„Vergiss nicht, wozu wir hier sind, Slaughter.“
Cerys rollte mit den Augen. „Ich schätze, du kannst dich über meine Arbeit nicht beschweren, oder? Also kann ich in den zehn Stunden, die ich frei habe, meinen Interessen nachgehen, ohne dass du dich daran stören solltest.“
Carly lüpfte eine Braue. „So schnippische Worte, aus deinem Mund?“
„Dir würde es auch wirklich mal gut tun, was anderes zu sehen.“ Sie wendete sich dem Tisch zu und studierte weitere Informationen, die sie rein bekommen hatten. Carly fragte sich, ob Siljan Cerys von ihrer Vergangenheit erzählt hatte und sie deswegen gerade so schnippisch war.
Siljan war ja allem Anschein nach auch nicht gut auf sie zu sprechen. Zugegeben, sie hätte sich von ihrem Team verabschieden sollen. Sie hätte ihnen einen Brief, oder irgendetwas da lassen sollen, oder sie anrufen sollen. Eigentlich hatte sie das auch vorgehabt, wenn Amber und sie irgendwo zur Ruhe gekommen waren. Doch so weit war es nie gekommen. Und wieder bereute Carly, nicht über das Geschehene reden zu können. Sie hätte nie damit gerechnet, dass sie ihre Vergangenheit mal wie ein Vorschlaghammer einholen und umhauen würde.
Als sie am Hotel zurück waren, war die Stimmung zwischen Cerys und Carly etwas angespannt. Aiden hatte sie seit dem Vormittag nicht mehr gesehen, als er den Abbruch des Verhörs verhindern wollte. Sie hoffte, dass alles gut gegangen war und nichts in der übrigen Planung schief lief. Im Aufzug schob Carly seufzend ihre Hände in die Hosentaschen und sah Cerys lange an. Schließlich schürzte sie die Lippen. „Es tut mir leid. Du hast recht, was du in deiner Freizeit machst, geht mich nichts an.“
Cerys sah ihr entgegen und verschränkte die Arme vor der Brust. „Weißt du, als ich angefangen habe, habe ich dich echt bewundert. Du bist ein fabelhafter Agent, machst einen großartigen Job. Aber weißt du, was ich mittlerweile erkannt habe?“
Carly schnaubte. „Will ich das wirklich wissen?“
Sie lehnte sich an die Wand der Aufzugkabine.
„Du bist viel zu verbissen, Carly. Du bist ... was? Fünfundzwanzig? Ist das alles, was du vom Leben erwartest?“ Cerys sah sie fragend an.
Carly lehnte den Kopf zurück und sah an die Decke. „Glaub mir, ich habe mir das nicht so ausgesucht.“
„Ich weiß, Siljan hat mir davon erzählt.“
Carly schnaubte. „Das war zu erwarten.“
„Aber wenn du all das nie gewollt hast, warum bist du dann doch zur NSA gegangen?“
Carly zuckte die Schultern „Ich schätze, ich hatte keine andere Wahl.“
Cerys schien darüber nachzudenken. „Und nur deinem Vater zuliebe, hast du dein Leben einfach... aufgegeben?“
„So ist das nicht.“
„Wie dann?“
„Es ist kompliziert.“
Cerys nickte langsam. Eine Weile standen sie schweigend da, bis der Fahrstuhl ihr Stockwerk erreichte. Als sie ihre Zimmer erreichten, blieb Cerys an der Tür stehen. „Komm mit. Nur diesen einen Abend.“
Carly kramte ihren Schlüssel aus der Tasche. „Glaub mir, das ist keine gute Idee und Siljan würde mich dort auch nicht sehen wollen. Euer Abend wäre also ohne mich entspannter.“
„Das glaube ich nicht. Er ist sauer, aber... ich glaube er hatte dich echt gerne.“
Carly schnaubte. Ein Anflug von Bedauern, machte sich in ihr breit. Denn ihr ging es genauso. Sie hatte ihn echt gerne. „Möglich.“
„Komm mit. Komm schon, Clark. Ich werde dich danach zu nichts mehr zwingen, nie wieder.“
Carly lachte. „Das kannst du eh nicht.“
„Aber ich kann dir auf den Nerv gehen.“ Cerys grinste.
Carly rollte mit den Augen. „Das kannst du wohl.“
„Also?“
„Das ist keine gute Idee...“
„Komm schon, bitte, Carly. Bitte!“
Carly seufzte. Es war keine gute Idee. Und trotzdem spürte Carly, wie sie nickte. Cerys zwinkerte ihr zu. „Das wird ein grandioser Abend, du wirst sehen.“
Sie schloss die Tür zu ihrem Zimmer auf. „Also in einer halben Stunde. Beeil dich, ja?“
„Ja, ja.“ Carly seufzte, als auch sie ihre Tür öffnete. Als sie im Zimmer war und die Tür geschlossen hatte, lehnte sie sich dagegen und legte den Kopf zurück. Worauf hatte sie sich da nur eingelassen?
Tate
„Pack endlich das Kartenspiel aus“, sagte Buck ungeduldig. Gareth schnaubte. „Du bist echt heiß darauf, dein Gehalt an mich zu verspielen, was?“
„Neue Runde“, sagte Jules, eine der Kellnerinnen, und stellte mehrere neue Flaschen Bier auf dem Tisch ab. Morgan drückte ihr einen Schein in die Hand. „Versorg uns damit, ja? Wenn es nicht mehr reicht, sag Bescheid.“
Die Kellnerin nickte lachend, als sie den Schein in ihrer Hand betrachtete. „Ihr habt also einen langen Abend geplant?“
„Kann man so sagen.“ Morgan grinste.
Man kannte die Runde bereits, in ihrem Stammlokal. Tate schüttelte seufzend den Kopf. „Morgen müssen wir früh auf der Matte stehen.“
„Ich hab frei.“ Morgan hob die neue Flasche Bier an und grinste. „Ist muss mir also euer halbtrunkenes Gequatsche, morgen früh, nicht anhören.“
Gareth begann die Karten zu mischen und sah auf die Uhr. „Wo bleibt Sil?“
„Er holt noch jemanden ab.“ Dale grinste. „Die Hübsche, vom NSA, scheint es dem Kleinen ordentlich angetan zu haben.“
Gage lachte. „Er redet von nichts anderem mehr. Er wollte auch unbedingt selbst in die Besprechung, um die Neuigkeiten über den Verhör zu übermitteln.“
„Tja, jetzt wissen wir ja auch, warum er das wollte.“ Morgan kicherte.
Tate trank an sein viertes Bier leer und nahm sich eine neue Flasche. „Lasst ihn. Soll er sich ruhig mal was austoben.“
„Tja, wenn er nicht aufpasst, verdreht sie ihm ordentlich den Kopf“, warnte Gareth. „Und das dürfte nicht einfach sein, wenn die Kleine vor hat, zurück nach Maryland zu reisen.“
„Fort Meade ist keine Weltreise. Aber soweit sollte man noch gar nicht denken.“
„Warten wie es ab.“ Gareth stieß mit ihm an.
Dale teilt die nächste Runde Karten aus. Dann bemerkte Tate Dales verblüfften Gesichtsausdruck und drehte den Kopf zur Tür.
„Ist das Agent Stock- im- Arsch, Clark?“ Morgan lachte.
Das war sie tatsächlich. Tate stieß frustriert den Atem aus. Und auch er hätte Carly um ein Haar nicht erkannt. Sie trug eine enge Jeans und eine schwarze Bluse, mit langem Arm. Ihre rotblonden Haare lagen offen über ihren Schultern. Es war ein so völlig anderes Bild, als das, was man aus dem Pentagon von ihr kannte.
Er war ganz froh gewesen, Carly in den letzten Tagen aus dem Weg gehen zu können. Besonders hier hätte er am wenigsten mit ihr gerechnet. Siljan machte ebenfalls keinen sehr glücklichen Gesichtsausdruck, als er mit den beiden Frauen zum Tisch rüber kam. Cerys grüßte fröhlich in die Runde. „Hallo zusammen!“
„Hi.“ Dale lächelte und sah von ihr zu Carly. „Agent Clark, ich bin ziemlich überrascht, Sie hier zu sehen.“
Carly zuckte die Schultern und warf Tate einen zögerlichen Blick zu. „Ich... wurde genötigt.“
„Ich wollte sie nicht alleine im Hotel zurück lassen.“ Cerys grinste und nahm zwischen Siljan und Gareth Platz. Carly holte sich einen Stuhl dazu und setzte sich etwas außerhalb des Kreises, halb neben Gage.
„Oh, ihr spielt Karten.“ Cerys grinste und fand sich schnell in die Gruppe ein. Tate beobachtete, wie Carly eher passiv daneben saß. Sie fühlte sich sichtlich unwohl und er fragte sich, wozu sie sich überhaupt hatte überreden lassen. Ein seltsames Gefühl breitete sich in seinem Magen aus. Sie hatten noch immer nicht darüber geredet, was in den letzten acht Jahren schief gelaufen war. Und es fiel ihm schwer, nun mit ihr an einem Tisch zu sitzen und so zu tun, als sei nie etwas gewesen. Doch er konnte Gage und Siljan ansehen, dass es ihnen ähnlich ging.
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