Der erste richtige Urlaubstag
Nach einem sehr guten und ausführlichen Frühstück, zu für alle doch mehr als früher Stunde, geht es mit dem Bus nach Angkor Thom, der großen Stadt. Schon als wir vor dem Zugang dazu, auf dem Parkplatz, den Bus verlassen, stehen wir inmitten des Gewusels vieler Menschen, sowohl der einheimischen Betreiber der Marktstände am Weg, wie auch der Touristen aus den verschiedensten Winkeln der Erde. Dies ist sowohl immer wieder an den Gesichtern, der Hautfarbe, den Kleidern und natürlich der Sprache zu erahnen.
Als erstes versuche ich, nachdem Simon sich noch mit dem Busfahrer und Rangsey unterhält, an einem der vielen Stände einen der hoffentlich hier hergestellten Sonnenhüte zu erstehen. Denn daß ich so etwas dringend brauche, ist bei diesem absolut blauen Himmel wohl verständlich.
Lausi trägt seit unserem Australienaufenthalt in unseren Urlauben stets nur noch seinen echten Crocodile Dundee Hut, während ich, je nach Landesart, mir eben jeweils einen dort hergestellten, vielleicht aber auch billigst aus China eingeführten Hut vor Ort anschaffe.
Margot und Vanessa kommen dann auch noch zu dem von mir ausgewählten Stand und kramen in den Hüten herum, während ich bereits, nach zäher Verhandlung, ich hatte mich bereits beim Einsteigen in den Bus bei Rangsey nach den üblichen Gepflogenheiten des Handelns beim Kauf von irgendwelchen Dingen erkundigt, meinen Hut vermutlich ganz günstig bekommen habe.
Die zwei Damen haben bei meinem Gelächter und dem Spaß der einheimischen Verkäuferin und deren Familie, die mich auch alle anfassen müssen, nur geschockt geschaut und dann den vollen genannten Preis bezahlt. Die ganz breit grinsenden Gesichter der Standbesitzer, als sie mir nachwinken, sagen dazu alles!
Nachdem Lausi mein grinsendes Gesicht gesehen hatte und ich von ihm einen Stoß in den Rücken bekommen hatte, nehme ich mir eben vor, meine Einkäufe in Zukunft etwas abseits dieser Gruppe zu tätigen. Vermutlich kennt von unseren Mitreisenden niemand die fast überall im Ausland üblichen Gepflogenheiten des Handelns.
„Also Elli sei vorsichtig und vermassele den Einheimischen nicht das Geschäft und den Spaß mit den Touris! Dir selbst aber auch nicht!“
Gut behütet machen wir uns nun auf, um durch das Südtor die Stadt Angkor Thom zu betreten. Der Weg dahin führt über eine alte, steinerne Brücke über den, heute noch an einigen Stellen etwa 100 m breiten, gefüllten Wassergraben, der einmal die Stadt umgeben hat. Diese Brücke oder besser dieser Damm ist rechts und links von 54 sehr großen steinernen Gestalten, die hintereinander sitzen begrenzt. Es handelt sich um Riesen, Götter und Dämonen mit sehr unterschiedlichen Gesichtern.
Die Brücke allein ist schon gigantisch aber das genau dahinter gebaute Tor selbst ist noch beeindruckender. Ein riesiges, lächelndes Gesicht, ob vom erbauenden König oder jemand anderem, schaut direkt auf uns herunter und drei weitere Gesichter blicken in die anderen Richtungen. Dazu kann ich noch als weitere Verzierungen am Tor Elefanten, Göttergestalten und Dämonen, die auch noch die heilige Naga Schlange halten, erkennen.
Nagas sind in der Mythologie das göttliche Schlangenvolk, halb Mensch und halb Schlange. Eine Naga kann aber auch jederzeit menschliche Gestalt annehmen und sich so unter die Menschen mischen. Die Nagas leben in unterirdischen Reichen, auch unter heiligen Bäumen und in Gewässern. Sie sind die Schutzgötter der Quellen, Brunnen und Gewässer. Sie bringen den Regen und damit die Fruchtbarkeit, aber auch die Flut und die Überschwemmung.
Schon gleich an diesem ersten Tag kommt es leider vor, daß ich unserem Guide Rangsey immer häufiger nicht lange zuhören kann. Zum einen erklärt nur er und nicht Simon uns alles und dies auch noch mit total monotoner Stimme. Dabei gibt es überall rund um mich herum immer noch so viel Beeindruckenderes zu entdecken, daß ich einfach nicht zuhören kann und manchmal auch nicht will.
Je länger er redet um so mehr geht mir sein eintöniges, etwas regional mundartig gefärbtes Deutsch und das ständige Wiederholen von irgendwelchen Zahlen, Fakten und Namen langsam auf den Geist und zuhören ist dann einfach für mich nicht mehr drin. Klingt zwar gemein, ist es aber nicht, nur ehrlich! Aber vermutlich versäume ich dabei sowieso nicht allzuviel, denn die Sinneseindrücke über die Augen sind hier einfach nur phänomenal!
Wir sind umgeben von vielen großen, alten Bäumen und viel Wasser in Form von angelegten und natürlichen Seen. Es gibt zudem weitere Wasserläufe in der Art von Flüssen und kleineren Bächen und dann, überall rundherum umgeben von solchen Naturschönheiten, stehen wir doch inmitten dieser grauen, absolut beeindruckenden, geschichtsträchtigen, riesigen Steingebilde.
Den Bayon Tempel, in der Mitte der Stadt mit seinen heute 37 zum Teil wiedererrichteten Türmen von zuerst 49, wie andere behaupten 54 Türmen, die die damaligen Provinzen des Khmer Imperiums darstellen, umrunden und besichtigen wir zuerst einmal gemeinsam.
Diese Türme haben lächelnde Gesichter und man vermutet, daß das Gesicht König Jayavarmans VII., der diese Stadt im späten 12. Jhd. gebaut hat, als Vorbild gedient hat. Die lebensnahen, plastischen Reliefs in den offenen Galerien, die das runde zentrale Heiligtum umgeben, zeigen historische Erzählungen der Khmer.
Erst seit 1980 wurde der Bayon und andere Tempelanlagen in Angkor restauriert und seit 1992 auf der Weltkulturerbe Liste der UNESCO geführt.
Nach diesem ersten Eindruck geht es für uns alle weiter zum Baphuon Tempelberg, der in der Mitte einen Erdkern hat. Der Baphuon war ursprünglich der Mittelpunkt der Khmer-Hauptstadt Yasodharapura und liegt heute im Stadtgebiet von Angkor Thom. Er wurde im 11. Jhd. zu Ehren von Gott Shiva gebaut.
Noch um 1296/97 war ein chinesischer Diplomat von diesem Tempel so beeindruckt, daß er meinte, der Baphuon, ein bronzener Turm, sei höher als der goldene Bayon und ein noch herrlicherer Anblick.
Aber vermutlich war der Erdhügel im Inneren nicht stabil genug, der Tempel stürzte ein und der Dschungel verschlang ihn, wie so vieles.
1960 begann man den fast völlig eingestürzten Tempel zu rekonstruieren und 2011 wurden dann die Arbeiten daran vollendet, nach dem man die Steine, wie in einem grandiosen Puzzlespiel, zusammengesetzt hatte.
Daraufhin gelangen wir auf unserem Rundgang zur Terrasse der Elefanten. Diese Terrasse bekam ihren Namen von den Darstellungen von vielen Elefanten und Elefantenjagden. Von hier aus konnte die königliche Familie Prozessionen, Paraden und Spiele auf dem großen freien Platz davor ansehen.
Nördlich davon liegt die Terrasse des Lepra-Königs mit vielen gut erhaltenen Reliefs, die zu den schönsten Khmer-Kunstwerken zählen. Der Namen der Terrasse kommt vermutlich von einer Statue, die dort errichtet wurde und die vermutlich König Yasovarman I. darstellen soll, wahrscheinlicher aber eher Yama, den hinduistischen Gott des Todes. Der König, der die erste Stadt in Angkor erbaute, erkrankte an Lepra und starb. Im Volksmund heißt er Lepra-König.
Manche Forscher gehen sogar davon aus, daß auf dieser Terrasse rituelle Verbrennungen der Königsfamilie und hoher Würdenträger stattfanden. Die echte Statue steht heute im Museum in Phnom Peng und auf der Terrasse ist lediglich eine Nachbildung zu besichtigen.
Diese Bauwerke stammen grob gesagt, alle so etwa aus dem 10./11. Jahrhundert und die Steinmetzarbeiten sind fantastisch! So sind alle Seiten der Terrasse des Lepra-Königs mit sieben Reihen von Figuren verziert. Die untere Reihe zeigt Fische und Nagas, also Schlangenwesen. Darüber befinden sich sitzende Gottheiten, wie Devatas (weibliche Schutzgottheiten), Apsaras (himmlische Tänzerinnen) und auch andere Figuren aus der Geschichte oder dem täglichen Leben.
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