Peter Decker
Martin Heidegger
Der konsequenteste Philosoph
des 20. Jahrhunderts
Faschist
Gegenstandpunkt Verlag
Inhalt
Vorbemerkung Vorbemerkung In den rund 30 Jahren seit der ersten Auflage dieses Buches ist das bürgerliche Denken über Heidegger natürlich zu neuen Erkenntnissen gelangt, sich in einer Hinsicht freilich treu geblieben: seiner Kombination aus Unwillen und Unvermögen, in der Philosophie des Schwaben die faschistische Gesinnung zu entdecken, die er Zeit seines Lebens nicht verhohlen hat. Dies gilt auch und gerade für die große Entdeckung aus dem Jahr 2015, die „Denktagebücher“ des Philosophen, die von ihm „als der krönende Abschluss der Gesamtausgabe seiner Werke vorgesehen wurden“ (Die Zeit, 23.12.2015; alle folgenden Zitate ebd.) und in denen der kritische Geist in Feuilleton und Wissenschaft endlich fand, wonach er suchte: astreine Bekenntnisse zur NS-Propaganda von Volk und Führer, Rasse und Opfertum, die den großen Denker als Faschisten entlarven. Derart wollte man die Praxis des deutschsprachigen Philosophiebetriebs, Heideggers politische Gesinnung „nicht als von seinem ureigenen Denken getragen“ anzusehen, ihrer Unhaltbarkeit überführt haben – und hat doch nur ein weiteres Mal die etablierte Trennung zwischen dem Geist von Heideggers Philosophie und seiner Affinität zum Faschismus fortgeschrieben: In Textstellen, die der Mann erfreulicherweise seinem Gesamtwerk zugeordnet hat, hat man gefunden, dass er doch glatt „stets gesagt und geschrieben [hat], was er wirklich dachte – er war wirklich Faschist“. Am faschistischen Geist einer Philosophie finden kritische Antifaschisten einfach nichts zu kritisieren: Was der Denker „wirklich“ denkt, offenbart sich für sie erst dort, wo er sich offen zum Faschismus bekennt. Dass einer aus philosophischer Drangsal Faschist wird, kommt für sie nicht in Betracht. Die weitgehend unveränderte Neuauflage des Bandes, der sich der Kritik bürgerlicher Wissenschaft widmet, zeigt, wie so etwas geht. Ein Artikel im Anhang befasst sich ausführlicher mit der im Vorwort von 1988 aufgegriffenen kritischen Diskussion um Heidegger. © 2020 GegenStandpunkt Verlag
Vorwort
Die Lehre
I. Philosophie ohne Ende oder ‚Ultima Philosophia‘
II. Erarbeitung des Gegenstands oder ‚creatio ex nihilo‘ Erster Vorwurf an die Wissenschaft = die philosophische Methode
Exkurs: Voraussetzungslogik oder die Kunst des Hinterfragens
Der zweite Mangel der Wissenschaft = die Gründe der Philosophie
Die Probleme der Philosophie
III. Der absolut universale Gegenstand ‚Sein‘ oder hocuspocus metaphysicus
IV. Der Kampf der Philosophie gegen das Denken
V. Der Sinn vom Sein oder memento mori
1. Der Mensch
2. Die Welt der Dinge
Apropos „Sinn des Daseins“ – Zeit & Tod
Heidegger und das Fach
I. Das Problem: ein Faschist aus philosophischem Drang
II. Der Kollege im Anliegen Sinnsucherei: Denken aus dem Geist der Rechtfertigung
III. Der überlegene Totalosoph: Schluss mit dem Argumentieren in der Metaphysik!
„Woher, Wohin und Wozu von Welt und Leben“
Suche nach dem Urstoff
Absage an die Metaphysik
IV. Das mutige Bekenntnis zum Ideal aller Philosophen: Ich weiß, dass ich nichts weiß!
V. Die Identität des Fachs: die Suche nach Sinn ohne Gott
Anhang
Der Faschismusvorwurf an Heidegger und seine Bewältigung
Vom Bedürfnis, Geist und Macht zu verwechseln
Wie faschistisch ist Philosophie? Oder: Wie philosophisch war der Faschismus?
Der Faschismus-Verdacht durch Farías …
… und seine Zurückweisung
Ein philosophischer Disput von (inter-)nationalem Wert
Abkürzungen häufig zitierter Werke
Heidegger, Martin
Die Grundprobleme der Phänomenologie, Marburger Vorlesung, Sommersemester 1927, in: Heidegger Gesamtausgabe, II. Abt., Bd. 24
— „Grundprobleme“
Sein und Zeit, in: Heidegger Gesamtausgabe, Bd. 2
— „Sein und Zeit“
Vom Wesen des Grundes, in: Festschrift für Edmund Husserl zum 70. Geburtstag gewidmet, Ergänzungsband zum Jahrbuch für Philosophie und phänomenologische Forschung, Halle a. d. Saale 1929
— „Wesen“
Was ist Metaphysik, Antrittsvorlesung in Freiburg 1923, Bonn 1931
— „Metaphysik“
Die Selbstbehauptung der deutschen Universität, Rede, gehalten bei der festlichen Übernahme des Rektorats der Universität Freiburg am 27.5.1933, in: Freiburger Universitätsreden, Heft II, Breslau 1933
— „Rede“
Einführung in die Metaphysik, Vorlesung 1935, in: Heidegger Gesamtausgabe, II. Abt., Bd. 40
— „Einführung“
Die Technik und die Kehre, Pfullingen 1962
— „Technik“
© 2020 GegenStandpunkt Verlag
In den rund 30 Jahren seit der ersten Auflage dieses Buches ist das bürgerliche Denken über Heidegger natürlich zu neuen Erkenntnissen gelangt, sich in einer Hinsicht freilich treu geblieben: seiner Kombination aus Unwillen und Unvermögen, in der Philosophie des Schwaben die faschistische Gesinnung zu entdecken, die er Zeit seines Lebens nicht verhohlen hat. Dies gilt auch und gerade für die große Entdeckung aus dem Jahr 2015, die „Denktagebücher“ des Philosophen, die von ihm „als der krönende Abschluss der Gesamtausgabe seiner Werke vorgesehen wurden“ (Die Zeit, 23.12.2015; alle folgenden Zitate ebd.) und in denen der kritische Geist in Feuilleton und Wissenschaft endlich fand, wonach er suchte: astreine Bekenntnisse zur NS-Propaganda von Volk und Führer, Rasse und Opfertum, die den großen Denker als Faschisten entlarven. Derart wollte man die Praxis des deutschsprachigen Philosophiebetriebs, Heideggers politische Gesinnung „nicht als von seinem ureigenen Denken getragen“ anzusehen, ihrer Unhaltbarkeit überführt haben – und hat doch nur ein weiteres Mal die etablierte Trennung zwischen dem Geist von Heideggers Philosophie und seiner Affinität zum Faschismus fortgeschrieben: In Textstellen, die der Mann erfreulicherweise seinem Gesamtwerk zugeordnet hat, hat man gefunden, dass er doch glatt „stets gesagt und geschrieben [hat], was er wirklich dachte – er war wirklich Faschist“. Am faschistischen Geist einer Philosophie finden kritische Antifaschisten einfach nichts zu kritisieren: Was der Denker „wirklich“ denkt, offenbart sich für sie erst dort, wo er sich offen zum Faschismus bekennt. Dass einer aus philosophischer Drangsal Faschist wird, kommt für sie nicht in Betracht.
Die weitgehend unveränderte Neuauflage des Bandes, der sich der Kritik bürgerlicher Wissenschaft widmet, zeigt, wie so etwas geht. Ein Artikel im Anhang befasst sich ausführlicher mit der im Vorwort von 1988 aufgegriffenen kritischen Diskussion um Heidegger.
© 2020 GegenStandpunkt Verlag
Ein neues Buch über Heidegger beweist, dass der verehrte Philosoph länger und häufiger mit politischen Vertretern des Faschismus verkehrt hat, als er selbst nach dem Ende des Dritten Reiches zugegeben hat.
Die bundesrepublikanischen Bildungsblätter wittern einen besprechenswerten Skandal im ewig fortgeschriebenen Problem der „Vergangenheitsbewältigung“. Einer, der unter Bildungsmenschen einiges gilt, verliert seine Glaubwürdigkeit – nur weil auf verehrungswürdige Geistestraditionen erpichte Anbeter von Gedanken, die sie – nein, nicht für korrekt, sondern – für groß halten, über eines erschrecken: Wenn sie merken, dass ein „großer Denker“ an dem Sündenfall der nationalen Geschichte mitgewirkt hat.
Über die Philosophie Heideggers scheint sich nach wie vor niemand aufzuregen. Philosophieprofessoren, seien sie nun Anhänger bzw. Schüler von ihm, seien sie nur Interpreten, die sich begabt und gelehrt genug wähnen, ihn zu „verstehen“, ist an den Lehren des „Seinsphilosophen“ nichts Anstößiges aufgefallen. Und insofern ist das bisschen Aufregung über die Mitteilungen im Buch von Víctor Farías, „Heidegger und der Nationalsozialismus“ (1987), gar nicht verwunderlich. Wer will sich schon gerne nachsagen lassen, einem leibhaftigen Komplizen des Faschismus Größe zu attestieren? Wer nimmt schon gerne zur Kenntnis, dass die „großen“ ethischen, kosmologischen und metaphysischen Fragen, die er bei Heidegger mit Respekt genießt, vereinbar sind mit einigem, was jedem Ethiker als Böses geläufig ist? Es ist, als ob die Gemeinde der philosophischen Tradition mit dem Verdacht befasst ist, dass ihre Geistesverwandtschaft mit Heidegger, auf die sie sich sonst einiges zugutehält, nun – nach der „Enthüllung“ – ein schlechtes Licht auf ihre ureigensten philosophischen Neigungen werfen könnte.
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