Seine Helferinnen müssten schon längst in der Praxis sein. Er rief dort an und erklärte der Helferin am Telefon, dass er sich nicht gut fühle. Er bat sie, alle Patienten, die an diesem Tag bei ihm einen Termin hatten, anzurufen und ihnen abzusagen.
Er freute sich, als er erfuhr, dass auf dem Terminkalender nur fünf Patienten eingetragen waren. „Die anderen haben mit Sicherheit Angst, an einem Freitag, den Dreizehnten die Wohnung zu verlassen. Das Unglück patrouilliert bestimmt auf den Straßen und wartet wie ein hungriger Wolf auf seine Beute. Vielleicht fällt ihnen ein Flugzeug oder sogar eine Rakete auf den Kopf. Wer weiß? Möglich ist einfach alles“, ging ihm in dem Kopf durch.
Er legte sich erneut auf die Couch. Er nahm sich vor, bis sein Kreislauf in die Gänge kam, dort einige Minuten wach zu liegen und dann ausgiebig zu baden. Diesmal ließ ihn sein sechster Sinn völlig im Regen. Es dauerte nicht einmal eine halbe Minute und er schlief schon tief und fest.
Er bekam es nicht einmal mit, wie seine Frau mit den Kindern gefrühstückt und anschließend das Haus verlassen hatte.
Gegen zehn Uhr wurde er von einer langen Klingel aufgeweckt. Erschrocken stand er auf und ging mit verschlafenen Augen zur Tür.
„Eine persönliche Sendung für Sie“, sagte der Postbote mit langen hinten zu einem Pferdeschwanz zusammengebundenen Haaren.
„Für mich?“, fragte er überrascht.
„Sind Sie nicht Herr Dr. Jörg Sörenson?“, fragte der Postbote. Gleichzeitig zeigte er mit seinem Zeigefinger auf den Namen auf dem Umschlag.
„Doch… doch… Das bin ich. Wo soll ich unterschreiben?“
Er unterschrieb die Empfangsbestätigung für das kleine Paket, dessen Absender eine Pharmafirma war. Es war die Medikamentensendung, die er vor einer Woche bestellt hatte.
Der Postbote brachte freundlicherweise auch die restliche Post mit. Sobald er hinter dem Gartentor verschwand, sichtete Jörg die Briefe durch. Ein aus Recyclingpapier fiel ihm auf. Bei dem Absender handelte es sich um die Staatsanwaltschaft München.
Staatsanwaltschaft löste bei Jörg stets gemischte Gefühle aus. In einem Schreiben der Staatsanwaltschaft steckte mit einer 99,99 prozentiger Sicherheit eine schlechte Nachricht. Schließlich handelte es sich bei der Staatsanwaltschaft nicht um die Lotteriezentrale, die eine Menge Geld anscheinend die Gewinner verteilte. Neugierig riss er den Umschlag mit seinem rechten Zeigefinger auf und überflog das Schreiben. Eine Bemerkung, dass gegen ihn wegen eines Deliktes strafrechtlich ermittelt wird, fiel ihm nicht auf, sodass er erleichtert tief einatmete.
Dafür verstand er aber den restlichen Text nicht auf Anhieb. Daher legte er sich auf die Couch und machte es sich vorerst gemütlich. Nun konnte er beruhigt und entspannt den Brief lesen.
„Sehr geehrter Herr Dr. Jörg Sörenson,
Wir nehmen Bezug auf Ihre Anzeige bei der Staatsanwaltschaft München wegen eines tätlichen Angriffes. Deswegen wurden Sie zum Polizeipräsidium München geladen. Dort wurden Ihnen Fotografien von Personen vorgelegt, sodass Ihnen dadurch die Gelegenheit gegeben wurde, anhand dieser Aufnahmen den Täter zu identifizieren.
Die Staatsanwaltschaft München sieht es als eine ernste Aufgabe, im Falle eines Unrechtgeschehens die entsprechenden Strafmaßnahmen zu ergreifen und so den Bürger vor Delikten zu schützen.
Obwohl Ihnen von dem Mitarbeiter des Polizeipräsidiums ausreichend Zeit zur genaueren Begutachtung der Bilder und entsprechende Räumlichkeit zum ungestörten Nachdenken gewährt wurde, waren Sie nicht in der Lage, eine klare Entscheidung zu treffen. Es gelang Ihnen nicht einmal ansatzweise den Verdächtigten zu erkennen und somit ihn auch zu identifizieren.
Daher sieht sich die Staatsanwaltschaft München nicht mehr imstande, diesen Fall weiterhin zu verfolgen.
Somit betrachten wir diesen Fall für erledigt und danken Ihnen für Ihre Mitarbeit.
Hochachtungsvoll“
Jörg las das Schreiben immer wieder und immer wieder, bis die Buchstaben vor seinen Augen zu verschwimmen begannen. Dicke Schweißperlen bildeten sich innerhalb von wenigen Sekunden auf der Stirn und er fing an zu zittern, als hätte er einen Schüttelfrost. Magenflüssigkeit kam ihm langsam hoch und brannte hinter seinem Brustbein. Ein Beklemmungsgefühl umrahmte den Brustkorb. Sein Atem stockte. Ihm wurde es schwindelig und übel.
Sein Herz schlug gegen die Rippen immer schneller und schneller, sodass sie schmerzten. Er tastete seinen Puls am Handgelenk, der so schnell war, dass er trotz schnellen Zählens nicht mitkam. Vor seinen Augen stieg eine riesige schwarze Mauer empor.
Obwohl er auf der Couch lag, hatte er das Gefühl, das Bewusstsein zu verlieren. Er musste schnell handeln. Gerade als Arzt durfte er es nicht so weit kommen lassen. Ihm fiel der so genannte Valsalva -Pressversuch ein. Er atmete tief ein, machte seinen Mund und mit dem Daumen und dem Zeigefinger beide Nasenlöcher zu und presste die eingeatmete Luft kräftig nach oben zum Kopf hin. Er spürte, wie der Atem in winzigen Mengen durch die unteren Tränenpünktchen auswich und eine Brise kühler Luft sich über die Bindehäute blies, die sie reizte. Sie brannten. Er beachtete es nicht und wiederholte diesen Pressversuch einige Male. Sein Herz beruhigte sich daraufhin und die Frequenz nahm von Sekunde zu Sekunde ab.
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