Mehr Enttäuschung konnte man bei allen spüren, als der Bericht der Kriminaltechnik eintraf. Keine Fingerabdrücke so die daktyloskopische Auswertung die sich einem der Polizei bekannten Sexualstraftäter zuordnen lässt, konnten ermittelt werden.
»Die Anzahl der vorhandenen Fingerabdrücke könnte den Personen entsprechen, die in den letzten zehn Jahren in dem Zimmer übernachteten« so der lakonische Kommentar von Walter Dörrobst.
Die Suche von Körperzellen zur Bestimmung des genetischen Fingerabdrucks sowie der Nachweis von Blut mit Luminol zeigte keine verwertbaren Ergebnisse. Die geringen Blutspuren, die von der KTU an unterschiedlichsten Stellen aufgefundenen wurden, standen in keinem Zusammenhang mit der vorliegenden Tat.
Am Schluss des Berichts wurde noch auf den Fund einer Faser hingewiesen, die auf der Lehne des Sessels übersehen wurde, obwohl die Lehne augenscheinlich mit einer Kleiderrolle gereinigt wurde. Der nachgewiesene Kleberückstand konnte keiner bestimmten Marke zugeordnet werden. Diese Faser aus mehrfädiger Kaschmirwolle wird gewöhnlich für hochwertige Kleidungsstücke verwendet. Eine Zuordnung der Faser kann bei Vorliegen des Kleidungsstücks mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit erfolgen.
»Das ist nichts, überhaupt nichts« wütete Walter, während er den Bericht der KTU demonstrativ in den Papierkorb warf. »Entweder sind die mit geschlossenen Augen über die Spuren des Tatorts spaziert oder der hat alle Spuren beseitigt.« Nach kurzer Pause »aber das ist nicht möglich.«
Ayla fasste in aller Kürze zusammen, was an Erkenntnissen bisher vorlag. »Unser Täter ist männlich, ca. vierzig bis fünfzig vielleicht fünfundfünfzig Jahre alt und soll gut situiert sein. Diese Angaben beziehen sich hauptsächlich auf die Aussage der Hotelbesitzerin und wurden bisher von niemand bestätigt.«
Sie räusperte sich, wollte den Frosch vertreiben, der sich in ihrem Hals festsetzte, wenn sie an das Gespräch bei der Familie Winkler zurückdachte.
»Unser erneuter Besuch bei der Familie Winkler hat auch nichts Neues an Erkenntnissen geliefert. Auf unsere Frage ob jemand etwas von einem Freund weiß der etwas älter ist, hat man uns nicht nur befremdlich angesehen, der Vater wollte uns aus dem Haus werfen.«
Sie dachte ungern an die Szene zurück und es bedurfte einiges an Anstrengung, ihn wieder zu beruhigen. »Wir hatten noch Gelegenheit mit der Schwester allein zu reden, aber auch sie bestätigte, dass ihre Schwester aktuell keinen Freund hatte. Von ihrem Freund war sie seit mehr als einem Jahr getrennt und sie wollte eine neue Beziehung erst nach Beendigung ihres Studiums eingehen. So sagte sie es ihrer Schwester und die bestätigte uns, dass sie es sehr ernst genommen hat.«
Da war noch etwas, sie hatte etwas vergessen, was sie hatte sagen wollen. Hilfesuchend blickte sie zu Sven, der währenddessen auf seinem Notizblock die Positionen gedanklich abhakte und nun ergänzte. »Das Studium.«
»Ja richtig, was wir bisher nicht weiter verfolgt haben, war ihr Studium. Sie studierte Jura und absolvierte gerade ihr Referendariat. Ihre Station im Zivil- und Strafrecht hatte sie gerade abgeschlossen und sollte im nächsten Monat die Verwaltungsstation beginnen.«
Nachdem sie ihre Kollegen ausführlich über ihren Besuch beim Oberstaatsanwalt unterrichtet hatte, was ihr zustimmende Kommentare einbrachte, musste sie noch etwas loswerden.
»Ich habe mir die Aufstellung von Günther nochmals angesehen und mir kam ein Gedanke, von dem ich hoffe, dass ich mich irre. Wenn wir davon ausgehen, dass unser Täter vom Freitag auch der Täter ist, der die Verbrechen auf der Liste begangen hat und vieles spricht dafür, dann haben wir ein Problem.«
Nachdem sie ihre Gedanken vor ihnen so ausgebreitet hatte, dass jeder diese nachvollziehen konnte, blickte sie erwartungsvoll in ihre Gesichter.
»Sagt mir, dass ich mich irre, dass meine Gedanken nichts mit der Realität zu tun haben. Meinetwegen sagt mir, dass ich verrückt bin, aber sagt mir, dass ich unrecht habe.«
Walter, der sich am Kopf kratzte, schüttelte nur den Kopf, während Günther sie ungläubig mit großen Augen ansah. Bei Sven konnte sie auf seinen Unterarmen die Gänsehaut sehen, auf dem sich die Härchen aufgerichtet hatten.
»Das ist verrückt« Günther fand als Erster seine Stimme wieder und wiederholte das Gesagte »das ist verrückt, aber es könnte zutreffen.« Sven und Walter nickten zustimmend, es klang in der Tat verrückt aber dafür umso wahrscheinlicher.
»Sven und ich werden morgen Abend in diesen Club gehen, in dem Sarah am Freitag war. Nach Aussage des Betreibers sollen zum Wochenende wieder alle Angestellten arbeiten wie vor einer Woche. Vielleicht erinnert sich jemand an Sarah und an den Mann, mit dem sie den Club sehr wahrscheinlich verlassen hat.«
»So viel Glück werden Sie nicht haben«, Günther seufzte theatralisch »viel wahrscheinlicher ist, dass Sie unserem Oberstaatsanwalt begegnen, wenn der Club wirklich so angesagt ist.«
»Malen Sie nicht den Teufel an die Wand«, lachend wandte sie sich ab.
Sie kamen mehr als eine halbe Stunde zu spät und blickten auf die Menschenmasse, die auf dem Weg in das Innere des Clubs war. Allerdings nur, wenn sie den Türsteher von ihrer Wichtigkeit, ihrer Prominenz oder ihrem Charme überzeugen konnten. Wobei die dritte Anforderung ausschließlich für weibliche Gäste unter dreißig reserviert war.
Sie beobachteten eine Weile den Wächter der Pforte, der wortgewaltig den Zugang gewährte oder verweigerte. Dabei reichte offenbar ein Wortschatz von vier Worten aus, denn mehr benötigte oder hatte er nicht. »Du ja, nein, Du nicht« reichten neben seinem vernichtenden oder wohlwollenden Blick aus, um die Massen im Zaum zu halten.
»Ein reizendes Kerlchen«, sagte Ayla, als sie den muskelbepackten Gorilla vor dem Eingang betrachtete. »Ob der uns so ohne Weiteres rein lässt« dabei glitt ein leicht boshaftes Lächeln über ihr Gesicht.
»Wir gehören nicht in die Kategorie von Gästen, die der Türsteher bevorzugt.«
»Aber Du warst doch vor Kurzem in dem Club, dachte ich« der Zweifel in ihrer Stimme war unüberhörbar.
»Ja, aber nur weil einer meiner Kumpels aus dem Verein in die Kategorie Prominenz gerechnet wird«.
»Und«?
»Der ist Berliner Meister im Taekwondo und natürlich kennt man ihn in bestimmten Kreisen.« Er nickte zu dem Türsteher »er auch.«
»Dann lass uns das Mal abkürzen«, sagte sie energisch, »wir wollen ja nicht den ganzen Abend hier zubringen. Damit drängelt sie auf den Eingang zu und Sven hatte große Mühe sie vor Stößen und Remplern zu schützen, bis sie endlich kurz vor dem Eingang standen.
Dort agierte der Türwächter, indem er aussiebte, was in dem Club nicht erwünscht ist. Du ja, du nicht, nein waren die einzigen Begriffe, die bei Gemurre durch einen entsprechenden Blick ergänzt wurden.
»Du nicht«, spuckte er ihr entgegen, diese Frau, die vor ihm stand, war nicht nur zu klein, sie war außerdem zu alt und sie war definitiv kein Promi.
Ayla zog ihren Ausweis »Polizei wir müssen jetzt in den Club«. Diese freundliche aber bestimmte Ansage sollte sogar er verstehen.
»Nein« damit kreuzte er seine Arme vor der Brust und demonstrierte seine Unüberwindlichkeit, niemand kam hier vorbei, den er nicht vorbei ließ. Im Hintergrund schwoll das Gemurmel der Unzufriedenen, die der Stau nervte und die endlich zu ihrem Recht kommen wollten, sie wollten endlich in den Club.
»Sven kannst Du bitte kommen« die Diskussion war überflüssig und enervierend, sie konnten Besseres mit ihrer Zeit anfangen.
Der Blick des Wächters glitt an ihr vorbei, dann bemerkte er seinen Irrtum, er hatte seinen neuen Gegner unterschätzt. Langsam glitt sein Blick nach oben, bis er selbst seinen Kopf in den Nacken legen musste, um in die Augen dieses Sven sehen zu können. Dessen Blick war freundlich, aber irgendetwas hinter diesen freundlichen Augen riet ihm, vorsichtig zu sein.
Читать дальше