„Gute Idee, ich komme mit“, bot Gareth an.
Dale nickte. „Ich frage Liz mal, ob sie was zu futtern besorgen kann.“
Als er Tate einen Blick zu warf, runzelte er die Stirn und senkte die Stimme. „Geht es dir gut? Bist was blass um die Nase.“
„Ja... ja.“ Tates Stimme war heißer. Er hatte jede Hoffnung aufgegeben, sie je wieder zu sehen. Und nun stand sie hier vor ihm, als Mitarbeiterin und Vertreterin der NSA.
„Ich hol dir nen Kaffee mit, Junge.“ Dale klopfte ihm auf die Schulter und schloss sich den andere an. Blanche schien vorerst ebenfalls die Nase voll zu haben, von Carlys bissigen Bemerkungen. Sie schlenderte neben Gage und Amaury her, während sie auf den Flur gingen.
Colonel Prick studierte bereits wichtige Informationen über die Partisanen, die ihm die anderen Agenten der NSA erläuterten und ausführten. Tate schob seine Hände in die Hosentaschen und ging langsam auf Carly zu. Er wollte unbedingt etwas sagen, wusste jedoch nicht was. Acht verfluchte Jahre war es her, dass sie angerufen und Lebewohl gesagt hatte. Acht scheiß Jahre, in denen er Schuldgefühle in sich herum trug. Und nun stand sie einfach da. Am liebsten würde er sie anbrüllen. Wo war sie all die Jahre gewesen?
„Carly?“ Tate räusperte sich. Carly sah zu ihm auf und lächelte zurückhalten, müde, ausgezerrt. „Hi.“
Tate nickte. „Ist... echt lange her.“
„Ja.“ Sie wühlte in ihrer Tasche. Dann fuhr sie mit einer Hand über ihr Haar und schloss die Tasche wieder. „Entschuldige mich bitte.“
Sie ging an ihm vorbei in den Flur. Tate nahm die Verfolgung auf. Als sie den Flur erreicht hatten, konnte er kaum an sich halten. „Acht Jahre und das ist alles, was du zu sagen hast?“
Carly drehte sich zu ihm herum. Sie faltete die Hände vor ihrem Bauch zusammen und zuckte die Schultern. „Was willst du den noch hören?“
Tate starrte sie fassungslos an. Dann fiel sein Blick wieder auf ihren Ehering. „Du bist jetzt also verheiratet?“ Carly zuckte kaum merklich zusammen und versteckte den Ring gleich unter der anderen Hand. Dennoch nickte sie, wenn auch zögerlich. „Ja, bin ich.“
Sie fühlte sich dabei nicht wohl. Wie gerne würde sie es erklären. Wie hatte sie auch so naiv sein können, damit nicht zu rechnen? Das hatte ja irgendwann passieren müssen. Es war abzusehen. Trotzdem traf es sie, wie eine Abrissbirne.
„Carly!“ Gage kam mit einem Becher mit Kaffee zurück.
Carly lächelte matt. „Hi, Gage.“
„Mann... wo hast du.. .wie...“ Er schnaubte. „Ich bin echt von den Socken.“
Carly sah zwischen Tate und Gage hin und her. „Ihr arbeitet jetzt also für´s FBI?“
„Ja.“ Gage sah auf ihr Schild. „Und du bist beim NSA? Wow, man, ich meine, ich dachte du wolltest das nicht. Du... du warst weg. Ich dachte…“
„Ja.“ Unterbrach sie ihn schnell und rang sich ein Lächeln ab. „Tja, manchmal verändern sich im Leben eben doch viele Dinge.“
Sie warf Tate einen kurzen Blick zu, dann verschwand sie zu einer Tür, dessen Schild die Toiletten anzeigte. Tate und Gage blieben ratlos zurück. Gage fuhr mit einer Hand über seinen Kopf. „Man, wenn das...“ Er schüttelte den Kopf. „Aleah sollte das nicht erfahren, ok? Sie hat mit der Schwangerschaft genug um die Ohren.“
„Klar.“ Tate nickte. Dann legte ihm Gage die Hand auf die Schulter. „Wie geht’s dir?“
„Das fragst du noch?“ Tate atmete schwer. „Sie taucht hier aus dem Nichts auf und... ich kapiere es einfach nicht.“
„Ja.“ Gage runzelte die Stirn. „Ich habe sie auf der Akademie nicht mehr gesehen. Wie hat sie es so weit schaffen können? Besonders, nachdem sie in Saint Louis einfach abgehauen ist? Das ist Ungehorsam ersten Grades... man, kein anderer hätte je wieder die Möglichkeit bekommen, ins Militär einzusteigen.“
Tate runzelte die Stirn. „Es sei denn, sein Vater hat das nötige Vitamin B.“
„Sie war wütend auf ihren Vater. Das ergäbe so gar keinen Sinn. Warum hätte sie sich doch einlassen sollen?“
„Vielleicht war es eine Voraussetzung dafür. Der Schlussstrich.“ Tate schnalzte. „Und so, wie wir auseinander gegangen sind, würde es mich nicht wundern, wenn sie die Chance ergriffen hätte.“
Gage schnaubte. Weder er noch Tate konnten fassen, was da gerade passiert war. Es war beinahe so, als sei sie gestorben. All die Jahre hatten sie nicht den geringsten Kontakt zueinander. Tate war sich so sicher, sie nie wieder zu sehen. Doch da schien er sich gewaltig geirrt zu haben.
Carly
Carly atmete tief durch. Sie hielt ihre Hände und Unterarme unter das kalte Wasser des Wasserhahns. Dann tätschelte sie sich Wasser ins Gesicht. Für einen Moment dachte sie zuvor, sie würde einfach umkippen. In ihrem Kopf hatte sich alles gedreht. Er hatte sich etwas verändert. Er war breiter, muskulöser und größer geworden, reifer, seine Züge markanter, männlicher. Er trug einen leichten Bart. Carly hielt sich am Rand des Waschbeckens fest und atmete tief ein. Sie atmete und zählte bis zehn. Jetzt bloß nicht noch eine Panikattacke. Das konnte sie beim besten Willen nicht gebrauchen.
Jemand packte sie am Arm und riss sie herum. Carly zuckte zusammen. „Amb...“
Amber schlug ihr die Hand auf den Mund und bedeutete ihr leise zu sein. Dann stellte sie sich neben sie an das Waschbecken. „Was denkst du, was du da tust?“
„Was ich...?“ Carly sah sich hektisch um. „Wie bist du hier rein gekommen? Die kontrollieren ziemlich scharf am Eingang.“
Amber zog eine Braue hoch. Carly nickte genervt. „Schön, ich habe das nicht geplant. Hätte ich gewusst...“
„Hättest du dich gedrückt? Sehr reif.“
„Ich tue mein Bestes, mit dieser Situation umzugehen, ja?“ zischte sie Amber an.
Amber schnaubte und blickte Carly nun direkt an. „Vergiss den Plan nicht, Lynn.“
Carly nickte. Dann atmete sie tief durch. „Ich will das nicht.“
„Was?“
„Nenn mich Carly.“
Gerade als Amber etwas erwidern wollte, kam jemand herein. Beide taten so als würden sie die Hände waschen. Amber packte ihre Schminke aus. Carly trocknete ihre Hände. Es war so, als würden sie einander nicht kennen. Cerys zwinkerte Carly zu und grüßte Amber höflich. Sie kannten einander nicht. Und es war wichtig, dass Cerys die Verbindung zwischen Carly und Amber ebenso nicht kannte.
Als sie auf die Toilette verschwunden war, gab Carly Amber ein Zeichen und verschwand. Amber drehte sich weg und blinzelte zwei Mal, ehe sie ihre Wangen puderte. Das war ihre stumme Bestätigung. Carly fragte sich, wie sie überhaupt so leichtsinnig sein konnte, sich dort blicken zu lassen. Auch wenn sie irgendwie froh war, sie in ihrer Nähe zu haben. Es war viel zu riskant. Sollte sie jemand erkennen, wäre auch Carlys Tarnung sofort dahin.
Amber hatte vor fünf Jahren einen Tod vorgetäuscht, den selbst Carly ihr abgekauft hatte. Carly wollte gar nicht darüber nachdenken, dass sie dafür eine Frau verbrannt hatte, die genau auf ihre Maße angepasst war, um es glaubwürdig zu machen.
Carly konnte sich noch an das grausame Gefühl erinnern, als sie hilflos dabei zusehen musste, wie der letzte Mensch, der sie davon abhielt, den Verstand zu verlieren, in einem Autofrack verbrannte, welches eine tiefe Böschung hinab gestürzt war. Denn auch sie hielt Ambers Tod für echt. Erst ein Jahr später war Amber wieder aufgetaucht und hatte Carly aus einem inneren Sumpf heraus gezerrt, in dem sie sonst versunken wäre. Ertrunken in dem Dasein als Viper. Carly hatte sich zuerst dagegen gewehrt, doch dann zeigte ihr Amber die Akte eines Mordfalls, der nie aufgedeckt wurde.
Der ihrer Mutter. Sie schauderte und schüttelte die Gedanken aus ihrem Kopf. Als Carly in den Besprechungsraum zurückkam, wurde der Raum bereits mit dem Geruch von frischem Kaffee erfüllt. Jemand hatte einige Kannen und Tassen auf den Tisch, welcher an der Wand stand, gestellt. Daneben befanden sich Zucker und Milch. Carly bediente sich und gesellte sich wieder an den Tisch dazu, an dem gearbeitet wurde. Aiden Mora war gerade dabei, Prick und Oconnel die Grundprinzipien der AD´V´C zu erklären. Carly stellte sich dazu und rieb ihr Kinn. Sie warf einen Blick über die Blätter. Aiden führte alle möglichen Vorkommnisse auf. Doch Carly fragte sich, was die anderen tatsächlich ohne ihr Bei tun, über diese Organisation wussten? Denn nur anhand dessen, konnte Carly wirklich ihre Arbeit erledigen. Wenn ihr niemand in die Quere kam. Sie sah zu Tate rüber, der sich mit einem Kollegen, der etwas älter war, eine Akte durchlas. Hoffentlich würde das, oder vielmehr er, nicht zum Problem werden.
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