Kim lehnte sich auf dem Gartenstuhl zurück. »Sie telefonieren hin und wieder miteinander, aber das ist jetzt das erste Mal, dass Susi wieder nach Alice kommt, seitdem sie nach Perth weggezogen ist.«
Steven grinste breit. »Und man kann nicht sagen, dass ihr die letzten Jahre geschadet haben.«
Er sah seine Frau an und zwinkerte ihr zu. »Ich hätte ja gerne den Fremdenführerdienst für Paul übernommen, aber Kim hat mir mit der Scheidung gedroht.«
Die lachte laut auf. »In Wirklichkeit machst du noch einen größeren Bogen um Susi als Paul.«
Sie sah Hetty an und erklärte. »Susi hat nämlich einen ganz großen Makel, den Männer überhaupt nicht leiden können. Sie ist nämlich nicht nur richtig nett, sondern auch noch hochintelligent!«
Kapitel 2
Diese Tatsache hatte Hetty in den vergangenen Wochen nur bestätigen können. Sie hatte sich schon lange nicht mehr so gut unterhalten, wie mit Susi und war echt beeindruckt von deren umfassenden Allgemeinwissen. Als ihr diese dann auf Nachfrage erklärte, dass sie eine Professur für Betriebswirtschaft und Management an der Uni in Perth hatte, wäre sie allerdings fast von der Straße gefahren.
»Wie kommst du denn da mit deinen männlichen Studenten klar?« Hetty konnte sich die Frage beim besten Willen nicht verkneifen.
»Oh, die sind ganz lieb und brav. Zahm wie die Meerschweinchen.« Susi lächelte verschmitzt. »Es ist allen bekannt, dass mein fester Freund der Kleiderschrank ist, der die Rugbymannschaft trainiert und so gucken sie mich bloß mit einem Schafsblick an und trauen sich nicht, mir irgendwelche Avancen zu machen.«
»Ich habe gedacht du lebst als Single?« Hetty war irritiert.
»Ja, eigentlich schon, aber Steve bewohnt mit mir dasselbe Haus und da glauben natürlich alle, dass zwischen uns was läuft.«
Susi grinste. »Doch der ist ganz anders gelagert, nämlich schwul ohne Kompromisse. Das wäre allerdings für seine Karriere nicht ganz zuträglich und so haben wir dieses tolle Arrangement getroffen und damit beide unsere Ruhe.«
Sie seufzte. »Weißt du, ich habe die Nase von Männern ziemlich voll, die sehen in mir alle nur das Sexobjekt und was ich für ein Mensch bin interessiert keinen.«
Als sie bemerkte, dass Hetty die Augenbrauen gelüpft hatte, setzte sie hinzu. »Ich weiß schon, ich könnte mich etwas dezenter kleiden, aber glaubst du wirklich, dass ich weniger auffalle, wenn ich ein legeres Sportoutfit trage?«
Hetty zuckte mit den Schultern und musterte das grüne Top mit Spagettiträgern, welches die Oberweite noch mehr betonte und die hochgekrempelte enganliegende Shorts, in die kein Haar mehr gepasst hätte. »Na ja, ein Test wäre es wert. Was hältst du davon, wenn wir uns, sobald wir in Darwin angekommen sind, den Spaß machen und bummeln gehen? Du spielst das Opfer und ziehst alles an, was ich dir vorschlage und wenn ich etwas finde, dass dich in ein hässliches Entlein verwandelt, dann spendierst du den Eisbecher! Ansonsten bin ich dran mit Zahlemann und Söhne.«
Susi lachte. »Ich freu mich schon auf eine Riesenportion!«
Zunächst hatten sie allerdings noch einige andere Unternehmungen angedacht. Schließlich gab es auf ihrer geplanten Reiseroute auch noch interessantere Dinge zu sehen, als australische Kaufhäuser.
Sie hatten sich darauf geeinigt, einen Teil der Natursehenswürdigkeiten auf der Hinfahrt und den anderen Teil auf der Rückfahrt nach Alice zu erledigen. Dadurch würden die tausendfünfhundert Kilometer einfache Fahrtstrecke besser aufgeteilt und sie könnten zwischendrin immer wieder ein unterhaltsames Päuschen einlegen.
Die erste Etappe hatte sie gute sechshundert Kilometer durch das einsame und leere Outback mit seinem roten Sand, gelb vertrockneten Spinnifexgräsern und vereinzelten mageren Büschen bis zu den Devils Marbles geführt.
Als Hetty zusah wie Susi, mit einer bequemen Leggings bekleidet, eine der großen Steinkugeln hochkletterte, um sich dort oben von ihr fotografieren zu lassen, wurde ihr das erste Mal bewusst, dass der Eisbecher wohl doch auf ihr Konto gehen würden.
Diese Kurven ließen sich einfach nicht verbergen und konnten mit den Steinkugeln locker konkurrieren. Zumindest hatten die paar restlichen, männlichen Besucher an dem Platz, mit aufgerissenen Augen dieser Kletteraktion zugesehen und würden wohl auf Nachfrage mit Sicherheit eine detaillierte Beschreibung von Susis Hinteransicht abgeben können.
Hetty unterdrückte mühsam ein lautes Auflachen, als sie einen der beiden sagen hörte. »Teufel, Teufel!«
Woraufhin sein Kumpel ihn grinsend anstieß und meinte. »Jetzt wissen wir wenigstens, woher die Teufelsmurmeln ihren Namen haben!«
Susi war völlig unbeeindruckt weitergeklettert, obwohl sie am Abend Hetty lachend gestand, dass sie die Bemerkung auch gehört hatte. »Den Gag werde ich mir merken!«
Sie hatte zuvor eine unglaubliche Ausdauer beim Spazierengehen in der heißen Sonne bewiesen und keinerlei Anzeichen von Erschöpfung gezeigt.
Das Areal der Marbles erstreckte sich über gute zwei Quadratkilometer, auf denen die großen roten Steinmonolithen verstreut durch die Gegend lagen und den Fotografierenden an den Rand des Wahnsinns trieben, da es immer wieder eine Formation gab, die man noch nicht gesehen hatte und die unbedingt für immer und ewig festgehalten werden musste.
Doch Susi wirkte kein bisschen gelangweilt und folgte Hetty über die kleinen Saumpfade, die zwischen den Steinansammlungen hindurchführten und knipste genauso enthusiastisch wie diese. »Stell dir vor, ich bin noch nie hier in dieser Gegend gewesen.«
Als sie bemerkte, dass Hetty verblüfft dreinsah, fügte sie mit einem Schulterzucken hinzu. »Als ich mit Paul zusammen war, hat der gerade sein Geschäft aufgebaut und deswegen nicht soviel Zeit, um durch die Gegend zu fahren. Deshalb haben sich unsere Ausflüge auf das Gebiet rund um Alice beschränkt.«
Mit einem leisen Lächeln murmelte sie. »Er ist mit seiner Firma verheiratet und wenn man ihn liebt, muss man auch seine Werkstatt mögen. Und leider bin ich eben nicht unbedingt der Typ fürs Landleben. Zumindest sollte die nächste Großstadt nicht erst nach tausendfünfhundert Kilometern kommen.«
Sie seufzte. »Ich habe ihn immer noch sehr gerne, aber wir passen einfach nicht zusammen. Unsere Interessen gehen einfach nicht in die gleiche Richtung.«
Hetty nickte. Sie konnte das ganz gut nachvollziehen. So sehr sie das Outback liebte, nur hier mitten im Zentrum zu leben, war dann doch nicht das ihre. Und auch wenn sie gerne bei der Restauration ihres Campers geholfen hatte, andauernd in einer Autowerkstatt zu arbeiten, wäre nicht ihr Lebensziel gewesen. Ganz abgesehen davon, dass Paul zwar lieb und nett war und auch sehr gut aussah, aber ihm eben das Gewisse Etwas fehlte, das sie bis vor kurzem nicht hatte benennen können.
Inzwischen wusste sie allerdings genau, wie der Mann ihrer Träume aussehen müsste, aber das half ihr auch nicht weiter. Ihr Gehirn, das sie noch soweit hatte grübeln lassen, schaltete sich ein als es bemerkte, dass sich eine Erinnerung an einen Mann mit den blauesten Augen der Welt formte. »Könnten wir jetzt bitte mit dem unergiebigen Thema aufhören?«
Hetty konzentrierte sich wieder aufs Wesentliche und erklärte Susi. »Heute fahren wir noch bis Whitecliff Well, dort ist ein guter Campingplatz und morgen geht es dann über die Edith Falls weiter bis Darwin.«
Stirnrunzelnd startete sie den Wagen. Sie sollte endlich die Grübeleien lassen, schließlich war sie in diesem Land, um sich die wunderbare Natur anzusehen und nicht, um sich nutzlose Gedanken über einen Traummann zu machen, den sie eh nie bekommen würde.
Als sie am nächsten Tag den Pfad zu den Upper Falls hochstiegen, hatte sie genug damit zu tun, sich den Schweiß von der Stirn zu wischen, um noch auf andere Ideen zu kommen. Die Edith Falls lagen äußerst malerisch inmitten von hundert Metern hoch aufragenden Felswänden und der Lower Fall mündete in einen schönen, großen, zum Baden einladenden See, der von Yucca-Palmen und blühenden Sträuchern eingerahmt war.
Читать дальше