Heinz Michael Vilsmeier - Mann ohne Kindheit

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"Mann ohne Kindheit – Vom Opfer zum Täter." ist ein Interview mit einem pädophilen Straftäter, der sich seit 16 Jahren im Maßregelvollzug befindet. Der Text ist insofern beispiellos, als er sowohl aus Opfer- wie auch aus Tätersicht Einblick in den kommerziell organisierten Kindesmissbrauch in Deutschland gewährt. In einer Parallelwelt zur bürgerlichen Gesellschaft ist der Handel mit Kindern, die Herstellung und der Vertrieb von Kinderpornographie und die Prostitution von Kindern mitten in Deutschland erschreckender Alltag. Das Buch verdeutlicht die Funktionsweise des organisierten Kindesmissbrauchs. Dies geschieht sowohl in privaten, wie auch in kommerziell organisierten Zusammenhängen. Die dafür erforderlichen Strukturen befinden sich in der Hand international agierender Organisationen. Das Kundenklientel existiert unabhängig von Schicht- oder Klassenzugehörigkeiten, Bildungsstand, Nationalität, Religion, Kultur oder weltanschaulicher Ausrichtung.
Gesellschaftliche Ächtung und staatliche Strafandrohung haben die potentielle Erpressbarkeit der Täter zur Folge. Die Drahtzieher des organisierten Kindesmissbrauchs nutzen diese Erpressbarkeit zur Einflussnahme auf die Politik, die staatliche Verwaltung, die Justiz oder die Wirtschaft.
Die Gespräche ereigneten sich im Besucherraum einer forensischen Einrichtung. Sie mussten abgebrochen werden, als zwischen dem Informanten und dem Pflegepersonal Konflikte aufbrachen. Die letzte Begegnung fand in einem hoch gesicherten Raum mit Trennscheibe statt. Der Informant wurde ohne weitere Ankündigung in eine andere Einrichtung verlegt.
Der damit verbundene Abbruch der Therapie und die plötzliche Verlegung des Informanten zeigen, auf welch dünnem Eis sich der Autor des Buches bewegt. Dies gilt sowohl in Hinblick auf rechtliche Risiken, wie auch in Hinblick auf die beteiligte Mafia. Diese Risiken dürfen nicht unerwähnt bleiben, da Warnungen bis hin zu Drohungen den Verlauf der Gespräch entscheidend beeinflusst haben.

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Heinz Michael Vilsmeier

Mann ohne Kindheit

– Vom Opfer zum Täter.

Impressum:

Mann ohne Kindheit – Vom Opfer zum Täter.

Heinz Michael Vilsmeier

Copyright: © 2015 Heinz Michael Vilsmeier

Verlag: epubli GmbH, Berlin

www.epubli.de

ISBN 978-3-7375-4097-1

Interview mit einem pädophilen Straftäter.

Vorwort

Im April 2014 erfuhr ich von dem Wunsch eines pädophilen Straftäters, seine Erfahrungen im kommerziell organisierten Kindesmissbrauch biographisch zu verarbeiten. Zu diesem Zeitpunkt befand sich Bonobo, wir einigten uns zu einem späteren Zeitpunkt auf dieses Pseudonym, seit 16 Jahren im Maßregelvollzug.

In der Weitergabe seiner Erlebnisse sieht Bonobo, der sich mittlerweile medikamentös behandeln lässt, einen wichtigen Schritt im Rahmen seiner Therapie. Ein weiteres Motiv ist der Versuch, die Öffentlichkeit über den kommerziellen Kindesmissbrauch aufzuklären und so zum Schutz der betroffenen Kinder beizutragen. In der Tat ist das Wissen über organisierten Kindesmissbrauch in der Gesellschaft nur marginal vorhanden. Dies zeigen Diskussionen im Kontext bekannt gewordener Missbrauchsfälle. Als Beispiel nenne ich die öffentliche Diskussion über "Posingfotos" und, in Reaktion darauf, die Positionierung des Gesetzgebers. Kinder, die zur Herstellung solcher Aufnahmen gezwungen werden, müssen die spitzfindige Diskussion über die Frage, wo bei Posingfotos die Grenze zur Pornographie verlaufe, als zynisch empfinden.

Vor den Gesprächen mit Bonobo wusste ich buchstäblich nichts über kommerziellen Kindesmissbrauch. Ich habe gelernt, dass eine Parallelwelt zur bürgerlichen Gesellschaft existiert, in der Handel mit Kindern, die Herstellung und der Vertrieb von Kinderpornographie und die Prostitution von Kindern Alltag sind. Das Geschäftskonzept des organisierten Kindesmissbrauchs basiert auf der Tatsache, dass sich ein gewisser Prozentsatz von Menschen jeden Alters und jeden Geschlechts von Kindern sexuell angezogen fühlt und dem daraus resultierenden Verlangen Befriedigung verschafft. Dies geschieht in privaten und kommerziell organisierten Zusammenhängen. Kriminelle Akteure beschaffen Kinder, versklaven und unterwerfen sie der sexuelle Ausbeutung. Die dafür erforderlichen Strukturen befinden sich in der Hand international agierender Mafiaorganisationen. Das Kundenklientel existiert unabhängig von Schicht- oder Klassenzugehörigkeiten, Bildungsstand, Nationalität, Religion, Kultur oder weltanschaulicher Ausrichtung.

Gesellschaftliche Ächtung und staatliche Strafandrohung haben die potentielle Erpressbarkeit der Täter zur Folge. Die Drahtzieher des organisierten Kindesmissbrauchs nutzen diese Erpressbarkeit zur Einflussnahme auf die Politik, die staatliche Verwaltung, die Justiz oder die Wirtschaft.

Die Gespräche mit Bonobo ereigneten sich im Besucherraum einer forensischen Einrichtung. Sie mussten abgebrochen werden, als zwischen Bonobo und den Mitarbeitern der Einrichtung Konflikte aufbrachen, die in kürzester Zeit eskalierten. Die letzte Begegnung fand in einem hoch gesicherten Raum mit Trennscheibe statt. Bonobo wurde ohne weitere Ankündigung in eine andere Einrichtung verlegt. Er hofft nun auf eine Entlassung im Rahmen der gesetzlichen Regelung.

Es ist nicht meine Absicht, Fürsprecher eines pädophilen Straftäters zu sein oder um Mitleid für diesen zu werben. Der überraschende Abbruch der Therapie und die plötzliche Verlegung Bonobos zeigen aber, auf welch dünnem Eis ich mich mit der Veröffentlichung dieses Interviews bewege. Dies gilt sowohl in Hinblick auf rechtliche Risiken, wie auch in Hinblick auf die Mafiaorganisation, von der nachfolgend die Rede ist. Ich möchte diese Risiken nicht unerwähnt lassen, da Warnungen bis hin zu Drohungen den Verlauf der Gespräch entscheidend beeinflusst haben. In welcher Form dies geschah, geht aus dem nachfolgenden Text hervor.

Erster Tag

Ich wollte zeigen, dass ich anders bin.

HMV:: Das Aufnahmegerät ist jetzt angeschaltet …

Bonobo: … wie groß ist da der Speicher?

HMV: Wir können ca. 3 Stunden Gespräch speichern.

Bonobo: Oh – das reicht!

HMV: Darf ich Sie mit Ihrem wahren Namen ansprechen?

[Schweigen]

HMV: Bonobo, wir befinden uns in einer forensischen Klinik, einem Zwischending zwischen Strafvollzug und Therapie, dem sog. Maßregelvollzug. Seit wie vielen Jahren sind Sie hier?

Bonobo: Insgesamt bin ich seit 16 Jahren untergebracht, 5 Jahre in Lohr am Main, 10 Jahre in Straubing und seit Februar hier in Mainkofen.

HMV: Wie ist das Leben in einer solchen Einrichtung?

Bonobo: – Den Umständen entsprechend …, eigentlich ganz gut. Man muss seine Ansprüche etwas herunter schrauben – aber wenn man daran denkt, was man gemacht hat, dann ist das alles auch zurecht, dann ist es gar nicht so übel.

HMV: Wie sieht Ihr Alltag aus?

Bonobo: Also hier ist es jetzt so: 6 Uhr morgens steh ich auf, frühstücke, rauche, trink Kaffee, dann wasch ich mich, zieh mich um. Dann ist Arbeiten angesagt, industrielle Fertigung. Dann ist Pause, Mittag, dann geh ich nachmittags wieder arbeiten. Nach der Arbeit rauche ich, sitze am Computer, versuche irgendwie etwas, was ich noch kann, was ich noch weiß, umzusetzen. Musik hören – Klassik, Lesen und Englisch lernen, auch Keyboard übe ich derzeit. Momentan ist da noch nicht viel. Ich habe noch keinerlei Stufen … Von daher gesehen, ist da nichts.

HMV: Was haben Sie in den forensischen Kliniken gemacht, in denen Sie davor waren?

Bonobo: Im Grunde genommen war es ähnlich, es ist eigentlich alles gleich. - In Straubing hat es den einen großen Vorteil, dass es ein großer geschlossener Bereich ist, wo es keine Lockerungen gibt. Wenn man jemand besuchen möchte, geht man zum Pfleger und sagt: Ich möchte da und da hin, dann bringt der einen da hin, also auf die Station. Da kann man sich gegenseitig besuchen. Dann ist ein Freizeitbereich da, mit Kaffeeautomat, Süßigkeitenautomat. Man kann einmal die Woche einkaufen gehen, so ein etwas teurer Kiosk, EDEKA, der sündhaft teuer und unfreundlich ist … Das ist der Moder.

HMV: Der Laden ist in dem geschlossenen Bereich …?

Bonobo: In dem geschlossenen Bereich. Man kann auch begleitet Fußball spielen und Sport machen. Früher war da ein großes Schwimmbad drin, das haben sie dann aber zugemacht, weil es so wenig benutzt worden ist. Da haben sie aber jetzt den Kraftsport untergebracht, moderne Geräte, alles. Wenn man sich für Sport interessiert, kann man da oft hin, auch am Wochenende. Da habe ich mich auch noch anderweitig beschäftigt, mit Klavierspielen und Lesen. Gitarre habe ich dann noch gemacht. Da hat man den Vorteil noch, dass wir DVDs und Videos haben, womit natürlich immer wieder Schmu gemacht wird, aber das ist halt so, das bleibt halt nicht aus.

HMV: Man nennt das „Maßregelvollzug“ – was ist Ihrer Meinung nach das Besondere daran, im Vergleich zum „Strafvollzug“?

Bonobo: Also heute heißt es ja „Sicherung vor Therapie“, ist also etwas umgedreht. Der große Unterschied ist, dass man in einem Krankenhaus ist, man als Kranker behandelt wird. Die Zimmertüren sind den ganzen Tag offen, es ist eine Therapie da, man muss sich mit sich selbst beschäftigen. Wenn man keine Therapie macht, dann … geht halt auch nichts, dann sitzt man eben 10 Jahre in Straubing. Der große Unterschied ist, dass man an sich arbeiten muss, um zu erkennen, was man gemacht hat und um daran etwas zu ändern, damit man straffrei durchs Leben gehen kann.

HMV: Sie meinen, wenn man nicht bereit ist, eine Therapie zu machen, dauert es sehr viele Jahre, um jemals wieder einmal aus dem Vollzug heraus zu kommen. …

Bonobo: Richtig. Also man kann sagen, ich habe 10 Jahre, also mit Lohr 5 und dann mit Straubing, verloren, weil ich einfach nichts kapiert habe – nichts gemacht und nichts kapiert. Und ich habe mir gedacht: „Hat eh keinen Sinn, komme eh nicht mehr raus!“ Also ich hatte die Hoffnung aufgegeben gehabt.

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