„So, Mary. Wir sind bereit.”
„Folgt mir”, erwiderte diese knapp.
Nach tiefem Schlaf wachte Knud auf. Er fühlte sich frisch und ausgeruht. Mouad hatte sich von ihm weggedreht und schlief immer noch fest.
„Computer, wie spät ist es?”
„8 Uhr, 4 Minuten und 30 Sekunden galaktischer Standardzeit.”
„Bitte gedämpftes Licht einschalten, die aktuellen Informations- und Schiffsparameter einblenden.”
Während sich am Ende des Raumes die metallisch grünliche Außenwand in ein riesiges, reflexionsfreies, absolut scharfes Monitorbild verwandelte und zahllose Grafiken, Zahlenkolonnen und 3D-Objekte sichtbar wurden, die Knud rasend schnell in sich aufnahm, erstrahlte ganz allmählich ein warmes, gelbliches Dämmerlicht aus einem großen, gläsernen Kronleuchter, der in der Mitte des Raums hing. Knud hatte ihn in Italien gekauft. Seine Freunde und Kollegen an Bord des Schiffes hatten sich amüsiert, als so etwas Altmodisches, was es in der Magellanschen Föderation seit vielen tausend Jahren nicht mehr gab, in sein Quartier geschafft wurde.
„Nun ja, der Wirkungsgrad ist ja sehr bescheiden, mit all diesen vorsintflutlichen Lampen.”
Aber Knud bestand auf dieses altertümliche Beleuchtungsobjekt.
„Dafür erhöht es die Gemütlichkeit dieses Quartiers”, pflegte er zu sagen.
Der Raum war auch mit verschiedenen anderen antiken Gegenständen ausgestattet. In der Mitte des Raumes befand sich ein Jugendstilesstisch mit sechs dazu passenden Stühlen. Sie wurden häufig benutzt, da Knud gegenüber Besuchern Wert auf eine gediegene Atmosphäre bei qualitativ hochwertigem Essen legte. Neben dem hypermodernen Bett, dass sich durch Computersteuerung an jede Körperhaltung anpasste, standen zwei zierliche französische Nachtschränkchen mit verschnörkelten Beinen aus dem siebzehnten Jahrhundert irdisch-christlicher Zeitrechnung.
Ein alter Eichenschrank aus Norddeutschland bildete ein Gegengewicht zu dem massigen Tisch. Er diente als Weinlager und Wäscheschrank; auch Töpfe und Besteck fanden hier noch Platz. Neben dem Außenfenster erhoben sich zwei halbrunde Vitrinenschränke aus dunklem Mahagoniholz, darin Gläser und Porzellan. Auch hier merkte man Knuds Faible für den Jugendstil. Werke von Daumè, Gallè und Tiffany waren die führenden Vertreter von 15 Meisterwerken der Glasbläserkunst des ausgehenden 19. Jahrhunderts, die Knuds Sammlung ausmachten. Ein zauberhaftes, mit blauen, schwingenden Wellenlinien verziertes WMF Porzellanservice aus Deutschland gehörte ebenfalls dazu.
Auf der gegenüberliegenden Seite des Bettes befand sich ferner ein altmodischer, ockerfarbener, französischer Herd mit einem voluminösen Ofen, der eine extrem gute, gleichmäßige Temperaturverteilung beim Backen gewährleistete und elektrisch beheizbar war: Denn Knud war leidenschaftlicher Koch und ein Fan alter, irdischer Zubereitungsarten. Wenn es ihm seine Zeit erlaubte, konnte er seinen Gästen die verschiedensten Speisen nach uralten Rezepten vielerlei Geschmacksrichtungen herbeizaubern. Besonders seine sradogonischen und menschlichen Freunde wussten diese Köstlichkeiten zu schätzen.
Ergänzt wurde der Herd durch einen hochaufragenden, auf der Außenseite feuerrot bemalten Kühlschrank, der vielerlei Getränke und mancherlei Gemüse- und Fleischsorten bewahrte. Wenn man an dem markanten, wie ein gebogenes Ausrufezeichen geformten goldfarbenen Griff zog, präsentierte sich eine schon beinahe verschwenderische Fülle: Knud hatte immer besondere kulinarische Spezialitäten darin gelagert, auch wenn man so einen Aufwand eigentlich an Bord des Schiffes nicht betreiben musste, da das Bordrestaurant exzellente Qualität lieferte.
„Wie ist das Befinden Mouads?”
„Körperlich sehr erschöpft, keine Verletzungen, keine Infektionen, im Moment REM-Schlaf, jedoch keine übermäßig belastende Traumaktivität. Keine Anzeichen von Stress”, meldete der Computer
„Was ist mit seiner Narbe in der Lunge?”
„Ist durch Ihre zweimalige Injektion des Zellaktivators seit etwa 16 Stunden vollständig ausgeheilt. Keinerlei Einschränkungen der körperlichen Leistungsfähigkeit feststellbar.”
„Bestehen gesundheitliche Gefahren, wenn jetzt sein Gehirn mit den Grundstrukturen UniKaLs implementiert wird?”
„Nein. Soll Mouads Programmierung erfolgen?”
„Ja.”
„In Ordnung. Spracherkennungsautorisation Knud Larssen erfolgreich. Sie können das Gerät aktivieren.”
Der Neuronenaktivator sah wie ein altmodischer Soldatenhelm aus, nur dass er über und über mit einem neuronalen künstlichen Netzwerk innen und außen bestückt war. Unzählige winzige Lichtimpulse leuchteten rhythmisch auf. Zum Schutz vor Beschädigungen war der Helm außen von einer klaren, glasartigen Substanz überzogen, während innen diese Strukturen offen lagen.
Knud setzte Mouad das Gerät auf. Er wusste, dass in diesem Moment unzählige mikroskopisch kleine, künstliche Nanoneuronen in sein Gehirn eindrangen und sich fest mit den für die Sprachfunktion bestimmten Synapsen im Gehirn verbanden. Sie waren so fein, dass sie keinerlei Verletzungen anrichten konnten. Chemisch waren sie dermaßen inert, dass sie auch nicht irgendwelche toxikologischen Schäden anrichten konnten. Durch eine Mischung aus Botenstoffen und elektrischen Reizen, die in einem komplizierten Zusammenspiel das Sprachlangzeitgedächtnis aktivierten, würde Mouad innerhalb weniger Stunden in der Lage sein, perfekt und akzentfrei in UniKaL zu kommunizieren.
„Beginn der Datenübertragung”, meldete sich die Computerstimme erneut.
Die Blitze begannen sich rascher zu bewegen; sie bildeten rhythmische Wellenmuster aus Lichtpunkten auf der Oberseite des Geräts. Durch diese optische Signalkopplung an die von außen unsichtbaren Übertragungssignale war die Bordsoftware jederzeit in der Lage, in die laufende Prozedur einzugreifen und, wenn es sich bei Fehlfunktionen als notwendig erweisen sollte, den Vorgang abzubrechen. Die reine Programmierung würde jetzt ungefähr eine Stunde dauern, die sich anschließende chemische Verschaltung in Mouads Gehirn noch einige weitere Stunden.
„Computer, wenn Mouad kurz vor dem Erwachen steht, teleportiere mich von jedem Ort dieses Schiffes hierhin, mit 300 Sekunden Vorwarnzeit. Ich möchte bei ihm sein, damit er nicht allein ist, wenn er wieder bei Bewusstsein ist.”
„Bestätigt.”
Knud zog sich die an Bord übliche nachtblaue Borduniform über und verließ den Raum. Er drehte sich noch halb um und teilte dem Computer, bevor sich die Tür hinter ihm schloss, mit:
„Computer: Licht aus, Panoramafenster deaktivieren!”
Es herrschte gerade Schichtwechsel an Bord der Intrepid. Ein Teil der Mannschaft eilte zu den Verpflegungsräumen, ein anderer zu den Arbeitsplätzen in dem weitläufigen Schiff. Alles verlief ohne Hektik. Jedermann benahm sich diszipliniert und rücksichtsvoll. Knud musste sich, verursacht durch sein langes Fernbleiben von Bord, an den Anblick der nichtmenschlichen Besatzungsmitglieder, wie zum Beispiel den der Xyrchh, Sradogoner, Mrrhachtthnerr und Qwrth, um nur die wichtigsten Rassen zu nennen, gewöhnen.
,Man hat doch nach einem solchen mehrjährigen Einsatz auf Terra eine gewisse eingeschränkte Sichtweise auf das Leben in der Föderation’, dachte er, während er zuvorkommend den einen oder anderen Freund oder Bekannten grüßte.
Ein hochgewachsener Sradogoner kam auf ihn zu und fragte in etwas gebrochenem UniKaL (seine Hornplatten des am Bauch sitzenden Sprechorgans erschwerten die Kommunikation in dieser Sprache mit dessen relativ weicher Intonation):
„Hallo, Knud, bist du auch mal wieder unter uns? Wie war denn der Einsatz? Kommst auch du mit zur Besprechung über diese eigenartige Rasse der Terraner? Hast du wieder schöne antike Stücke für dich mitgebracht oder endlich einen Freund oder eine Freundin fürs Leben gefunden?...”
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