Und langsam Zeit, ’ne eigene Gitarre zu haben. »Wä die Kääne nit probiert, weiß nit, wie die Prumme schmecke, Jung«*, hatte Opa Klütsch, der kölsche Konfuzius, mir schon frühzeitig mit auf den Weg gegeben. Also besorgten wir mir bei Fischer’s Jupp am Eigelstein* eine robuste Westernklampfe.
»Dat beste, wat du em Moment kriejen kanns’, Büb – auf dem Ding hat schon der Elvis jespielt. Der King!«
»Der King, Jupp?«
»Ja, der Ki-, eh, der Kuhn! Der Paul Kuhn!«
»Der spielt Klavier, Jupp …!«
»Jeck! Der kann alles! Dat is ene feine Kääl! Wat isch mit dem schon jesoffen hab’! Fünnefunachzisch?«
»Tu mir ’ne Tasche dazu, un’ isch geb’ dir fuffzisch.«
»Tasche?! Bis’ du beklopp’, Büb? Dat Schmuckstück muss doch jeder sehn können, wenn du damit zum Sartory jehs’! Fünnefunsecksisch?«
»Ich spiele nich’ im Sartory, Jupp – ich spiele an der Côte d’Azur!«*
»Ja, leckens am Dill! Do bruchste natürlisch en Täsch’, Büb – sönz hät dä Franzmann dir die Schrumm doch t’reck jeklemmp’! Hier hab’ isch jenau dat rischtije für disch – siebzisch?«*
»Fuffzisch.«
»Komm – weil du et bis’, Büb: jib mir secksisch, isch hab’ noch ene Termin.«
»Fuffzisch un’ ’ne Flasche Asbach.« Lippenlecken.
»Na ja, wat willste beim Franzmann met däm Schabau? Is jebongk!«* Also kurz rüber zum Stüssgen-Markt, eine Pulle Asbach gefringst*, und schon war ich stolzer Besitzer einer dunkelroten Framus in einer babyschissgelben Skai-Hülle mit einem Wienerwald-, einem Sendung-mit-der-Maus- und einem Bad-Dabringhausen-Aufkleber, und Veedelnoh führte mich in die hohe Kunst der Rhythmusgitarre ein: E-Dur, G-Dur, A-Dur, a-moll – zack! hatte ich For Your Love drauf, und dann Dust My Broom und Got My Mojo Working und, natürlich, House Of The Rising Sun und If I Were A Carpenter und One Scotch, One Bourbon, One Beer und und und …
***
… und gelegentlich verbrachte ich ein Wochenende in Veras Gästezimmer, was zwar nicht immer so ganz meiner Vorstellung von Eheleben entsprach – aber unser Eheleben hatte noch nie irgendwelchen Vorstellungen entsprochen, was schon damit anfing, dass wir damals bloß geheiratet hatten, damit sie in ihre wunderschöne, riesige Altbauwohnung in der Engelbertstraße ziehen konnte. Die Trauung fand während ihrer Mittagspause statt, Trauzeugen waren zwei Kollegen aus ihrem Verlag, und nach zwei feierlichen Bieren in der Bar vom Hotel Herzogenruh sollte planmäßig auch schon alles gelaufen sein, aber dann quatschten wir uns wohl ein bisschen fest, und ihre Mittagspause zog sich bis weit über irgendwelche unbezahlten Überstunden hinaus; und weil wir dann auch noch meinten, eine Hochzeit ohne Vollzug gewisser ehelicher Pflichten sei nur halber Kram, machte sie den Tag danach auch noch zum Flittertag, den wir im übrigen in all den Jahren seitdem auf ähnliche Art feierten, egal wer gerade ihre Lebensgefährtin war. Oder meine.
»Ich steh’ zwar gelegentlich auch auf männliche Körper, wie du ja wohl schon länger gemerkt hast, mein Göttergatte – aber für’n Kopp un’ für’s Herz hab’ ich dann doch lieber was Menschliches um mich rum, das Sagen von Sprechen, Tun von Machen und Spüren von Fühlen unterscheiden kann.« Dass sie trotzdem schon so lange so eng mit mir befreundet war, nahm ich als Kompliment – und als Balsam für den gekränkten, eitlen männlichen Schweinehund in mir; ansonsten nahm ich auch das, wie so vieles in meinem Leben, wie’s halt kam. Und die meiste Zeit mit großem Vergnügen.
Nicht zuletzt, weil Antula, ihre üppige griechische Freundin seit ein paar Monaten, ähnlich undogmatisch drauf war und Vera deswegen keinen Stress machte. Und außerdem gab’s da schließlich noch Anna, Veras mittlerweile achtjährige Tochter, die mich, wenn schon nicht als Ersatzvater, dann doch wenigstens als Spielkameraden, Frotzelgegner und Kölner Stadtführer ins Herz geschlossen hatte. Und ich war immerhin ihr Schlagzeuglehrer.
Und dann gab’s natürlich noch Kathrinchen, die mich in ihre luxuriöse Bude am Decksteiner Weiher entführte, wenn ihr mal danach war, sprich: wenn ihr sonstiger Umgang ihr auf die Nerven ging.
»Is’ doch wunderbar, Büb – jeder von uns hat sein eigenes Leben, und zusammen ha’m wir unseren Spaß; wenn du nich’ meinst, dich wieder in mich verlieben zu müssen, werden wir noch uralt zusammen. Ein richtig schnuckeliges Bratkartoffelpärchen.«
Also lebten wir jeder unser eigenes Leben, hatten ab und zu unseren Spaß zusammen, und ich meinte nicht, mich in sie verlieben zu müssen. Und wer weiß schon, wie alt er wird? Oder was überhaupt der nächste Tag, das nächste Jahr, die nächste Minute bringt? Erst recht, wenn Heroin im Spiel ist. Es tat mir weh zu sehen, dass sie ihr Quantum nicht mehr ein-, zweimal die Woche, sondern fast täglich brauchte. Und ihr Umgang, ein paar gelackte Loddels aus Wien und Salzburg, die sich im Friesenviertel durch ausgesuchte Gemeinheiten schnell einen fiesen Ruf erworben hatten, gefiel mir auch überhaupt nicht.
»Alles im Griff, Büb. Halt dich da raus, und wir werden nie ein Problem haben, mein Schatz.«
Also hatten wir nie ein Problem.
***
Na ja, ein Problem gab’s dann doch: Ich war Kanaldeckel’s Büb. Ich griff mit links einen Akkord, langte mit rechts zwei-, dreimal in die sechs Saiten – da waren’s nur noch fünf oder sogar nur vier. Die hohen, dünnen wollten einfach nicht halten. Mit der Zeit schaffte ich es, mich so weit zurückzuhalten, dass die H-Saite überlebte, aber die hohen E-Saiten machten immer nur zinnngg! zschäck! , und weg waren sie. Nach der fünfundzwanzigsten Ersatzsaite kapitulierte mein Lehrer.
»Komm, Büb, ehe du eines Tages einem von uns ein Auge ausschießt – wir lassen das E weg. Klingt außerdem geiler, so wie du spielst.«
»Was heißt das: So wie ich spiele?«
»Na ja, du spielst, als wär’ dat Ding Schlagzeug, Bass und Rhythmusgitarre in einem. Aber mach ruhig weiter so – wir spielen die Franzmänner an die Erde! Machen die Côte klar! Wie wär et mit Rock Steady Woman ?« Und ab ging die Post …
»Es geht doch nichts über ein Glas Champagner und eine gute Monte Cristo , wenn man etwas zu feiern hat«, schnurrte Isaak Eimermacher und blickte hinter dem schwarzen Dienstmädchen her, das ihm den Eiskübel gebracht und ein Glas Krug-Sekt eingeschenkt hatte. Fettsteiß schön und gut , dachte er, aber die wird auch immer fetter. Vielleicht bezahle ich die zu großzügig?
Aber das war jetzt nicht so wichtig. Genüsslich und in aller Ruhe beschäftigte er sich mit der Zeremonie, die das korrekte Anzünden seiner langen, hellbraunen Zigarre erforderte. Auf der Prinsengracht glitt ein Aussichtsboot voller knipsender Touristen durch die stinkende Brühe. Nicht dass sie ihn fotografieren könnten, hier hinter den gold-getönten Scheiben des Wintergartens im dritten Stock seines denkmalgeschützten Hauses, erbaut 1722. Kurz überschlug er ihre Zahl und registrierte, was drei Prozent ihres Ticketpreises in seine Taschen bringen würden. Dann lachte er – ein kurzes, quietschendes Wiehern, wie ein verwirrter, übermütiger Esel. Das war doch nun wirklich kleine Maus, das Kleingeld für seine Zigarren vielleicht, oder zumindest die Bestechungsgelder, die nötig waren, diese handgedrehten Kostbarkeiten aus Havanna in seinen Humidor zu schaffen.
»Aber die Steinchen«, murmelte er liebevoll die Glut seiner Especiales No.1 an, »die heiligen Ringe, sechzehn für jeden Finger, ach was, jeder von euch Schätzchen könnte ich einen davon an Stelle eurer papiernen Bauchbinden anziehen …! Sie kommen nach Hause, wohin sie gehören! Womit wir endlich – endlich! – die weltweit größte Sammlung antiker Ringe beisammen hätten! Das muss doch gefeiert werden!« Wieder das Wiehern. Dann lehnte er sich in dem mit orientalischen Kissen gepolsterten Korbstuhl zurück, trank sein Glas leer und warf es hinter sich, wo es an dem goldfarbenen Panzerglas zerschellte. »Prosit! Auch wenn die Sammlung Eimermacher dann – spätestens dann«, grinste er, »eine geheime bleiben muss – dreimal Prosit!« Er nahm sich ein neues Glas vom Tablett.
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