- Gut, - bilanzierte die Modistin und, die seidene Nelken ins raschelnde Papier eingewickelt, schubste sie leicht das Mädchen zum Ausgang. – Geh zu deiner monströsen Schwester. Und wenn ich bis zum Abend aus dem Fenster deines Zimmers wenigstens ein paar Walzer nicht höre, nehme ich dir den Spiegel weg.
Zweimal musste man es Dana nicht sagen. Sie lief im Trab über die Straße rannte die Treppe hoch, flitzte blitzschnell ins Zimmer, wo ihrer Schwester sechshändig das Mieder zugezogen wurde.
- Hier, nehmen Sie! – warf sie der Stiefmutter die Rolle mit den Nelken hin und verschwand schnell, dass Niemand sich fassen konnte, in ihrem Zimmer. Das Instrument aufgeschlagen begann Dana mit Vergnügen zu musizieren. Dank dem Stuhlbein, das in die Tür durchgeschoben war, durfte sie Niemand stören
* * *
Nach Barbaras Wegfahrt verbreitete sich im Haus irgendwelche Leere. Sich auf den Finger eine kastanienfarbige Strähne wickelnd, beobachtete Dana von ihrem Fensterbrett mit Interesse, wie der Vater in tiefster Nachdenklichkeit von Zimmer zu Zimmer wandert und sich etwas unter die Nase murmelt. Nach solchem zweistündigen Zeitvertreib blieb Christian Cohn gegenüber seiner jüngsten Tochter stehen und sah sie aufmerksam an. Er wollte, wahrscheinlich, etwas sagen, winkte aber mit der Hand und ging zu sich.
Dana miss diesem Ereignis keine Bedeutung bei. Viel interessanter war es seine Besucher, die erst mit Beginn der Dunkelheit zu ihrem Vater kamen, zu beobachten. Das Mädchen machte sich jedes Mal lustig, beobachtend, wie sich irgendwelcher knittrige Greis mit seinem Plunderbündel schleppt, sich dabei ängstlich umschauend, als ob er in den Sträuchern Polizeimänner zu sehen versuchte.
Danach ging der Mann vorsichtig durch den hinteren Eingang ins Haus hinein und fragte im Flüsterton nach dem Herrn Cohn. Eines Tages stieß Dana mit so einem Besucher auf der Schwelle zusammen, und er sprang in das Gebüsch, wie ein erschreckter Hase.
- Hallo, Herr, - rief ihm Dana, lustig lachend, hinterher. – Sie haben einen Diamant verloren. Kommen Sie zurück!
Für solche Ausfälle wurde sie von der Stiefmutter getadelt, aber das rührte sie nicht – sie war es gewöhnt abzukriegen und ertrug die Strafen ziemlich standhaft. Der Vater dagegen hat ihr gewöhnlich sanft die Epistel gelesen, bittend in „Empfangsstunden“ das Zimmer nicht zu verlassen.
Heute war alles wie immer. Verdächtige Personen kamen, gingen fort, aus dem Zimmer des Vaters hörte man bald Stimmen, bald Lachen, bald duftete es nach Zigarren. Dana hatte vor zu gehen, als sie einen beeindruckend aussehenden Herren sich dem Haus nähern sah, der allem entsprechend, sehr aufgeregt war. Der Herr hat nicht den Hintereingang genommen – das bedeutete, dass er ein Fremder war. Er begann mit Raserei am Glöckchen zu ziehen. Dana kicherte, die Ereignisse erwartend.
Das Zimmermädchen öffnete die Tür, wurde von ihm mit so einer Wut vom Weg gedrängt, so dass es, um ihn anzuhalten oder nicht rein zu lassen, keine Rede sein konnte. Der Mann schritt direkt in Vaters Kabinett, die Teppiche mit den Schuhen beschmutzend. Aus dem Kabinett huschte Jemand von Vaters Stammbesuchern wie eine flinke Maus raus. Die Tür des Kabinetts ging mit Gepolter zu. Bald darauf erklang aus dem Kabinett so ein furchtbarer Streit, dass sich sogar die Stiefmutter Klaudia aus der Küche rausstreckte und mit Aufregung zuhörte. Eva spitzte auch die Ohren, wurde aber sofort vom Fensterbrett gezerrt und mit einem Genickstoß ins Zimmer hineingejagt. Zum Schluss gelang es ihr über Falschgeld und Polizei zu hören. Dana lag lange schlaflos, hörend, wie im Haus die Türen polterten, die Verwandten sich stritten und das Geschirr klirrte. Die Intuition verriet, dass der Besuch ernste Folgen für das Schicksal der Familie haben wird. Sie hatte Recht.
Es verging keine Woche, wie in ihrem Haus wieder Unbekannte erschienen. Diesmal waren unter ihnen zwei Polizeibeamten und ein Herr, der mit seinen Manieren einem Koker – Spaniel ähnelte. Sie haben im Haus alles umgedreht, zerbrachen die Möbel und zerschlugen alle brechbaren Gegenstände.
Das, was sie suchten, befand sich, wahrscheinlich, absolut an einem anderen Ort. Nichts Verurteilungswürdiges gefunden, ist es ihnen, jedoch nicht eingefallen sich für ihre Handlungen zu entschuldigen. Der unangenehmste Moment in dieser Geschichte war die schreckliche Szene, welche geschah, als Herr Cohn den Offizier sich zu entschuldigen bat. Der sagte, dem Vater ins Gesicht geschlagen, dass der Polizei Fakten bekannt sind, für die man leicht ins Gefängnis kommen kann.
Nachdem die Wächter der Rechtsordnung gegangen waren, wurde dem Vater schlecht, man musste den Arzt rufen. Einige Stunden im Haus verbracht, ist der Arzt, bleich, hohlwangig weggefahren. In der Nacht ist Christian Cohn verschieden.
Von diesem Moment an änderte sich alles, und zwar sofort. Kaum haben sich von den Hausangehörigen alle jüdische Verwandten und die volle Anzahl verdächtigen Personen verabschiedet, wurde alles im Haus von den Beinen auf den Kopf gestellt. Dana verlor nicht nur ihr wunderbares Zimmer mit den Fenstern in den Garten, sondern auch ihr Piano, und auch ihre Freizeit, die so angenehm für französische Romane zu verbringen war.
Die Stiefmutter, wie es ihr auch zutrifft, hat nicht berücksichtigt, dass ihre Stieftochter ein Mädchen in der Zeit der Aufblühung ist und Fürsorge für ihr weiteres Schicksal braucht. Für sie war Dana ein übriger Esser, zudem noch eine Konkurrentin auf dem Frauenschönheitsmarkt. Die Stieftochter war noch zu jung, aber ihr Äußeres versprach viel: gebräunte Haut, schwarze kluge Augen, kastanienfarbiger Zopf. All das war mehr als genügend, um allein den Fakt ihrer Existenz zu hassen. Es wiederholte sich also die alte Geschichte über die Hexe – Stiefmutter und ihre wunderschöne Stieftochter. Danas unbeschäftigtes Leben wechselte sich in beschäftigtes.
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Einer der wenigen Freuden, die Dana im Leben noch blieben, war die begonnene Freundschaft mit dem Nachbarjungen, Sohn des Bäckers – Simon. Der junge Grieche sah gut aus, wie alle Griechen in der Jugendzeit. Um sich all seinen Liebreiz vorzustellen, genügt es sich die Statue, die mit dem Meißel seines Landmannes geschaffen wurde, anzusehen: die gleichen tadellosen Proportionen, das gleiche Charaktere Profil und schwere Augenlider.
Simon, soweit Dana einschätzen konnte, suchte schon lange die Gelegenheit sich mit seiner schönen hübschen Nachbarin näher bekannt zu machen. So lange rümpfte Dana die Nase von dem schönen Grieche.
Es kam die Zeit, wo sich das Mädchen am liebsten in der Welt menschliche Wärme und jemandes Anbetung ersehnte. Im Eigenen Haus war darauf nicht zu hoffen. Deshalb begann Dana den Nachbar mit mehr Wohlwollen anzusehen, was der sich auch wünschte.
Wenn der Junge im Laden des Vaters nicht beschäftigt war, und die Stiefmutter keine neue Aufgaben für die Stieftochter mehr einfielen, schafften sich die Freunde aufs Dachgeschoss des Stalles, das voll mit Heu war, und tauschte sich da mit Eindrücken des vergangenen Tages aus. Da das Tägliche Leben ziemlich eintönig war, erweiterten sich die Gesprächsthemen.
In den herzlichen Unterhaltungen erzählten sie einander über ihr Leben. Simon war so naiv und hartnäckig in seinem Wunsch mehr über seine Freundin zu erfahren, dass Dana begann sich sogar über ihn lustig zu machen. - Hör mal, - gestand der beleidigte Simon, - du sagst eben „Familie“. Aber meine Mutter, zum Beispiel, und der Vater auch, sagen, dass deine Familie eine Schande für die ganze Straße ist. Ich versuchte dich zu schützen, aber der Vater schrie sofort auf mich und hat mir verboten sich mit dir zu treffen. Warum das denn, Dana?
Das Mädchen presste die Lippen zusammen und dann lächelte sie schief.
- Ja, das stimmt, - sagte sie. – Meine Familie ist ein Gewühl von Halunken und Bastarde. In den Geschäften meines Vaters wurden Schmuggelwaren verkauft. Meine Mutter, als sie noch lebte, hat gestohlene Sachen umgenäht, und der Onkel verkaufte sie. Mein Vater, Dank seinen Verbindungen und Einfluss der zahlreichen Männern meiner Schwester vertickte den gewerblichen Genossenschaften und großen Konzernen große Summen Falschgeld, woran er, eben erwischt wurde. Meine Schwester, abgesehen davon, dass sie eine berühmte Hure ist, ist auch noch eine talentierte Diebin. Und ich – Tochter meiner Eltern und Fortfahrer der Familientraditionen. Hier, schenke ich.
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