„Wer aber, wie ich, zum Einen gerne isst und zum Anderen rudimentäre Kenntnisse über Seefahrt hat ...“, fuhr Hansen beschwingt fort „…der weiß, dass Tomaten, Paprika und Kartoffeln erst gegen 1500 von Kolumbus nach Europa eingeführt wurden und somit hier im Mittelalter unbekannt waren.“ Köppcke deutete eine Verbeugung an und prostete seinem Chef zu: „Ihr wart wieder einmal der Klügste und habt kühnen Kopf bewiesen, Junker Hansen!“ Lachend erhob der Hauptkommissar auch sein Horn: „Nenne er mich endlich Junker Knut – schließlich trinken wir Schulter an Schulter Met aus Hörnern, DAS tue ich nicht mit jedem. Wie sieht‘s aus, machen wir den Mönch mit dem Fass ausfindig und füllen nochmal nach?“ Köppcke hakte seinen Chef ein und gemeinsam wandten sie sich dem Abstieg zu. „Das ist ein Wort! Und danach rufe ich Jungfer Susie, auf dass sie uns abholen komme.“ Hauptkommissar Hansen fühlte sich gut wie lange nicht mehr: „Au ja – Ein Hoch auf Jungfer Susie für diesen wunderbaren, fremdartigen Tag!“
Kapitel 5Fall 5: Gemälderaub im Strandhotel
„Hmmm … Brötchen.“ Knut Hansen hatte wegen einer nervigen Steuerbetrugs-Angelegenheit im Kieler Stadtteil Strande ermittelt. Die Ermittlungen waren nach wochenlanger Kleinarbeit erfolgreich zu Ende gegangen und eine letzte abschließende Befragung hatte den Kommissar ins Strandhotel ‚Hof Ostsee‘ geführt. Beim Verlassen des Hotels war er durch die falsche Tür gegangen, stand nun im Speiseraum des Hotels und sog den Geruch von Kaffee und frischen Brötchen in sich auf. Ein freundliches Schild über dem Eingang wies darauf hin, dass das Frühstücksbuffet auch ‚Nichtgästen‘ zur Verfügung stehe und führte damit den Gedanken zu Ende, den der Geruch in Hansen ausgelöst hatte. Er blickte auf sein Handy. Die Mitteilung ‚15 Nachrichten‘ auf dem Display deprimierte ihn, daher schaltete er es aus und suchte sich einen schönen Tisch mit Strandblick am Fenster. Es war zurzeit die Hölle los im Präsidium und seit Wochen hatte er schon nicht mehr in Ruhe gefrühstückt. Das Geräusch des Messers im knusprigen Brötchen klang wie klassische Musik in seinen Ohren und beim Aufstreichen der Marmelade fühlte er sich wie ein Künstler, der gerade den letzten Pinselstrich vollführte. „Babababababam, getroffen!“, der Kommissar wurde jäh aus seinem Tagtraum gerissen und fast wäre ihm das Brötchen aus der Hand gefallen, als ein blonder Junge im Camouflage-Kampfanzug mit einem riesenhaften Plastikgewehr direkt in ihn hineinlief. Dieser ‚schoss‘ auf einen ebenfalls schwer gerüsteten Jungen mit schwarzen Haaren und dunklem Teint am anderen Ende des Saals.
Ohne eine Entschuldigung stieß sich der Junge vom Inspektor ab und lief schnurstracks auf den anderen Jungen zu. „Leutnant Murat – fertig machen zur Operation Strandkorb.“ Der dunklere Junge brüllte zurück: „Alles klar, Commander Jan!“ und beide liefen in Richtung Ausgang, wobei sie unter lautem Getöse die Schwingtür zum Speiseraum aufstießen. Durch das Fenster konnte Hansen die beiden am Strand beobachten. Sie hatten die Waffen getauscht gegen Kompass, Fernglas und Schreibblock und veranstalteten wohl eine Art Schatzsuche zwischen den Strandkörben. Von den Erholung suchenden Kurgästen am Strand ließen sich die beiden nicht stören, während sie lautstark von einem Strandkorb zum anderen tobten.
Der Kommissar lächelte, denn er musste an seine Kindheit auf Langeoog denken. Diese hatte er hauptsächlich damit zugebracht, auf den Fischkuttern zu helfen oder Kriminalromane zu lesen, aber einige Male hatte auch er mit den größeren Jungen Piraten gespielt. Zwar waren die ‚Waffen‘ damals selbst gebaut aus Ästen und Strandgut – aber im Kern hatte er den Eindruck, dass sich nicht viel geändert hatte. Er trank seinen zweiten Kaffee aus, stand auf und schlenderte gut gelaunt zur Garderobe. Während er noch versuchte aus mehreren nahezu identischen Jacken seine eigene herauszusuchen, wurde er unfreiwillig Zeuge eines Gespräches an der Rezeption. Eine Frau und ein Mann flüsterten aufgebracht: „Nicht schon wieder … das kann doch nicht angehen!“ „Doch! Der ‚Leuchtturm‘ im Flur und die ‚Segelschiffe‘ im Klo“. „Und mit Botschaft, wie immer?“ „Ja, der gleiche Unsinn wie bei den anderen …“
Der Inspektor wusste nicht, wie oft in seiner Amtslaufbahn er schon ‚zufällig‘ Zeuge solcher Gespräche geworden war. Er hatte seine eigene Theorie darüber, dass sich diese Leute unbewusst besonders auffällig verhielten in der Hoffnung, dass jemand sie bei der Hand nähme und das Problem für sie löse. Langsam näherte er sich der Rezeption und hörte gerade noch: „Polizei? Unsinn, die lachen uns aus.“
‚Bekäme ich nur einen Euro für jeden Auftritt zur richtigen Zeit‘, dachte er, seufzte und trat dramatisch zwischen den Mänteln in der Garderobe hervor. „Hauptkommissar Knut Hansen mein Name, wie kann ich Ihnen helfen?“ Die beiden Flüsterer – die sich als der Hotelmanager, ein stämmiger Mann namens Gustav Wilkens, und die Hauswirtschafterin Bärbel Winter herausstellten – stierten den Kommissar eine gefühlte Ewigkeit wie einen Poltergeist an, bevor sich Wilkens als erster wieder ansatzweise in den Griff bekam: „Was, Wie? Wo kommen Sie denn …? Ach Herr Kommissar – es ist einfach lächerlich, aber wir wissen nicht weiter. Kommen Sie doch bitte mit ins Büro.“
Kaum hatte er die Bürotür hinter sich geschlossen, redete Wilkens erregt weiter: „Es ist eigentlich ein echter Witz: Angefangen hat es letztes Jahr. Plötzlich verschwanden Bilder von den Hotelwänden. Hauptsächlich in den frei zugänglichen Räumen, aber auch ein- oder zweimal aus Hotelzimmern. Glücklicherweise wurde es immer zuerst vom Personal bemerkt – nicht auszudenken, wenn ein Gast von diesem Skandal Wind bekommen hätte.“ Hansen lehnte sich zurück: „Naja, Skandal würde ich das ja nun nicht nennen ...“. „Sie leiten ja auch kein Hotel – Inspektor. Sie können mir glauben, dass nur die bloße Andeutung, dass irgendetwas aus den Zimmern verschwindet – ganz egal was es ist – für ein Hotel den SuperGAU darstellt. Oder würden Sie IHRE Wertsachen einem Hotel anvertrauen, das das eigene Mobiliar nicht wiederfindet?“ „Gutes Argument“, musste Hansen einräumen. Jetzt schaltete sich Frau Winter ein: „Und die Bilder sind ja nicht einfach nur weg – sondern da tanzt uns auch noch jemand auf der Nase herum …“, sie öffnete eine Schublade und holte einen Stapel Zettel heraus, die alle gleich beschriftet waren. Es waren DIN A4 Kopien eines aus Zeitungsschnipseln zusammengesetzten Textes. Da stand:
BAUM ZU HOCH. HO!
DIE KATZE IST DA.
DIE MAUS IST TOT.
DA SIEHST DU!
Kommissar Hansen steckte sich die Pfeife in den Mund. „Aha, hmm. Macht das für Sie irgendeinen Sinn?“ Der Hotelmanager starrte ihn an und schüttelte geistesabwesend den Kopf. „Überhaupt nicht. Verzeihen Sie, Kommissar, aber Rauchen ist im gesamten Hotelbereich verboten.“ „Ich rauche nicht, ich denke – erzählen Sie weiter“, antwortete Hansen und schob die Pfeife, die seit vielen Jahren nicht mehr angezündet worden war in den anderen Mundwinkel. „Da gibt es nicht mehr viel zu erzählen: Die Diebstähle rissen über Winter ab. Wir ersetzten insgesamt 17 Bilder und dachten, das Thema wäre vom Tisch. Vor zwei Wochen ging es dann wieder los und seitdem sind wieder 6 Bilder verschwunden und jedes Mal hing dieser verfluchte Zettel da.“ „Was waren die Bilder denn wert?“, fragte Hansen, den die Geschichte langsam zu interessieren begann. „Das ist ja das Verrückte – das sind alles günstige Drucke,wenn‘s hoch kommt, sind die Bilder alle zusammen 300 Euro wert.
Der Schaden für uns ist aber weitaus größer, weil einerseits die zu den Hotelfarben passenden Rahmen ziemlich teuer sind und zudem die meisten der im letzten Jahr entwendeten Bilder noch aus der Zeit der Hoteleröffnung stammten und daher für die Geschäftsleitung einigen sentimentalen Wert haben. Sie können uns glauben, wir stehen vor einem absoluten Rätsel. Letztes Jahr waren wir schon fast sicher, dass unser Mitbewerber Hermann Ralke vom ‚Haus Seeblick‘ das irgendwie eingefädelt hat, aber der ist Anfang diesen Jahres in den Ruhestand gegangen und hat sein Hotel geschlossen. Es macht mich wahnsinnig. Im Moment sind 9 Zimmer gebucht für insgesamt 20 Gäste im Hotel – alles Stammgäste – und einer davon stiehlt uns vermutlich unsere Bilder …“
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