1 ...6 7 8 10 11 12 ...15 »Drei-« tock , »komma-« tock , »neun.« Tock . Nicht schlecht. Wir applaudieren und bestellen noch ’n paar Kurze. »Dreikommaneun! Umjerechnet: Zwei Jahre den Lappen weg un’ fünf Jahre keinen Taxischein! Scheißescheißescheiße! Wollt ihr ’nen Taunus kaufen?«
’noh und ich gucken uns an. Suchen wir nich’n Auto?
»Ja, glotzt nich’ so blöd! Wat soll ich mit der Karre? Hat sowieso nur noch ’n halbes Jahr TÜV. Fährt aber astrein! Is’n Kombi!« Ein Kombi! Ein Ford Taunus Kombi! Mit genug TÜV, um an die Côte d’Azur und wieder zurück zu kommen!
»He, Ron, wir ha’m keine Gönner bei Erdöls! Wat soll die Karre denn kosten?«
»Ach, Scheiße,« er wühlt in seinen Taschen und schmeißt Fahrzeugpapiere und ’nen Autoschlüssel auf den Tisch, »tu mir ’nen Heiermann!«*
»’n Heiermann?! Haste se noch alle?«
»Gib den Heiermann un’ nimm den Hobel oder leck mich am Arsch, Büb! Eh’ ich übermorgen wieder nüchtern werd’ un’ mir dat anders überleje!«
Na ja – wir zahlten den Heiermann und seinen Deckel und nahmen den Hobel. Daraufhin musste er zur Feier des Abschlusses noch einen ausgeben. Wurde dann noch ein schöner Nachmittag.
Und ein schöner Mai. Mit all dem Listen-Abhaken, Veedelnohs Bude Zwischenvermieten, all den Abschiedsrunden und Abschiedsküssen. Und dann war’s auf einmal Zeit, den Kombi aufzutanken, Schlafsäcke und Gitarren hinten rein, ein paar Kassetten und ’ne Frankreichkarte ins Handschuhfach, und an einem strahlend wolkenlosen Junimorgen dröhnten wir noch dreimal um den Bonner Verteiler, machten eine letzte Flasche Kölsch auf und legten, platt, aber effektiv, Canned Heat ein. On the road again * …
»Vielleicht ein wenig platt, aber sehr effektiv. Er macht es, Anton. Ich wusste doch, dass ich mich auf meine Prinzessin verlassen kann. Mein Araberhengst und deine Idee mit dem Grundstück im Bergischen haben natürlich auch geholfen.« Eimermachers Stimme klang, als seien alle Probleme schon gelöst. Merck wischte sich eine Schweißperle vom Nasenflügel. »Jetzt bist du dran, Anton.« Ja, jetzt war er dran, daran gab es nichts zu rütteln.
»Ja, isch muss dat noch orjanisieren, Isaak, so schnell schießen die Preußen nit.« Eimermacher wieherte sein Lachen.
»Du kommst aus Worringen, Anton, du bist so preußisch wie unser Rabbi. Und dass geschossen wird, ist doch wohl in unserem Fall auch nicht nötig – hoffe ich.«
»Nänä«, beschwichtigte Merck, »is’ doch nur so ’ne Redensart. Isch will damit nur sagen, dat jeht alles nit so Hals über Kopf, dat muss vernünftisch vorbereitet sein.«
»Sollst du, Anton, sollst du. Ich kann ja auf mein Päckchen noch ein Weilchen warten, aber wenn ich das richtig verstehe, musst du doch deinen Einkauf in diesem Sommer noch unter Dach und Fach gebracht haben?«
»Isch bin am Ball, Isaak, isch bin am Ball.«
»Schön. Brauchst du Geld? Vorher schon?«
»Ach wat, Jeld! Nein, et jeht nur noch drum, dat jeschickt einzufädeln. So jeschickt, datt kein Schwanz uns jemals damit in – eh – Verbindung – eh …« Wieder das Wiehern.
»Aber du bist doch der Einfädler vor dem Herrn! Bist du das nicht? Du wirst das schon schön mooj maaken , Anton!«
Sie führten noch ein wenig plätschernde Konversation – die Geschäftstüchtigkeit des Spaniers, die Lage im Nahen Osten, der Ölpreis, eine neu entdeckte Zigarrenmarke – dann verabschiedeten sie sich voneinander, Eimermacher herzlich, fast gönnerhaft, Merck nervös. Er wanderte eine Viertelstunde um seinen Schreibtisch herum und schaute mehrmals auf seine Armbanduhr, ein sehr teuer aussehendes stahlgraues Monstrum so groß wie eine Untertasse; das einzige, was sie nicht anzeigte, waren die Lottozahlen. Dann griff er wieder zum Telefon.
»Isch bin et«, bellte er, als sich jemand meldete, »hol misch um halb sieben im Büro ab – wir jehn ’ne Runde um den See. Isch muss wat mit dir bespreschen. Wat …? Jaja, dann sagste dat eben ab. Ja, halb sieben!«
Leider hatten wir uns das falsche Repertoire ausgesucht – zumindest für diesen Auftrittsort, St.Tropez, abends um halb sieben.
Der Franzmann hat’s ja wohl anscheinend nicht so mit dem Blues. Wir stellen uns zum Beispiel vor die gut gefüllte Terrasse des Le Clemenceau . Kurzes Gitarrenvorspiel, ’noh bellt einmal I Got Ramblin’ – hier klirrt eine Espressotasse, dort ein Champagnerkelch. Unter den Tischen kläffen ein paar Pudel hervor, ein Kind plärrt los, ein Afghane, mit einem hellblauen Seidenschal an einem der Tischchen festgebunden, rennt heiser hustend auf uns los, Tisch hinterdrein, und ein Wienerwald-Hähnchen in rosa Satin stößt spitze Schreie aus, weniger wegen I Got Ramblin’ als wegen der heißen Crêpe in seinem Ausschnitt. Zwei schnöselige Kellner stürmen mit nasalen Röö-röö-röös auf uns ein, und als ich das als Aufforderung nehme, die zweite Stimme zu singen, kommt auch noch Silberschläfe im schwarzen Anzug, dick »Geschäftsführer« auf die schwitzende Stirn geschrieben. Unser Französisch ist nicht so doll, aber ihrem Tonfall und den bedrohlichen Gesten ist unschwer zu entnehmen, dass wir an der falschen Adresse sind. Also eine Bar weiter. Oder zwei.
Oder sechs. Aber nicht mal vor einem Schuppen, der sich Le Gorille Électrique nennt, weiß man unsere Blues-Interpretationen zu würdigen.
»Is’ vielleicht nich’ unser Tag, Büb?«
»Is’ ja auch erst der erste. Vielleicht sollten wir uns erst mal ’n bisschen akklimatisieren.« Also setzten wir uns auf die nächste Terrasse, bestellten ein Bier und drehten uns eine. Eine entzückende kleine Mulattin in einem roten Kleidchen brachte uns zwei entzückende kleine Tulpen, halb voll Schaum, mit denen man in Köln gerade mal ein Stößjen vollgekriegt hätte, und legte uns ein Zettelchen unter den Aschenbecher. ’noh warf einen Blick darauf und starrte die Kellnerin mit offenem Mund an. Sie zeigte ihm ein entzückendes kleines Krausnasenlächeln. Er gab ihr ein paar Francscheine. »Schon die nächsten zwölf mit bezahlt?« Er schüttelte langsam den Kopf und leckte vorsichtig ein Flöckchen von seinem Schaum ab. »Was kost’ denn eins?«, fragte ich und kippte mir meins in den Hals.
»Zwölf-fuffzisch.« Ich verschluckte mich fast an meinem letzten Tropfen.
»Wieviel?!« Er verzog bloß resignierend die Mundwinkel und nickte. »Hammer denn noch jenuch Sprit für die Rückfahrt?« Er war unser Kassenwart. Mit Geld konnte ich noch nie umgehen.
»Nix Rückfahrt. Erstens ha’m wir noch mindestens sechshundert Mark in der Tasche –«
»Die anscheinend schon weg sin’, wenn wir uns hier nur ein einziges Mal halbwegs ordentlich besaufen …«
»Un’ zweitens ändern wir morjen unsere Stratejie. Wär’ doch jelacht, wenn wir hier nich’ wat Schotter machen. Luur dich doch ens öm!«*
Ich luurte mich öm. Überall waren mittlerweile Neonreklamen und Gaslichtkopien angegangen. Vom Wasser her blinkten die bunten Lampen von fast hundert Yachten zu uns herüber. Über die Berge hinter uns schwallte die Nacht wie verschüttete Tinte über die rot-weiß-goldene Torte des Sonnenuntergangs und drückte sie in ein Mittelmeer, das violett glitzerte wie zerknittertes Geschenkpapier. Mit einem kleinen Taschengeld von vielleicht drei, vier Mille würde man glatt den einen oder anderen Abend wieder herkommen wollen. Wie die alten Kreolen schon sangen: Geld ist schon gut, aber zu teuer.
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