbt hatte.
An einem schönen Sommertag kam ein Bauer mit seinem Esel, der zwei prallgefüllte Säcke trug, von der Höhe zum Tal hernieder. Er wunderte sich nicht wenig, keine Seele im Dorf anzutreffen; nur von der Mühle klangen Geigentöne an sein Ohr, und eine Stimme sang ein altes Volkslied dazu. Er konnte sich schon denken, wer dort spielte und sang. Richtig, auf einem Mühlstein saß der Fiedelfritz und ließ den Bogen über die Saiten streichen, daß es eine Lust war, ihm zuzuschauen.
Dem Esel schien die Sache absonderlich. Er stieß ein langes „I“ hervor, fügte dann aber bewundernd sein „Ah“ hinzu.
Der junge Müllerssohn fuhr aus seinen Träumereien empor, legte sein Instrument beiseite, liebkoste den Grauen und reichte alsdann dem Besucher beide Hände, indem er ausrief: „Willkommen Lindenbauer!“
„Grüß Gott, Fiedelfritz, ganz allein auf weiter Flur?“
„Ihr müßt wissen, heut ist ein großer Festtag. Bruder Peter kehrt heim. Fünfzehn Jahre ist er fortgewesen, auf der Universität. Medizin hat er studiert. Nun hat er es aber geschafft und ist Doktor geworden!“
„So, so, hm, was lange währt, wird endlich gut. Und du? Du siehst doch auch nicht aus, als seiest du mit dem Dummbeutel geklopft.“
„Für einen von uns beiden reichte das Geld nur, und da der Peter der ältere ist, so hat Vater ihn auf die Hohe Schule geschickt und mich Müller werden lassen.“
Der Lindenbauer sah Fritz sonderbar an, runzelte die Stirn ein wenig und sagte: „So, so, ich dachte, was dem einen recht ist, sei dem anderen billig. Na, mir kann es ja gleich bleiben. Hier sind zwei Sack Korn, die ich gemahlen haben möchte.“
„Soll geschehen,“ antwortete Fritz, nahm die beiden Säcke und trug sie in die Mühle. Als er wieder ins Freie trat, wollte der Lindenbauer gerade davongehen. Fritz stieß einen Seufzer aus.
„Denkt Euch, ich bin noch nie aus unserem Dorf herausgekommen!“
„Ne so was! Ich mein: es müßt ein schlechter Müller sein, dem niemals fiel das Wandern ein!“
„Solange der Peter fort war, mochte ich es meinen Eltern nicht antun, sie allein zu lassen. Aber er wird ja jetzt im Dorf bleiben, und dann hoffe ich wandern zu dürfen.“
„Merk dir’s, Fritz: ein tüchtiger Spielmann ist überall gern gesehen, und wenn dich dein Weg zum Lindenhof führen sollte, vergiß nicht, mich zu besuchen! — Gelt, Grauer, auch der armen, kranken Trina würde eine Aufmunterung guttun?“
Der Esel blickte traurig drein, nickte mit dem Kopf und schrie gar kläglich „I - ah!“
„Ach, Eure Trina ist krank?“ fragte Fritz voller Teilnahme.
„Ja. Schon seit vielen Jahren.“
„Wenn ich Euch nur helfen könnte, wie gern würde ich’s tun!“
„Ach, Fritz, da kann kein Mensch mehr helfen. Gelt, Grauer?“
Der Esel schrie aus Leibeskräften: „I - ah! I-ah! I-ah!“ hob den Vorderfuß und deutete auf den jungen Müller.
„Ne so was! Der Graue meint, durch dich könnte der Trina geholfen werden!“
„Er wird den Bruder Peter gemeint haben.“
Langohr schüttelte energisch mit dem Kopf und zeigte erneut auf Fritz.
„Esel sind kluge Tiere! Da siehst du es selbst! Es sollte kein Schimpf, sondern ein Lob sein, wenn ein Mensch den anderen einen Esel nennt,“ sagte der Lindenbauer, und sein Grauer rief voller Begeisterung: „I-ah! I-ah! I-ah!“
Fiedelfritz blickte beiden sinnend nach, er wurde aber bald durch das Posthorn aus seinen Träumereien gerissen, und gleich darauf erscholl großer Jubel. Es währte nicht lange, und die ganze Dorfbevölkerung eilte herbei, in ihrer Mitte Doktor Peter und das Müllerpaar.
Fritz betrachtete den Bruder. Nein, der wollte ihm gar nicht gefallen. Er trug die Nase so hoch, als sei er ein Königssohn, und seine Kleidung war bunt und auffällig und paßte gar nicht in diese Umwelt hinein.
Jetzt pflanzte sich der dicke Dorfschulze recht breitbeinig vor dem Angekommenen auf.
„Herr Doktor,“ begann er, „es ist uns eine große Ehre, daß er, sozusagen, aus uns hervorgegangen ist. Wir alle wissen, wie gewissenhaft unser Peter schon als Schuljunge gewesen ist.“
„Jawohl,“ fiel ihm der spindeldürre Schulmeister ins Wort, „ich als Peters Lehrer kann es bezeugen: wozu andere Jungen ein Jahr brauchten, hatte er deren drei bis vier nötig!“
„Nun ist’s aber genug!“ rief Peter. „Schert euch nach Haus! Glaubt ihr dummen Bauern, ich habe so viel Weisheit gesammelt, um sie bei euch zu verschwenden? Ich werde künftig nur noch an Fürsten- und Königshöfen weilen!“
Der Schulze wollte dem aufgeblasenen Burschen gerade über den Schnabel fahren, als dreimalige Trompetenstöße ertönten, und auf reichgezäumtem Pferd ein Herold erschien. Er entfaltete ein Pergament und verkündete mit lauter Stimme:
„Unser Landesherr, König Gundermann, tut hiermit kund und zu wissen, daß sein Töchterlein, Prinzessin Goldhaar, schwer erkrankt ist. Sie lacht nicht, tanzt nicht, singt nicht und kann sich an nichts erfreuen. Wer da glaubt, dem Prinzeßlein wieder ein Lächeln auf die Lippen zaubern zu können, ist am Königshof willkommen, und wenn es der Geringste unter des Königs Untertanen wäre. Sollte jemand dem Prinzeßlein den Frohsinn wiederschenken, so erhält er einen Sack, gefüllt mit blanken Goldstücken, und findet Goldhaar Gefallen an ihm, soll er sogar des Königs Eidam werden!“
Kaum hatte der Herold seine Botschaft vorgelesen, als Peter ausrief: „Das ist mein Fall! Ich werde des Königs Eidam werden!“
Der Schulze war entschieden anderer Ansicht, lachte geringschätzig und entgegnete: „Du des Königs Eidam? Nichts kannst du, als prahlen!“ und zum Müller gewandt, fügte er hinzu: „Wegen der fälligen Pacht spreche ich nachher bei Euch vor.“ Dann ging er ohne Gruß davon, und alle Dorfbewohner folgten ihm.
Читать дальше