1 ...6 7 8 10 11 12 ...29 Durch die Evakuierung der Bewohner und den Transport der kompletten, am dichtest besiedelten Planeten in die Magellanschen Wolken, gelang dieses damals für fast unmöglich gehaltene Unterfangen. Außerdem warnten wir viele weitere Welten vor dieser furchtbaren Bedrohung und boten ihnen an, in die Magellansche Föderation mit ihren Welten umzusiedeln. Und so flutete noch einmal das Vierfache der ursprünglichen Zahl an Flüchtlingen in die Föderation. Aber man muss diese Zahlen im Vergleich mit den fast zwei Trillionen Bewohnern sehen, die die Föderation ursprünglich umfasste. Dann erscheint das Verhältnis von Bewohnern zu Flüchtlingen nicht ganz so dramatisch.
Folge dieser großartigen Leistung ist das nachhaltig von Toleranz, Nächstenliebe und Respekt geprägte Miteinander von den über 66 000 unterschiedlichen Rassen, die die Föderation damals ausmachten, da jeder Bewohner für die Neuankömmlinge etwas ,Platz’ machen musste. Es herrschte zudem eine unglaubliche Hilfsbereitschaft, Aufgeschlossenheit und Freundschaft gegenüber den fremden Lebensformen. Dies war eine bis dahin - nach den mir vorliegenden Quellen - einmalige Erfahrung. Sie war letztlich die Ursache für die stürmische Fortentwicklung des Zusammenhalts und Miteinanders. Viele Lebewesen, die bis zu diesem Zeitpunkt scheinbar gleichgültig nebeneinanderher gelebt hatten, verkörpern nunmehr das soziale Gewissen dieser Föderation. Dazu kam noch ein Entwicklungsschub im Bereich von Wissenschaft und Technologie: Neue Antriebs- und Feldtechniken, Entwicklung der Larssen-Sphären, um nur einige technologische Highlights hervorzuheben.
Sie werden sich fragen - was aber haben nun diese beiden Ereignisse miteinander zu tun, was verbindet sie? Auf der einen Seite das furchtbare, alles bedrohende Abadon und auf der anderen Seite diese zerrissene Welt Sol III, auf der wir die letzten Jahre gearbeitet haben.
Die Core-Explosion ist zu ihrer Zeit ins Bewusstsein aller vorgedrungen und hatte absolute Priorität und ist auch heute noch allen Föderationisten wohl bekannt.
Aber es gab da leider noch ein Ereignis zu jener Zeit, das diese Erfolgsgeschichte überschattete: Warendula.
Die damalige föderale politische Führung erfuhr rein zufällig von den Galaktischen Fliegenden Händlern, dass mit einer Welt, die als Warendula VII bezeichnet wurde, irgend-etwas nicht stimmte. Der Himmelskörper wurde als metastabiles Pulverfass geschildert - ein Planet, der sich an der Schwelle zur Selbstauslöschung befand. Es wurde berichtet, dass dort zahllose Kriege ausgebrochen seien. Hass und gegenseitiges Aufhetzen der Bevölkerungsgruppen gehörten damals zur politischen Agenda vor Ort - ein Kollaps dieser Zivilisation stünde unmittelbar bevor.
Zu dieser Zeit waren jedoch sämtliche Raumschiffe, die es in der damaligen Föderation gab und noch fliegen konnten, an den Ort der Katastrophe im Zentrum der Milchstraße entsandt worden. Wir konnten daher nicht eingreifen. Nur eine kleine, schon fast als privat zu bezeichnende Erkundungsmission, die etwa 40 Emissäre umfasste, bestätigte die damalige dramatische Entwicklung auf dieser Welt.”
Ein Raunen ging durch den Saal. Man spürte die Spannung unter den Konferenzteilnehmern. Vieles von dem, was Knud berichtete, war nur Wenigen bekannt.
„Zu diesem Zeitpunkt war mein eigenes Schiff nur einige zehn Lichtjahre von dem Planeten entfernt. Als leitender Kommandant unterstand mir der reibungslose Verlauf der Mission, somit auch die Gewährleisung einer sicheren Relokalisation der Core-Flüchtlinge.
Jedoch: Man hätte dennoch theoretisch innerhalb weniger Stunden eingreifen können, um das Schlimmste zu verhüten.
Aber die Mathematik diktierte damals meine Entscheidung. Denn ich war mir völlig sicher, keine Zeit und nicht genügend Schiffe zur Verfügung zu haben, um mein Augenmerk auch noch auf diese Welt zu lenken. Denn die Schockwelle aus Plasma, Sterntrümmern und hochenergetischer Strahlung, die von der kosmischen Explosion ausgesandt worden war, diktierte exakt den Evakuierungsablauf. Deshalb musste der Abtransport der Bewohner zügig umgesetzt werden. Die Besiedlungsdichte im Zentrum der Galaxis erwies sich nämlich überraschenderweise als sehr hoch. Zum Teil lagen die einzelnen Welten nur Bruchteile von einem Lichtjahr voneinander entfernt. So waren wir gezwungen, alle paar Wochen die Delokalisation eines weiteren, dicht besiedelten Planeten voranzutreiben.
Sämtliche damals verfügbaren Einheiten - und das entsprach etwa zehn Millionen Schiffen - waren deshalb mit Flüchtlingen völlig überfüllt.”
Knud stockte. Seine Stimme schien zu versagen. Die anderen Offiziere warfen sich erstaunte Blicke zu. So emotional hatten sie Knud noch nie erlebt.
Schleppend fuhr er fort: „Als man sich endlich sechs Wochen später auf den Weg zu dieser bedrohten Zivilisation machte, bot sich ein Bild des Grauens. Der Planet war kurz nach dem Ende der kleinen Erkundungsmission in eine radioaktive Wüste verwandelt worden.
Die näheren Umstände für die Katastrophe konnte damals durch die Aussagen sterbender Bewohner kurz vor deren Ableben rekonstruiert werden.
Auslöser des planetenweiten Krieges war eine Großmacht, die unter extremer Energieknappheit litt. Sie hatte mit Waffengewalt versucht, sich der Brennstoffvorräte der Nachbarstaaten zu bemächtigen. Es kam zunächst zu einem konventionellen, dann nuklearen Schlagabtausch. Als wir endlich mit genügend Schiffen diese Welt erreichten und auch hinreichend Transportkapazität bereitgestellt hatten, konnten wir jedoch nur noch entsetzt feststellen, dass die Bewohner des Planeten über Wochen furchtbar gelitten haben mussten.
Diejenigen, die bei den anfänglich konventionell geführten Kampfhandlungen nicht sofort starben, wurden im Anschluss daran von den Krieg führenden Parteien wochen- und monatelang über den Planeten gehetzt. Die Zivilisation kollabierte schließlich allein dadurch fast vollständig. Dann ereilte diese Welt ein atomares Armageddon ...
Ein Nuklearer Winter brach als unmittelbare Folge davon innerhalb weniger Tage über die Oberfläche herein. Zwar existierten am Ende des atomaren Infernos noch einige Millionen Überlebende; aber auch diese waren durch die Strahlenschäden grauenhaft entstellt. Sie verhungerten und erfroren zudem qualvoll. In der aufkommenden Eiszeit sanken die Temperaturen um 60 Grad bis weit unter den Gefrierpunkt. Als wir etwa drei Wochen nach dem Ende der Apokalypse diesen Planeten endlich erreichten, war es für ein Eingreifen definitiv zu spät: Einige hundert Bewohner trafen wir zwar überraschenderweise noch lebend an, obwohl sie auf Grund der entsetzlichen inneren Verbrennungen einem qualvollen Tode geweiht waren. Aber da uns damals ihre Physiologie unbekannt war, konnten wir niemanden mehr retten.”
Er machte eine Pause.
„Bis heute,” so führte er flüsternd aus, „fühle ich mich für den Tod von Milliarden Bewohnern mitverantwortlich und denke, dass ich damals versagt habe. Dazu kommt, dass unzählige dieser Wesen einfach verschwunden zu sein scheinen, ein Rätsel, das trotz aller offiziellen Bemühungen zur Klärung des Schicksals der Verschollenen bis heute nicht aufgeklärt wurde.”
Er setzte sich, berührte dabei eine Schaltfläche auf der Tischoberfläche. Über der Mitte des Konferenzsaales flammte eine holographische, dreidimensionale Projektion auf.
„Das sind die letzten Erinnerungen an diese Zivilisation, die damals von uns aufgenommen wurden. Dokumente, die während des Krieges von den Bewohnern selbst aufgezeichnet worden waren und die uns auf der Suche nach Überlebenden in die Hände gefallen sind, ergänzen diese Präsentation.”
Alle Anwesenden sahen während der folgenden 15 Minuten unglaublich realistische Aufnahmen der immer noch rauchenden Kriegsruinen, der wimmernden und vor Schmerzen stöhnenden Überlebenden.
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