Nachdem die anderen zwei Runden gespielt hatten, sah Gareth Carly auffordernd an. „Spielen Sie Karten, Agent Clark?“
Carly schüttelte den Kopf. „Ewig nicht mehr. Ich würde nur alles verspielen, was ich habe.“
„Damals warst du ganz gut“, warf Siljan ein, der sich einen Ruck zu geben scheinen wollte.
Carly schüttelte den Kopf. „Spielt ruhig ohne mich. Ich wollte mir auch grade noch was zu trinken besorgen.“
Sie hob die leere Flasche in ihrer Hand und stand auf. Tate sah ihr dabei zu, wie sie zur Bar ging. Doch sie gab bloß ihre Flasche ab und suchte die Toiletten auf. Sie fühlte sich nicht wohl. Dazu musste man Carly nicht gut kennen, um das zu erkennen. Tate haderte mit sich, dass Gespräch zu ihr zu suchen. Wenn schon nicht über die verpatzen acht Jahre, die vergangen waren, dann über irgendetwas anderes. Sollte man vielleicht irgendwann die Vergangenheit ruhen lassen?
Andererseits war er zu wütend, wenn er wieder darüber nachdachte, welche Vorwürfe er sich all die Zeit gemacht hatte. Und hingegen seiner Vermutungen, war es Carly gut ergangen. Sie war mit einer vermeidlichen Mörderin unterwegs, auf der Flucht vor der Polizei. Nun arbeitete sie beim NSA, war verheiratet und schien ihr Leben im Griff zu haben.
Tate stieg eher aus, mit dem Vorwand, ein schlechtes Blatt zu haben und entschuldigte sich. Dann folgte er Carly in den seitlichen Gang, durch den es zu den Toiletten ging. Vor der Damentoilette blieb er stehen und wartete. Erneut fragte er sich, was er denn überhaupt sagen wollte. Er konnte nicht bloß so tun, als sei nie etwas gewesen. Und doch wollte er auch nicht, dass sie sich bei ihnen so fehl am Platz fühlte. Nach fünf Minuten sah er auf seine Uhr. Sie musste schon seit zehn Minuten weg sein. Sein Blick fiel auf den Hinterausgang. Es würde ihr fast ähnlich sehen, einfach zu verschwinden. Rasch tadelte er sich für seine Gedanken. Es war nicht fair, ihr das nun auch noch nach zuhalten. Doch als Carly auch nach weiteren fünf Minuten nicht kam und er auch keine andere Frau ein, oder aus hatte gehen sehen, trat er langsam ein.
Am Waschbecken hörte er Wasser rauschen. Carly rieb sich das Wasser über die Arme und den Nacken, wieder und wieder. Als sie Tate im Spiegel entdeckte, zuckte sie erschrocken zusammen und fuhr herum. „Was machst du hier?“
Tate fühle sich peinlich berührt, als er sich darüber bewusst wurde, dass er gerade eine Damentoilette betreten hatte. Er hob beide Hände und wollte sich schon herum drehen, doch dann blieb er doch stehen und sah sie seufzend an. „Ich wollte bloß... geht es dir gut?“
Carly runzelte die Stirn und schnaubte. „Ja.“
Sie stellte das Wasser aus und tupfte sich schließlich mit Tüchern die Arme trocken. Es war nicht heiß und er hätte zuvor nicht feststellen können, dass Carly all zu warm war. Carly räusperte sich und zuckte die Schultern. „Bist du nur deswegen hier?“
Tate nickte, obwohl es völlig anders war. Er wusste nicht, warum er ihr gefolgt war. Was er sich erhofft hatte. Vielleicht hatte er doch mit ihr reden wollen. Er wollte mit ihr reden, doch worüber? Über die Vergangenheit? Darüber, dass sie einfach verschwunden war und er sich all die Jahre Sorgen gemacht hatte?
Tate schnaubte. „Hör zu, ich... du musst dich nicht...“ „Schon ok“, fiel sie ihm ins Wort und nickte.
Dann senkte sie den Blick und stieß sich vom Waschbecken ab, an dem sie gelehnt hatte. „Ich bleibe ohne hin nicht lange. Ich schätze, es war eine blöde Idee. Tut mir leid.“ Tate vertrat ihr den Weg. „Du musst nicht gehen. Nicht wegen mir.“
Carly stieß einen säuerlichen Laut aus. Sie sah verbittert zu ihm auf. „Du bist doch nicht der einzige, der mich hier nicht haben will, Tate.“
Tate verzog die Lippen. „Kannst du es nicht verstehen? Sie haben sich damals ziemliche Sorgen gemacht, als du verschwunden bist.“
„Siljan, ja. Aber Gage...“
„Aleah“, sagte Tate knapp. „Sie hat ziemlich daran zu knabbern gehabt.“
Carly wendete wieder den Blick ab. Tate schob seine Hände in die Hosentaschen. „Ich im Übrigen auch.“
Nun sah sie wieder zu ihm auf, ihre Augen funkelten, als sie den Kopf schüttelte. „Du hast dich für deinen Job entschieden, Tate. Und es war auch besser so.“
„Ich habe…“ Tate schnaubte. „Ich habe nie gesagt, dass ich nicht mit dir zusammen sein wollte, Carly.“
Sie verzog die Lippen und sah zur Tür. „Könnte ich bitte vorbei?“ „Nein.“ Tate schritt etwas zur Seite, so dass sie keine Chance hatte, an ihm vorbei zu kommen.
Carly hob eine Braue. „Was willst du von mir hören, Tate? Das es mir leid tut?“ Sie zuckte die Schultern. „Mein Vater hatte Recht. Es wäre niemals gut gegangen, das mit uns.“
Tate sah sie an, als hätte sie ihn geohrfeigt. „Dein Vater hatte Recht? Soweit ich mich erinnere, bist du hauptsächlich wegen ihm weg gelaufen, richtig?“
„Und es war dumm.“
Tate musterte sie. „Dann hat er dich also absichtlich von Saint Louis und mir fern gehalten.“
„Ich hatte dort keine Zukunft.“ „Und wie ging es dann weiter?“
„Das spielt doch keine Rolle. Und jetzt lass mich gehen“, entgegnete sie schnippisch.
Tate lachte höhnisch. „Doch, für mich spielt es eine Rolle. Ich habe mir Vorwürfe gemacht, Carly. Ich hatte keine Ahnung, dass dich dein Vater überhaupt wieder gefunden hat.“ „Wir wollten das nicht.“
Als sie wir sagte, verkrampfte sich sein Magen. Wir wollten das nicht? Sie war so verdammt wütend auf ihren Vater, hatte ihn dafür gehasst, dass er einen Keil zwischen sie getrieben hatte. Und dann verbündete sie sich mit ihm? Tate begriff es nicht.
„Warst du wirklich so wütend darüber?“ fragte er nun. „Nein. Denn es war zu erwarten gewesen.“
„Oh bitte.“ Er grunzte.
„Es war ja nicht das erste Mal, dass du mich vergessen hast.“
„Ich war ein Junge, Carly. Ich habe das getan, was man von mir verlangt hat und... für mich zählten, seit Beginn der Akademie, andere Dinge. Und für dich ja scheinbar auch.“
„Und das soll vor acht Jahren anders gewesen sein?“ sie verschränkte die Arme vor der Brust.
Tate sah sie wütend an „Es nicht fair.“
„Was ist schon fair?“ schnaubte Carly kühl und nickte zur Tür. „Und jetzt mach dich aus dem Weg.“
Sie schob ihn zur Seite. Tate packte sie am Handgelenk. Als sich Carly zur Wehr setzte, presste er sie gegen die Wand. „Was ist in den vergangenen acht Jahren passiert, dass du so geworden bist?“
„Ach“, schnalzte sie bissig. „Wie bin ich denn geworden?“ Er hatte sie kaum wieder erkannt, als sie in den ersten zwei Tagen zusammen gearbeitet hatten. Ihre unterkühlte und abgeklärte Art, sah Carly ganz und gar nicht ähnlich. Zumindest nicht der, die er vor acht Jahren kannte. Er ließ sie los und atmete tief durch.
„Es tut mir leid, was ich gesagt habe. Ich habe nie gewollt, dass es so kommt.“
„Es wäre ohne hin passiert“, flüsterte Carly und riss die Tür auf. Tate folgte ihr zu den anderen zurück, wo sie ihre Jacke vom Stuhl holte. Dann erstarrte sie.
„Tate, guck mal wen wir hier noch haben. Du kennst doch sicher noch Landon?“ Siljan stand bei einem rotblonden Mann, in schwarzem Anzug.
„Ich bleibe nicht lange“, sagte Landon und nickte Tate zu. „Lange her, Brewster.“
„Landon? Was... was machst du hier?“ Tate runzelte die Stirn.
Landon nickte. „Ich wollte lediglich meine Frau abholen.“ Er sah Carly abschätzig an. „Pack deine Sachen, ich nehme dich mit ins Hotel.“
Es war als hätte man ihn mit der Abrissbirne erwischt. Tate stand da, wie vom Donner gerührt. Langsam begann er zu begreifen. Clark, Landon Clark. Carly hatte Landon geheiratet? Aber warum zum Teufel? Und wann hatten sie sich wieder getroffen?
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