„Wir lassen es einfach für immer verschwinden. Derjenige dem es gehört, hätte eben besser auf seine Sachen aufpassen sollen. Und wenn es hier erst wieder verschwunden ist, wissen w i r jedenfalls von nix.“
Geetnich zauderte weil er sich natürlich betroffener als Machmanix fühlte. Immerhin hatte der seine Aufgaben ja nicht vernachlässigt und konnte leicht daherreden. Andererseits hatte er schon Recht, dass man den Besucher schnell wieder loswerden musste bevor ihn hier noch jemand sah. Ehe er jedoch überhaupt zustimmen oder ablehnen konnte, handelte Machmanix schon. Mit erhobenen Armen stand der jetzt vor dem Eindringling und ließ einen Funkenregen über ihn prasseln. In einem gelblich qualmend, sprühenden Inferno schrumpfte das Ding immer weiter zusammen bis es völlig verschwunden war. Kaum hatte Machmanix seine Arme wieder sinken lassen, versiegte auch der Funkenregen. Zwar dampften seine Hände noch etwas, aber er schien zufrieden.
Von dem komischen Besucher war jedenfalls nichts mehr zu sehen. Ohne auch nur die kleinste Spur auf dem Boden hinterlassen zu haben hatte der sich aufgelöst. Obwohl Geetnich im tiefsten Innern wusste, dass das die beste Lösung war, zeigte er sich über das drastische Ende doch erschreckt.
Ein langgezogenes sparsames „Ooooha“ war allerdings seine einzige Reaktion darauf. Machmanix hatte wirklich keine Sekunde zu früh gehandelt, denn schon im nächsten Augenblick hörten sie Schritte und sahen Ärster durch die Tür kommen. Zwischen den Tischen durchschlendernd kam ihr Vorgesetzter mit prüfendem Blick langsam näher und schien zufrieden. Als er die beiden allerdings sah, die wie ertappte Lausbuben dastanden, wurde er misstrauisch. Sein Blick wanderte von einem zum andern und blieb dann an Machmanix’ immer noch dampfenden Fingerspitzen hängen.
„Habt ihr schon wieder gezaubert? “
Bevor Geetnich überhaupt etwas einfiel womit man sich hätte herausreden können, schüttelte Machmanix schon entschieden den Kopf.
„Natürlich nicht Meister …ohne Grund ist das doch verboten.“
Dazu zog er ein Gesicht, das hätte Steine erweichen können. Ärster starrte aber noch immer auf Machmanix’ Hände. „Und was ist damit …?“
Jetzt war Geetnich schneller und er beeilte sich Machmanix aus der Patsche zu helfen, der jetzt doch noch in Not zu geraten drohte. Vor einigen Jahren hatte Geetnich als Bester die Abschlussprüfung des zweiwöchigen Seminars „Wie dehne ich die Wahrheit unter Zuhilfenahme der Buchstaben L, Ü, G, und E“ mit Auszeichnung bestanden, was ihm seither schon oft hilfreich war.
„Es waren einige Kohlen aus dem Feuer gepurzelt und keine Schaufel zur Hand.“
Nur ganz kurz zog Machmanix ein erstauntes Gesicht, dann nickte er zustimmend.
„Genauso war's …die Schaufel war weg.“
Ärster verzog das Gesicht zu einer schmerzlichen Grimasse und zeigte damit ohne Worte an, dass er an dieser Erklärung doch erhebliche Zweifel hatte. Ohne aber weiter darauf einzugehen sah er sich wieder im Saal um. „Wie weit seid ihr gekommen?“
Machmanix, der sich wieder gefangen hatte, beeilte sich mit der Antwort, um so endgültig von dem peinlichen Thema wegzukommen.
„Soweit alles klar …nur noch ein paar Kleinigkeiten.“
Ärster nickte zufrieden und Geetnich atmete erleichtert auf. Offensichtlich aber zu früh, denn Ärster stutze und guckte mit schief gelegtem Kopf in die Saalecke wo noch die Restlache des durchgebrochenen Wassers schimmerte.
„Und was ist das …?“
Geetnich griff noch einmal auf seine Seminarkenntnisse zurück.
„Ähh... das ist der Rest vom Kühlwasser …,“ sagte er mit leicht stockender Stimme, „…das wir für die Getränke nachher vorbereitet haben.“
Ärster zog die Augenbrauen hoch, was aber kaum zu sehen war, weil sie genauso schwarz und zottig waren wie sein übriges Fell. „Lügen haben kurze Hosen …“
Geetnich stutzte einen Moment und meinte ihn verbessern zu müssen.
„Ach, heißt das nicht …haben kurze B e i n e …?“
Ärster grinste wissend.
„Eben …und kurze Beine brauchen keine langen Hosen.“
Mit einer Siehste-wohl-Miene drehte er um und schlenderte zwischen den Tischen hindurch dem Ausgang zu. Korrigierend zupfte er mal an der einen oder anderen Tischdecke, rückte ein Glas näher zum dazugehörenden Teller und machte im Großen und Ganzen einen zufriedenen Eindruck. Die Inspektion war beendet.
„Wir sehen uns dann in …“
Um nach der Uhrzeit zu sehen, neigte er den Kopf. In der dichten Behaarung seines linken Unterarms hatte ständig eine Gruppe von Glühwürmchen Dienst. Niemand wusste genau, was die in ihrem Leben ausgefressen hatten, um jetzt hier zu diesem Strafdienst verdonnert worden zu sein. Auf alle Fälle saßen sie fast ohne Unterbrechung tagein tagaus zwischen den schwarzen zotteligen Haaren und mussten immer wenn der Meister auf sie blickte, in Windeseile die aktuelle Uhrzeit in Zahlen darstellen. Vier hatten sich jetzt eilig zur Null aufgestellt, sieben zu einer Neun und zwei zu den Trennpunkten. Ärster guckte entgeistert und nahm den Arm höher, weil er nicht glauben konnte was er sah. Was war denn das? Hinter den Trennpunkten waren nur Haare zu sehen?
„Holla …“, rief er verstimmt und schüttelte dazu seinen Arm, „…was ist mit euch? Neun Uhr waaas …?“
Hastiges Rascheln und leises Fluchen war zu hören, dann schurrten Stühle über Holzdielen und schon kräuselten sich die Haare hinter dem Trennpunkt wo sich im nächsten Moment eine flackernde Zwölf bildete. Ärster bedachte sie mit einem strengen Blick.
„Noch einmal verschlafen und der freie Sonntag ist gestrichen …“
Die Zwölf nickte kollektiv, was Ärster wohlwollend aufnahm und sich noch einmal Geetnich und Machmanix zuwendete.
„Also in zwei Stunden, seht zu dass ihr fertig werdet.“
Einer nickte, der andere reckte seinen Daumen wortlos in die Luft und Ärster hob zum Abschied die Hand. Erst als die Tür hinter ihm wieder geschlossen war wich auch die knisternde Spannung. Geetnich atmete erleichtert auf wobei zwei Rauchwölkchen aus seinen Ohren aufstiegen.
„Das ist ja gerade noch mal gut gegangen.“
*
Auch durch noch so lautes Brüllen und Fluchen lassen sich bekanntlich verschwundene Gegenstände nicht wieder herbeischaffen. Vielleicht hatte Billbos Chef davon noch nie etwas gehört, denn er reagierte genau auf diese Art und Weise als er erfuhr dass der Bohrer einfach so mir nix dir nix, und allen anderen erst recht nix, verschwunden war und niemand wusste, wie, wohin und warum. Die Arbeiter hatten nur mit Händen in den Taschen dagestanden und mit den Schultern gezuckt. Ihre Aufgabe war es ja nur, mit dem Bohrer zu a r b e i t e n. Wenn aber kein Bohrer da war, gab’s auch nichts zu arbeiten. So einfach war die Sache für sie. Billbo dagegen hatte den Joker gezogen. Weil er nun mal für die technische Ausrüstung zuständig war, die ja jetzt zum größten Teil nicht mehr anwesend war, musste er sich zuerst das wütende Gebrüll und dann die Drohung seines Chefs anhören, dass der Bohrer unverzüglich, egal wie, wieder zu bohren habe, ansonsten den Zuständigen ein fürchterliches Unglück ereilen würde.
Hatte Billbo zuerst noch gehofft, dass der Verschwundene vielleicht doch wieder noch irgendwie auftauchte, wurde ihm langsam klar, dass sich diese Erwartung nicht erfüllen würde. Was blieb also zu tun? Den Bohrer suchen, aber wo? Da es an Deck und in der Luft ziemlich überschaubar war, bot sich als naheliegendste Möglichkeit tatsächlich nur noch an, unter ihnen im Meer nachzusehen. Was sich darin alles verstecken ließ, hatten vor ihm schon ganz andere entdeckt. Allerdings war das auch der unangenehmste und feuchteste Ort um nach verschwundenen Sachen zu suchen. Dachte er jedoch an seinen wütenden Chef, wurde ihm sofort klar, dass er keine andere Wahl hatte.
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