`Aber uns´, war die knappe Antwort. Es waren Fälschungen von Impressionisten: Zwei Degas, zwei Manet, ein angefangener Monet. Keine blöden Kopien, sondern nachempfundene Originale. Verdammt gut, fand ich.
`Nanu, ich dachte, die wären schon längst alle tot. Arbeiten die bei dir?´, verarschten sie mich. `Bist wieder bei deinen alten Tricks´, grinsten beide.
Sie hatten es gewusst und zwangen mich sofort, ohne dass ich etwas anderes anziehen konnte, mitzukommen. Wohin wir fuhren, weiß ich nicht. Ich saß hinten mit dem Dicken und die Fenster waren verdunkelt. Als wir ausstiegen zog mir der eine eine Wollmütze über die Augen. Es war wohl so ein typisch englisches Haus mit ein paar Treppen vorm Eingang. In einem fast leeren Raum mit verhängten Vorhängen musste ich ewig warten. Dann trat ein Dritter ein, der Boss.
`Nun, Mr. Beckmann´, fing er sofort an, `Sie scheinen sehr talentiert zu sein. Meine Leute waren beeindruckt von Ihren neuen Meisterwerken. Allerdings verstehen sie nichts davon und hätten lieber Aktbilder gefunden´, lachte er und grinste die beiden an. Dann wechselte er schlagartig den Ton und brüllte: `Beckmann, Sie sind ein verdammter billiger, kleiner Verbrecher. Ein Kunstfälscher und ein Dokumentenfälscher. Deshalb mussten Sie schon aus Deutschland abhauen und jetzt versuchen Sie ihr Glück hier. Auch noch unter falschem Namen. Wahrscheinlich sind Sie noch dazu ein Nazi. Wir haben Krieg und Sie gehören erschossen. Ein Nazi, der versucht, Geld das wir für unsere Soldaten brauchen in die eigene Tasche und nach Deutschland zu leiten.´
Mir wurde fast schlecht vor Angst. Ich protestierte aufs Heftigste.
Dann kam das Angebot. Ich könnte weiter malen, nur keine Fälschungen. Dafür müsste ich deutsche Dokumente herstellen. Wann und für wen würde ich erfahren. Sollte ich aber jemals mit jemandem darüber reden oder glauben, schlau zu sein und die gefälschten Namen verraten, würde ich sofort vor ein Kriegsgericht gestellt. Falls sie sich den Umstand machen würden. Der Ausgang wäre so oder so klar.
Ich stimmte natürlich sofort zu. So wurde ich Fälscher der britischen Krone. Zunächst musste ich Leerexemplare deutscher Dokument anfertigen. Das war nicht schwer denn die Engländer hatten diverse Vorlagen. Damit war man offensichtlich zufrieden. Dann erhielt ich, immer unangemeldet, Besuche von Beamten mit versiegelten Kuverts. Die enthielten Passphotos und einige Schriftproben. Und natürlich den gewünschten Namen mit entsprechenden Lebensdaten der Person. Einmal war es sogar eine Frau, ganz bieder und unscheinbar. Wahrscheinlich eine erfolgreiche Spionin. Während ich arbeitete blieb der Beamte immer in meiner Nähe. Am Ende musste ich alle Unterlagen in ein Kuvert stecken und der Beamte es vor meinen Augen versiegeln. Man traute offensichtlich auch den eigenen Leuten nicht.”
Frank lachte. “Du warst also gar kein Flüchtling vor den bösen Nazis, sondern schlicht ein Bildfälscher, dem es zu heiß in Deutschland wurde.”
Beckmann nickte selbstzufrieden.
“Aber was war mit Frank Nickel?
Beckmann lächelte verschämt. “Ich dachte, Ruth hätte ihn zufällig erwähnt, doch inzwischen erkenne ich, dass sie mich dorthin geführt hat. Ganz schlau. Wir redeten noch eine Weile und ich fragte sie, wieso sie nach Deutschland zurückgekommen sei nach ihrer Flucht und Amerika.
Sie sagte, weil ihr erster Mann Frank Nickel hier zu tun hatte.
Bis dahin waren mir tausend Gründe durch den Kopf gejagt, warum diese Frau sich für Edelmann interessierte. Wollte sie daraus eine Geschichte über einen Kunstmäzen schreiben? Doch nun war ich total verwirrt. Suchte sie einen Namensvetter ihres ersten Mannes.? Warum? Es war mir augenblicklich klar, dass sie den Namen ihres Mannes als Köder genannt hatte. Trotzdem fragte ich wie ein Doofer: `Frank Nickel, wirklich Frank Nickel heißt dein Mann, dein erster?´
Sie lachte. `Also, so weit ich mich erinnere, war ich mit dem viele Jahre verheiratet.´ Plötzlich wurde sie aber tierisch ernst und starrte mich eiskalt an? `Wieso und woher kennst du Frank Nickel alias Thomas Edelmann?´
“Die gleiche Frage stelle ich dir jetzt. Wieso und wann hast du Edelmann in England kennen gelernt?”
Beckmann seufzte: “Es ist doch so lange her und heute vollkommen bedeutungslos. Edelmann habe ich erst vor einigen Jahren hier wieder gesehen. Über früher haben wir nie ein Wort gewechselt. Er hat eine Vernissage von mir besucht. Seitdem kommt er regelmäßig wenn ich ausstelle. Kein Mensch hat mich je nach ihm gefragt. Bis deine Frau hier auftauchte. Und jetzt du. Was wollte Ruth? Und warum glaubst du, er hätte etwas mit ihrem Tod zu tun? Das ist doch verrückt.”
“Vielleicht. Aber bevor ich dass entscheide muss ich wissen, woher du ihn kennst.”
Beckmann zögerte. “Warum willst du das alles wissen? Das ist der Job der Polizei. Deiner Ruth kannst du nicht mehr helfen. Mich aber in Schwierigkeiten bringen. Lass es doch ruhen.”
“Nicht bevor ich weiß, warum sie starb. Erst dann gebe ich ruhe.”
Beckmann seufzte und erzählte: “Etwa ein Jahr nach Kriegsende kam er zu mir. Ich erinnere mich auch deshalb so gut, weil ich geschockt war, dass jemand von meiner Tätigkeit wusste. Ich hatte schon lange nichts für die gemacht. Er kam gleich zur Sache. Sprach Englisch mit starkem Akzent und wechselte dann ins Deutsche. Er brauche deutsche Papiere. Er würde gut bezahlen und hätte alle Unterlagen dabei. Ich brauchte wie immer dringend Geld, war aber sehr misstrauisch. Also verlangte ich, dass er sich ausweise. Das ärgerte ihn zwar und er weigerte sich zunächst, doch ich blieb dabei. Daher weiß ich, dass er Frank Nickel hieß. Es waren echte Papiere, die 1945 in England ausgestellt worden waren.”
“Und woher kam er“?´, unterbrach Frank..
“Das gleiche hat Ruth befragt. Ich weiß es nicht, hat mich auch nicht interessiert. Fragen stellen gehörte nicht zum Geschäft. Er hat im Voraus bezahlt und am nächsten Tag die Papier abgeholt.”
“Und auf welchen Namen lauteten sie?”, fragte Frank obwohl er es schon längst wusste.
“Thomas Edelmann. Ich erinnere mich, damals über den scheinheiligen Namen Edelmann` gespottet zu haben als ich die Papiere aushändigte. Er fand das gar nicht lustig, sondern drohte, man würde mich kalt machen, wenn ich jemandem davon erzählte.
“Wer ist `man?”.
“Ich weiß es bis heute nicht, aber Angst hat er mir gemacht. Ich saß ja zwischen allen Stühlen als Deutscher, Fälscher, Geheimdienstmitarbeiter und Flüchtling vor der deutschen Polizei. Und vor allem: mit untergetauchten alten Nazis war nicht zu scherzen.”
“Du glaubst, er war Nazi?”, fragte Frank
“Keine Ahnung. Das hat Ruth auch gefragt. Er wirkte bedrohlich.”
“Und dann? So groß war deine Angst offensichtlich nicht mehr als er bei dir auftauchte. Hat er dich oder hast du ihn aufgetrieben?´
“Mein Gott, das habe ich doch schon alles Ruth erzählt.” Er stockte: “Entschuldige. Das kannst du ja nicht wissen. Also, ich gestand ihr, vor einigen Jahren seinen Namen in der Zeitung gelesen und ihm einen Katalog meiner Bilder zugeschickt zu haben. Das war vielleicht der größte Fehler meines Lebens.”
“Und die haben ihn so beeindruckt, dass er sofort Verbindung aufnahm?”, höhnte Frank.
“Wahrscheinlich waren es nicht nur die Bilder. Sicherlich hat er sich an mich erinnert. Solche Menschen haben ein gutes Gedächtnis.”
“Und als er plötzlich bei dir vor der Tür stand seid ihr euch in die Arme gefallen? Oder nennt man so etwas Erpressung?”
“Quatsch. Er kam einfach vorbei und hat sich die Bilder angeschaut. Zusammen mit seiner Frau. Ganz selbstverständlich. Über früher oder darüber, dass wir uns kannten, ist nie ein Wort gefallen. Ich war zwar ein Fälscher, ein guter übrigens, doch ein Erpresser niemals. So etwas ist viel zu gefährlich.”
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