„Sie fragen nach der Konkurrenz“, wies sie ihn zurecht. „Ich weiß nicht, ob ich es Ihnen sagen kann.“
Gordon musste das entstehende Eis auftauen. „Ich heiße Paul und Sie?“
Die Bedienung wirkte auf einmal reservierter. Als Gallowayy sein charmantestes Lächeln hervorzauberte, legt sich dieses.
„Petra“, äußerte sie selbstbewusst. Dann lächelte sie wieder.
„Petra und Paul, wie die Heiligen“, antwortete der Amerikaner. Beide lachten. Gordon schwindelte, er müsse seine Mailbox in Bosten durchschauen, den Kaffee tränke er doch hier. Petra schaute sich um, dann beschrieb sie ihm, wie man zum nächsten IC kommt, wie man hier zum Internetcafe sagte. Gallowayy beschloss, den Stier gleich bei den Hörnern zu fassen. Er fragte nach dem Ende ihrer Arbeitszeit. Sie hatte nichts dagegen, dann noch etwas zusammen trinken zu wollen. Gallowayy hatte genügend Zeit, bis dorthin konnte er noch ausgiebig surfen.
Die Beschreibung von Petra war leicht verständlich. Er fand das Cafe ohne Schwierigkeiten. Es war aber ein anderes, das er kannte. Nur ein Teil der Computerplätze war besetzt. Man wies ihm einen Platz zu. Schnell loggte er sich ein. Zu Hause in New York zeigte die Mailbox nichts Bedeutendes. Er beantwortete einige Mails, dann wechselte er zu Google. Im deutschen Sprachraum fand er eine Menge Treffer was Burger betraf. Aber je mehr er seine Auswahlkriterien auch kombinierte, einen Walter Burger kannte das Internet nicht. Das überraschte den Amerikaner nicht wirklich. Er wusste ja, dass Waldfels/Burger sich versteckte. Es wäre schön, wenn es so einfach wäre. Er brauchte mehr Informationen und er hoffte, dass Hartung ihm diese liefern werde. Er fuhr den Computer herunter, bezahlte und machte sich auf den Weg zum Cafe, wo er auf Petra warten würde.
Duisburg Röttgersbach
Eigentlich liebte sie das Bügeln nicht, aber es gehörte zu den Hausarbeiten, die getan werden mussten. Immer wieder unterbrach sie die Tätigkeit und schaute auf den Haufen der gebügelten Wäsche. Sie motivierte sie sich durch die abnehmende Menge des Wäschehaufens. Erst wenn der Haufen der zubügelnden Wäsche im Wäschekorb kleiner wurde, dann motivierte sie sich, den Rest auch noch schaffen zu können.
Christel Knoop trug ein Lagenkleid aus hellblauer Farbe, das mit raffiniertem Druck dunkelblauer Motive verziert war. Der Halbarm und der Rundausschnitt, sowie der fehlende Brustabnäher störten bei der Hausarbeit nicht. Sie hatte sich für diese Arbeit in das Esszimmer begeben. Gerne hätte sie ein eigenes Bügelzimmer gehabt, aber das Kinderzimmer war wichtiger als ein Bügelzimmer. Christel Knoop streckte ihren Oberkörper nach hinten und rieb mit dem Handrücken ihrer rechten Hand über die schmerzende Rückenmuskulatur.
Christel Knoop war eigentlich eine Frau von normaler Größe. Normal, wenn man die Vielzahl anderer Frauen zugrunde legte. Aber trotzdem war Sie mit ihrer Größe nicht zufrieden. So wie andere Frauen den Sitz ihres Mundes, die Form ihrer Nase oder die Art ihres Haartyps als Fehler ihres Aussehens empfanden, so haderte Christel mit ihrer Größe. Sie hasste es, zu anderen heraufschauen zu müssen. Vor allem, wenn die Situation des Kontaktes für sie unangenehm war. Dann wünschte sie sich heimlich einige Zentimeter größer zu sein. So könnte sie dann auf die unangenehme Person herabschauen. Aber die Biologie ihres Körpers hatte sie leider so unvorteilhaft ausgestattet. Es war ein altes Rezept weiblicher Logik, den Mängeln der Natur mit technischen Hilfsmitteln zu begegnen. So liebte sie Schuhe mit hohen Absätzen. Diese unterstrichen nicht nur ihre schlanken Beine, nein sie verschoben ihre Körpergröße über das Maß von 1,7 Metern hinaus. Leider was das Tragen dieses Schuhtyps mit Schmerzen verbunden. Aber alles im Leben hatte seinen Preis. So nahm sie tapfer diese Unannehmlichkeiten inkauf, nur um sich erhabener zu fühlen. Nur zu Hause trug sie flache Schlappen. Zwar war Mikael, ihr Mann, wesentlich größer als sie, aber in ihrer Ehe hatte sie ihre Position lange schon festgelegt. Da Mikael die Stellung seiner Frau nie hinterfragte, sie sogar unterstützte, hatte hier die Körpergröße keinerlei Bedeutung für sie.
Die Haustüre wurde aufgeschlossen. AnnaLena stürzt mit hochrotem Kopf an ihr vorbei in die Küche. Der Pferdeschwanz der Kinderfrisur schaukelte wie wild hin und her. Christel stellte wieder mit Befriedigung fest, dass AnnaLena die brünette Haarfarbe von ihr geerbt hatte. Der Kühlschrank wurde geöffnet, man hörte das Entweichen der Kohlensäure aus der Sprudelflasche. Dann begaben sich die Kinderschritte in ihr Zimmer. Christel kam diese Unterbrechung zupass. Sie setzte sich in einen Sessel und zündete sich eine Zigarette an. Nach einem tiefen Zug schaute sie Richtung Kinderzimmer. „AnnaLena!“ Christels Stimme klang laut und bestimmend.
„Ja Mami?“ AnnaLenas Stimme sendete eine Botschaft aus, als wüsste sie, was nun folgen würde.
„Ich hätte gerne ein >Hallo Mutter< und einen Kuss von dir.“
Das Kind erschien in der Türöffnung und zögerte. Das „Hallo Mutter“ klang kleinlaut. „Muss das mit dem Kuss sein? Ich bin doch schon groß.“ Das Kind strich mit ihren Händen über das langärmlige grüne T-Shirt, welches mit einer braunen Applikation bedruckt war, die für eine Sackfabrik warb.
„Ach, zum Küssen kann man nicht zu alt sein. Denke an deinen Vater.“
So ganz von dem Argument überzeugt war das Kind nicht. Nur wiederwillig gab sie ihrer Mutter einen Kuss auf die hingehaltene Wange. So langsam, wie sie ins Esszimmer gekommen war, um so schneller war sie wieder verschwunden. Christel Knoop genoss den inhalierten Rauch ihrer Zigarette. Dann nahm sie eine Hose aus dem Wäschekorb, um diese auf das Bügelbrett zu legen.
„AnnaLena!“
Die Antwort war eine wiederwillig murmelnde Kinderstimme. Nur wenn man genau hingehört hätte, wären die Worte. „Ja was ist denn jetzt schon wieder?“ zu verstehen gewesen. Da aber AnnaLena auch beim zweiten Anruf nicht erschien, blieb die Hose ungebügelt auf dem Bügelbrett liegen. Christel zog an der Zigarette und begab sich ins Kinderzimmer. Das Mädchen saß mit angezogenen Beinen auf dem Bett, ihr Handy auf den Oberschenkeln. Voll konzentriert tippte sie auf die Tastatur ein. Die Schnelligkeit der Fingerbewegung zeigte, wie geübt sie in dieser Tätigkeit war.
„Was mailst du?“
„Ich muss der Steffi noch sagen, dass wir morgen auf den Abenteuerspielplatz gehen sollten.“
„Aber du hast doch gerade noch mit Steffi gespielt?“
„Aber da hatten wir Wichtigeres zu tun.“ Die Kinderstimme nahm einen ungnädigen Ton an.
„Du hast auch noch etwas wichtiges zu tun, schon vergessen?“
„Wichtiges?“ Das Interesse des Kindes war geweckt. „Ja, was denn?“
„Mach das Handy aus.“ Sie ging zur Türe und drehte sich im Durchgang um. „Ich meine das mit deinen Hausaufgaben.“
Die Gesichtszüge AnnaLenas wechselten vom Erwartungsvollen zur Enttäuschung. „Immer, wenn euch Erwachsenen nicht mehr einfällt, dann kommt ihr uns mit Hausaufgaben.“
„Wie gut, dass wir im Gegensatz zu unseren Kindern das Wichtige nicht vergessen.“
Grummelnd begab sich AnnaLena in den Flur und kam mit dem Schulranzen zurück.
„Darf ich in meinem Zimmer arbeiten Mami?“
Christel wusste, dass dies nur zum Spielen mit dem Handy führen würde. Sie schüttelte ihren Kopf. „Mami war den ganzen Tag alleine. Es wäre schön, wenn du dich zu mir setzen würdest. Dann können wir Fragen zu den Hausarbeiten sofort besprechen. AnnaLena setzte sich an den Wohnzimmertisch, packte ihren Ranzen aus und begann mit ihren Hausaufgaben. Wieso diese Tätigkeit so wichtig sein sollte, dies leuchtete ihr im Moment allerdings nicht ein.
Christel kontrollierte gerade die Rechenaufgaben, als Mikael mit einem „Hallo, Ihr Lieben!“ ihre Aufmerksamkeit erregte und mitten in der Wohnung stand. Sofort waren die Hausaufgaben vergessen und AnnaLena stürzt sich in die Arme des Vaters.
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