Rich Schwab - Eine Alte Dame Ging Hering

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Büb Klütsch ist Schlagzeuger. Rock'n'Roll-Schlagzeuger, aus Leidenschaft. Mindestens genau so gerne hängt er an Theken rum und trinkt Bier. Damit er sich beides leisten kann, steht er auch des öfteren hinter dem Tresen. Ein zwar buntes, aber im Grunde doch recht geruhsames Leben – würde er nicht immer wieder in irgendwelche dubiosen Abenteuer verwickelt.
Im hier vorliegenden zweiten Band zieht es Büb an die Côte d'Azur, wo er als Straßenmusiker einen tollen Sommer zu erleben hofft. Das tut er dann auch – wären da nicht die Straßenmusikerkonkurrenz, lästige Millionenerben, die Unterwelt von St.Tropez – und die von Köln, deren Machenschaften bis ans schöne Mittelmeer reichen …
"… schärfer als die Songs von Tom Waits!", sagte Deutschlandfunk-Literaturredakteur Hajo Steinert zu «Eine Alte Dame Ging Hering».

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Rich Schwab

Eine Alte Dame Ging Hering

– Der zweite Büb Klütsch-Roman –

FUEGO

– Über dieses Buch –

Büb Klütsch ist Schlagzeuger. Rock’n’Roll-Schlagzeuger, aus Leidenschaft. Mindestens genau so gerne hängt er an Theken rum und trinkt Bier. Damit er sich beides leisten kann, steht er auch des öfteren hinter dem Tresen.

Ein zwar buntes, aber im Grunde doch recht geruhsames Leben – würde er nicht immer wieder in irgendwelche dubiosen Abenteuer verwickelt.

In Rich Schwabs erstem Roman (Nie wieder Apfelkorn, Druckausgabe 1992) ist es die unappetitliche Verquickung von Musikgeschäft und Drogenhandel im Jahr 1976 in Köln und Wiesbaden, gekrönt von Kidnapping, Körperverletzung und Mord.

Im zweiten Band ( Eine Alte Dame Ging Hering, 2001) zieht es Büb an die Côte d’Azur, wo er als Straßenmusiker einen tollen Sommer zu erleben hofft. Das tut er dann auch – wären da nicht die Straßenmusikerkonkurrenz, lästige Millionenerben, die Unterwelt von St.Tropez – und die von Köln, deren Machenschaften bis ans schöne Mittelmeer reichen …

»…kommt rauh und heiser in ruppiger Gangart daher wie ein Song von Van Morrison, nicht zimperlich, und doch schwingt Sehnsucht mit, Liebe, Romantik«, urteilte Elke Heidenreich nach der Lektüre von Nie wieder Apfelkorn in der Zeitschrift Tempo und bei Radio Bremen, während Deutschlandfunk-Literaturredakteur Hajo Steinert Eine Alte Dame Ging Hering »schärfer als die Songs von Tom Waits« fand (s. Pressestimmen).

Nicht die schlechteste Gesellschaft, findet der Autor. Und ist gespannt, mit wessen Songs man Perlen vor die Schweine, den dritten Band der Büb-Klütsch-Reihe, vergleichen wird.

Ausschnitte aus dem Buch gibt es auch als vom Autor gelesenes und mit Musik geschmücktes Hörbuchin den einschlägigen Download-Shops.

Vorspann

Das Schwierigste ist doch,

geboren zu werden –

ab da geht’s bequem bergab .

Jeff Turrington

Kapott jommer all –

woröm esu hastig? *

Opa Klütsch

Gewidmet Ulrich Werner –

ein Farbenblitz aus Sonne

im Schatten meines Weges , Alter …

(Gib mir mal ’n K!)

Es soll Leser geben, die sich zwar seit Generationen klaglos bis begeistert bayerische Volksschauspieler, norwegische und griechische Schlagersängerinnen, holländische Showmaster und österreichische Moderatoren reinziehen, aber immer noch kein Kölsch oder sonstige Fremdsprachen verstehen oder verstehen wollen. Das fand ich schon vor fünfzig Jahren mehr als fragwürdig – wenn im Fernseher das Komödienstadl in breitestem Bayrisch gesendet wurde, der kölsche Millowitsch aber genötigt wurde, seinen (und meinen!) schönen Heimatdialekt zu einer Mischung aus Hochdeutsch und Rheinisch zu verwässern.

Für die genannten Leser gibt es am Ende des Buchs jedenfalls ein Glossar. Die Chancen, dass sie dort übersetzt oder erklärt bekommen, was sie nicht verstehen, stehen recht gut. Außerdem finden sie dort Angaben zu den Urhebern diverser Liedertitel und -zeilen, die in diesem Buch zitiert werden. Die Sternchen im Text [*] führen dorthin.

Prolog

Ach du Scheiße – jetzt lassen sie schon Gorillas diese Dinger fahren! Kein Wunder, dass so viel passiert! fuhr es mir durch den Kopf, als die Beifahrertür endlich aufschwang. Aber der Gorilla grinste das Grinsen eines kleinen Jungen, der gerade auf dem Schlafzimmerschrank die Schüssel mit den Marzipankartoffeln entdeckt und geräubert hat.

»Na los! Rein mit dir, Pilger!« Dabei ließ er den Tankwagen schon anrollen. Seine Augen machten mir ein bisschen Sorgen – die sahen unter den dichten, fast zusammenwachsenden Brauen eher so aus, als hätte er zwischen dem restlichen Marzipan ein paar Spinnen und Regenwürmer verbuddelt. Aber wer weiß, wann ich hier wieder weggekommen wäre – Pforzheim! –, also schwang ich mich hoch auf den Beifahrersitz und zog mit Mühe die schwere Tür hinter mir zu.

»So’n bisschen Gesellschaft kann nix schaden, wa’?« schrie er und knallte mir seine behaarte Pranke auf die Schulter, dass ich eine Delle in den Sitz drückte. Laut Jingle Bells brummend hängte er den Sechsunddreißigtonner hinter einen Reisebus.

Es war Heiligabend, wir schrieben das Jahr ’79, ich hatte kein Gepäck, vielleicht noch zweihundert Ocken in der Tasche und ein gebrochenes Herz. Ein Jahr München hatte mich ziemlich geschafft, und ich wollte nur noch eins: Heim ’noh Kölle .

»Die denken, man wär’ ganz alleine, wa’? Meinen, deswegen könnten sie einen fertigmachen, wa’?« Ich zuckte mit den Schultern. Er beugte sich zu mir rüber und brannte seinen Blick in meinen, als wollte er sich bis in die Tiefe meiner Seele durchfräsen. »Hostien! Hostien und Schläge! Und dann: Tabletten und Schläge! Und dann: Spritzen und Schläge!!« Der Tankwagen schlitterte zwischen Standspur und Mittelstreifen hin und her. Er achtete nicht darauf. »Und kalte Duschen! Ha ha! Die werden heut’ nacht noch um kalte Duschen beten! Um eine Sintflut von kalten Duschen! Ha ha!«

Ich machte ihn darauf aufmerksam, dass uns nur noch knapp drei Meter von dem Reisebus trennten. Ohne auch nur einen Blick in den Rückspiegel scherte er aus und fing auf der Überholspur an zu singen. Was heißt singen – ein zorniges Summen, immer lauter und zorniger werdend wie ein aufgescheuchter Wespenschwarm. Aber er intonierte gut – ich konnte ohne Mühe die Melodie von Macht hoch die Tür erkennen.

»Wieso trägst du als Tankwagenfahrer eigentlich ’ne Stuttgarter Straßenbahneruniform?« fragte ich ihn beiläufig. Er fuhr mit finsterer Miene zu mir herum, überrascht, dass plötzlich jemand neben ihm saß. Dann ein listiges Zwinkern.

»Ich bin denen abgehauen«, kicherte er triumphierend, »und dann mit der Straßenbahn bis zur Endstation.« Sein Gesicht verdunkelte sich wieder. »Der Fahrer war einer von denen. Und ich brauchte was zum Anziehen.« Er ließ das Lenkrad los und breitete die Arme aus. »Und so einer frieret, denn teilet euer Gewand mit ihm! Auf dass das Himmelreich –« Er brach ab und in ein schallendes Gelächter aus. »Tankwagenfahrer! Ho ho!« Wieder knallte die Pranke auf meine halbtaube Schulter. »Ein Tankwagen –«, wieder das verschmitzte Kleinjungengrinsen, »kam mir gerade recht. Genau richtig für mein Zeichen!« Und wieder breitete er seine Gorillaarme aus und reckte stolz den Kopf. »Ja! Ich werde ein Zeichen setzen! Ein flammendes Zeichen wird die Heilige Nacht erhellen wie der brennende Dornbusch! Und die werden zu Asche vergehen – hinweg mit ihnen! Und Gott wird das Zeichen sehen und sagen: Seht! Dies ist mein Sohn! Und an ihm habe ich mein Wohlgefallen!« Er sah mich mit erwartungsvoll leuchtenden Messdieneraugen an.

»Was hast du vor?« fragte ich und bemühte mich, Ehrfurcht in meine Stimme zu legen.

»In ihren Dom werde ich fahren! Mit diesem Flammenross werde ich in ihren hochmütigen, gotteslästerlichen Kölner Dom einfallen! Und sie werden alle da sein und ihre verlogene Christmette halten! Verlogen und vollgefressen und betrunken und lüstern auf ihres Nachbarn Weib starrend! Und ich werde die reinigenden Fluten loslassen! Und dann werde ich eins ihrer ärmlichen Ewigen Lichter nehmen und sie alle, ALLE! in die Hölle jagen! BAMM! BAMM! werden ihre mit Blut – mit unserem Blut! – gegossenen Glocken noch ein letztes Mal klingen …!« Erschöpft sank er in sich zusammen, aber das verzückte, entrückte Lächeln blieb.

Der Mann hatte eine Vision! Ich drehte uns zwei Kippen. Klar freute ich mich darauf, den Dom zu sehen – aber von innen? Zehntausend Liter Sprit unterm Arsch?

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