Volker Greulich
Der Mann aus Anderland
Die Tage des Schwertmeisters
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Inhaltsverzeichnis
Titel Volker Greulich Der Mann aus Anderland Die Tage des Schwertmeisters Dieses ebook wurde erstellt bei
1. Frust und Ärger
2. Die Mine
3. Wassenpol
4. In den Deimon-Bergen
5. Ein Fährmann in Geerenfurt
6. Eine Seereise
7. Der Schwertmeister
8. Die Nachricht der Großmagierin
9. Tonya Roberts
10. Das Schwert
11. Gefahren in Wassenpol
12. Das Nachtgefecht
13. An die Grenze
14. Geänderte Pläne
15. John Hemmings
16. Flucht
17. Herausforderungen
18. Die ratlose Ratsversammlung
19. Die Schlacht
20. Ende und Anfang
Impressum neobooks
Es war ein miserabler Tag gewesen, einer von vielen in letzter Zeit. Eigentlich gab es ohnehin seit einer ganzen Weile kaum noch gute Tage, sondern fast nur noch schlechte und wirklich schlechte. Der heutige Tag hatte wieder einmal alles gehabt, was die Stimmung so richtig versaute. Der Chef hatte wie immer lustig Arbeitsaufträge verteilt, obwohl er ohnehin kaum noch hinterher kam. Die Arbeitsbelastung hatte in den letzten Jahren ständig zugenommen. Neue Stellen waren nicht geschaffen worden, alte wurden stillschweigend gestrichen, wenn Kollegen den Betrieb verließen. Stattdessen hatten interne Reorganisationen immer damit geendet, dass seiner Stelle neue Zuständigkeiten zugefallen waren. So kam es dann zu Fehlern. Die führten dann zu Ermahnungen, dass er müsse sorgfältiger arbeiten. Es wurden zusätzliche Kontrollsysteme eingeführt, zusätzliche Formulare waren auszufüllen, und es gab einfach mehr tun.
Er mühte sich ab, aber so allmählich fühlte er sich den Anforderungen einfach nicht mehr gewachsen. Doch die Sachen einfach hinschmeißen, das ging auch auch nicht. In seinem Alter war es nicht so einfach, eigentlich sogar fast unmöglich, einen Job in seiner Branche mit vergleichbarem Gehalt zu finden. Die Alternativen waren Hartz IV oder vielleicht ein Job im Callcenter.
Die Tochter war zwar aus dem Haus, aber sie studierte, und dadurch wurde sein Bankkonto auch gefordert. Seine Frau hatte ihn zwar vor ein paar Jahren verlassen und war selbst berufstätig, trotzdem war die Trennung finanziell nicht folgenlos geblieben.
Beförderungen waren schon lange kein Thema mehr, es ging nur noch darum, irgendwie über die Runden zu kommen. So ging es dann jeden Tag aufs Neue in die Tretmühle. Gerade heute hatte es wieder ein ausgesprochen unerfreuliches Telefongespräch mit einem wichtigen Kunden gegeben. Ein blöder Fehler war ihm unterlaufen, eigentlich nicht mal ihm selbst. Aber das Dokument, das rausgegangen war, hatte seine Unterschrift getragen. Und so hatte er am Telefon die ätzende Kritik über sich ergehen lassen müssen.
Am Ende war der Tag doch irgendwie zu Ende gegangen, und er war jetzt auf dem Weg zu seinem Auto. Georg Milden war Anfang 50, leicht übergewichtig und schwer desillusioniert. Seit einiger Zeit betrieb er Sport, Fitness-Studio, Schwimmen, Laufen. Vor ein paar Wochen hatte er am Halbmarathon teilgenommen und war lebend ins Ziel gekommen. Seiner Gesundheit hatte dies gut getan. Aber an besonders schwarzen Tagen fragte er sich auch schon mal, ob ein Herzinfarkt denn nicht die reizvollere Alternative wäre.
Dann, auf halbem Weg zwischen Büro und seinem Wagen, fing es an zu regnen. Er hatte morgens einen Schirm eingesteckt, aber der lag jetzt im Auto. So ein Mist. Er wollte nur noch nach Hause. Endlich erreichte er den Parkplatz. Den Luxus leistete sich Georg Milden, trotz hoher Benzinpreise fuhr er täglich mit dem Auto nach Köln. Auf dem Weg zur und von der Arbeit wollte er ein bisschen Ruhe und Privatsphäre haben, in der S-Bahn war das nicht möglich.
Er schloss den Wagen auf und ließ sich in den Fahrersitz sinken. Dann legte er eine CD ein. Manowar, Heavy Metal. Das brauchte er jetzt. So setzte er sich in Bewegung, fuhr vom Parkplatz runter und quälte sich durch den Feierabendverkehr, die Abenddämmerung und den immer heftiger werdenden Regen in Richtung Autobahn. Aus dem Lautsprecher tönten die harten, elektrisierenden Rhythmen von 'Die with Honor'. Er summte mit und trommelte mit den Fingern rhythmisch aufs Lenkrad. Aber heute war er so schlecht gelaunt, dass die Musik ihn nicht wirklich ablenkte. Ehrenvoll sterben, der Ehre entgegen reiten. An dem täglichen Wahnsinn, der sein Leben prägte, war nichts wirklich großartig und ehrenvoll. Und überhaupt, ehrenvoll sterben, was sollte das denn? Er wollte sein Leben bewältigen und brachte nicht mal das zustande.
Schließlich erreichte er die Autobahn, und dort kam er zunächst ganz gut voran. Dann kam es, wie es kommen musste: Stau. Es ging kaum noch vorwärts, und Georg Milden hatte jetzt wirklich genug. Zum Glück befand er sich in der Nähe einer Ausfahrt, da fuhr er ab. Andere Fahrer hatten sich ebenfalls für diese Variante entschieden, und der Verkehr auf der Bundesstraße war nur geringfügig weniger dicht als auf der Autobahn. Weiter der Bundesstraße zu folgen, hieße eine schier endlose Abfolge von Ampeln erdulden zu müssen, was selbst ohne hohes Verkehrsaufkommen nervend war. Deshalb entschied er sich dafür, lieber noch einen weiteren Umweg machen, und zwar über eine für gewöhnlich wenig befahrene Landstraße, die durch ein Waldstück führte. Also Blinker raus und links abgebogen.
Hier war es besser. Mann, hatte er die Faxen dicke. Er hatte keine Lust mehr, er hatte absolut keine Lust mehr.
Die Baustelle sah er erst im letzten Moment. Totalsperrung, die Straße war unpassierbar. Den Wagen konnte er noch gerade so abbremsen. Warum verdammt war denn da an der Abzweigung kein Schild gewesen, das auf die Sperrung hinwies. Oder hatte er es einfach übersehen? Mist, jedenfalls, Mist. Drehen konnte Georg Milden hier nicht. Aber etwa 50 Meter hinter ihm befand sich ein Wanderparkplatz, da würde er wenden. Genervt legte Georg Milden den Rückwärtsgang ein, setzte den Wagen zurück und lenkte ihn auf den Parkplatz. Als er gerade den Wagen wenden und auf die Straße zurückfahren wollte, bemerkte er aus dem Augenwinkel eine Bewegung. Verdammt, da lag am Waldrand doch jemand am Boden. Es war jetzt fast dunkel, und er konnte nur Umrisse erkennen. Auch das noch. Was würde dieser Tag noch alles bringen, nur um ihn zu quälen und von der wohlverdienten Ruhe zu Hause fernzuhalten.
Einen Moment lang war Georg Milden versucht, einfach wegzufahren. Aber er wusste, dass er sich dann den ganzen Abend Gedanken machen würde: Was, wenn er jemanden, der vielleicht verletzt war und Hilfe brauchte, sich selbst überlassen hätte?
Sich in sein Schicksal ergebend löste er den Sicherheitsgurt und stieg aus. Es regnete immer noch, und der Boden war matschig. Er ging zum Waldrand und wirklich, da lag eine alte Frau und wimmerte. Na, dann war es ja besser, das er sich einen Ruck gegeben hatte. Die Frau hatte ihn entdeckt. 'Söhnchen, so gut von Dir, komm und hilf mir.' Sie sprach mit einem komischen Akzent und trug altmodische Kleidung, ein knöchellanges Kleid, eine Strickjacke und ein Kopftuch, das wohl beim Sturz verrutscht war.
'Warten Sie, ich helfe Ihnen. Sind Sie verletzt?' 'Hilf mir, Söhnchen, hilf mir auf.' Komischer Akzent und “Söhnchen“, wahrscheinlich eine Russlanddeutsche oder aus Kasachstan oder von sonst wo. 'Kommen Sie, dann wollen wir mal sehen, ob Sie stehen können.' Die alte Frau streckte die Hand aus, und Georg Milden ergriff sie und zog vorsichtig. Doch dann sprang die Alte überraschend flink auf, und ehe er wusste, wie ihm geschah, kletterte sie auf seinen Rücken und klammerte sich fest. Mit veränderter, krächzender, böser Stimme schrie sie ihm ins Ohr. 'Du dummer Esel, jetzt bist Du mein Sklave bis in alle Ewigkeit. Vorwärts Esel, trage Deine Besitzerin. Du wirst mich nie mehr abschütteln können. Und jetzt lauf!'
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