Bonobo: Richtig. Der ist nicht weg. Darum habe ich mich entschieden, die Einnahme von Salvacyl zu probieren. Das ist ein triebdämpfendes Mittel. Das habe ich jetzt seit einem Jahr und das Körperliche, das rein Körperliche, ist auf Null gestellt. Bei mir wirkt das Salvacyl so, dass ich impotent bin, ich kriege keine Erektion mehr. … Hab auch überhaupt kein Interesse daran. Was das betrifft, ist körperlich alles – tot. Kopfmäßig arbeitet noch ein bisschen was – aber es ist kein Vergleich zu früher. Absolut nicht!
HMV: „Kopf-mäßig noch ein bisschen was“ bedeutet, Sie haben Phantasien, sexuelle Phantasien – insbesondere pädophile Phantasien?
Bonobo: Nein, das eigentlich nicht. Aber wenn ich jetzt mal Fernsehen schaue und da springt ein Kind über den Bildschirm, dann denke ich: 'Ja, ist der süß!', oder: 'Ist die süß!' Das ist alles sehr, sehr abgeschwächt. Es ist halt … Aufgrund meiner eigenen sexuellen Erfahrungen als Kind … Es hat halt eine andere Qualität! … Ich weiß gar nicht, wie ich das am besten erklären soll! … Es ist ein gewisser Drang da, ein gewisser Wunsch, mich Kindern zu nähern. Jetzt nicht unbedingt sexuell – aber es ist ein Drang da, ein Kind zu berühren, ein Kind anzufassen, in den Arm zu nehmen, zu knuddeln, zu kuscheln … Ist da! … Also Kinder ist für mich … Ist meine Welt! Das wollte ich ja irgendwie in den Griff bekommen, weil ich nicht weiß, ob ich eine Grenze erkenne. Dass meine ich damit, dass der Kopf noch arbeitet.
HMV: Sie haben gesagt, aufgrund Ihrer „eigenen Sexualität als Kind“. – Wie ist Ihre Kindheit verlaufen?
Bonobo: Soll ich ganz von vorne anfangen?
HMV: Fangen Sie da an, wo Sie wollen. Wir haben alle Zeit der Welt.
Bonobo: Also geboren bin ich im Dezember '70! Laut meiner Mutter war ich eine recht schwierige Geburt, habe nach der Entbindung aufgehört zu atmen, man hat mich dann wieder zurück geholt. – Ja. Ich bin in einer kleinen Stadt aufgewachsen, am Stadtrand, direkt. Recht idyllisch, der Wald direkt vor der Haustür. Als ich fünf Jahre alt war, habe ich im Sandkasten gespielt, da kam ein Nachbar, von dem ich wusste, dass meine Familie früher mit ihm einen guten Kontakt hatte aber wir so uns nicht richtig verstanden haben. … Der spricht mich an. … Ich war ganz von den Socken, dass der mit mir überhaupt normal spricht. Und der lockt mich in seine Wohnung, wollte mir etwas zeigen. Dann hat er mich auf den Tisch gestellt, mein T-Shirt ausgezogen, hat mich ständig gelobt, wie hübsch ich denn sei … Schöner Bauch und hin und her. Dann hat er mir die Hose runter gezogen, hat angefangen, an meinem Penis zu spielen, hat ihn dann später auch in den Mund genommen. … Ja, das war meine erste – sexuelle Erfahrung.
HMV: Wie stand dieser Mann in Beziehung zu Ihrer Familie?
Bonobo: Es gab 'mal, damals anscheinend, ein nachbarschaftliches Verhältnis. Anscheinend so, dass man sich gegenseitig besucht hat. Ich hab 'mal Bilder gesehen, wo dieser Mann mich gewickelt hat – und alles drum und dran.
HMV: War er in die Familie integriert?
Bonobo: Ein Zeit lang, ja. Ich kann mich nicht daran erinnern, wie lange das gegangen ist. Ich kannte ihn nur als, heute würde ich sagen, verbitterten Mann.
HMV: Später …?
Bonobo: Später – ja! Also, soweit ich mich daran erinnern kann. Es war, wie gesagt, das erste Mal, dass er überhaupt mit mir gesprochen hat und auch nur ein freundliches Wort zu mir gesagt hat.
HMV: Aus welcher Familie kommen Sie – was machen Ihre Eltern?
Bonobo: Mein Vater war Berufskraftfahrer. Inland. Meine Mutter war Hausfrau, hat aber immer, irgendwie so, als Avon-Beraterin was gemacht. Oder auch diese Tupperware. AMC-Töpfe – solche Sachen. Später hat sie sich dann selbständig gemacht, mit einem Imbiss, wo sie dann auch ihren späteren Freund kennengelernt hat.
HMV: Kann man sagen, dass Ihre Eltern, Ihr Vater, dadurch, dass er Berufskraftfahrer war, sehr häufig unterwegs waren?
Bonobo: Ja. … Ja!
HMV: Können Sie sich erinnern, ob Sie ihn vermisst haben, wenn er nicht anwesend war?
Bonobo: Ich war froh, dass er fort war! Wir waren heilfroh! Der war einfach nur jähzornig. Man konnte ihm, also meine Mutter, konnte ihm einfach nichts recht machen. Also ich hab relativ wenig abgekriegt – so war es nicht! Ich war ja das Nesthäkchen und ich war ja sein Sohn – zumindest bis ich in die Schule gekommen bin. Aber … Man konnte ihm schlecht was recht machen. – Entweder war ihm das Essen zu salzig oder es war zu viel Muskat, oder zu wenig … Er hat ständig irgendetwas auszusetzen gehabt! Und wehe, die Wohnung war nicht nach seinem Geschmack sauber, dann …
HMV: … Hatten Sie Angst vor Ihrem Vater?
Bonobo: Teilweise ja. – Teilweise ja! Ich kann mich an wenig schöne Momente erinnern. Ich weiß noch, dass wir uns bei unserem Nachbarn versteckt haben, wenn mein Vater so ausgeflippt ist. Er hat uns 'mal raus geschmissen, da war, glaube ich, meine Schwester elf. Da war ich so um die sechs 'rum.
HMV: Wie viele Geschwister haben Sie?
Bonobo: Ich hab eine Schwester. Die ist fünf Jahre älter wie ich. Da hatte ich meinen Schlüssel verloren und der ist da ausgetickt, hat uns aus der Wohnung raus geschmissen und hat da geplärrt: „Ihr braucht ohne Schlüssel erst gar nicht mehr heim zu kommen, ihr Dreckskrüppel!“ Dann sind wir die halbe Nacht herumgerannt …
HMV: Haben Sie von Ihrem Vater körperliche Gewalt erlebt?
Bonobo: Ja. Anfangs, wie gesagt, nicht so, aber später war ich ihm dann scheißegal, ich war nur noch der Krüppel, der Bastard. Ich hab halt nicht seinen Vorstellungen genügt. Er hat ja weniger geschlagen als getreten. Also, sich auf den Boden werfen, um den Schlägen zu entgehen, brachte nichts, da er dann zugetreten hat.
HMV: Wie hat sich Ihre Mutter dabei verhalten?
Bonobo: Sie hat versucht, sich zwischen den Vater und die Kinder zu stellen, aber mit wenig Erfolg. Er hat sich halt dauernd aufgeregt. Als wir von dem Schlüsselsuchen nach Hause kamen, wir hatten den gefunden, da stand der Krankenwagen vor der Tür und hat meine Mutter abgeholt, mit dem Loch im Kopf. Da hatte mein Vater den Stuhl an Muttis Kopf geschmissen.
HMV: Ist die Erinnerung an diesen Mann, der Sie in seine Wohnung gelockt hat, die erste, die Sie an ihn haben?
Bonobo: Ja. – Wie gesagt, was ich noch weiß ist, dass er früher uns Kinder, alle miteinander, nicht nur mich, ignoriert hat, sich eher noch beschwert hat, dass wir zu laut waren. … Solche Sachen. Wirklich aktiv kann ich mich daran erinnern, wie er mich in die Wohnung mitgenommen hat. Ich war, soweit ich mich erinnern kann, vorher nie oben in der Wohnung. Das war das erste Mal.
HMV: Wie ist das weiter gegangen?
Bonobo: – Soll ich das so sagen, wie ich es heute weiß, oder wie es mir früher vorkam?
HMV: Vielleicht können Sie beide Versionen erzählen. Fangen Sie doch damit an, wie Sie es damals erlebt haben.
Bonobo: Also dann ist das alles komplett unabhängig. – Ich hab im Sandkasten mit einem Nachbarsjungen, Oliver hat der geheißen, gespielt. Der wurde dann von seinem Vater nach Hause gerufen – vielleicht weil es zum Essen war, keine Ahnung. Oliver hat mich gefragt, ob ich nicht mitkommen wolle. Ich fand: „Ja gut, bevor ich jetzt alleine da unten herumhocke, gehe ich mit!“ Dann sind wir da hingekommen. Wir durften spielen, wir durften alles machen, was wir wollten! Also, das war ein … Kinderparadies. Wir durften im Bett herum hüpfen, auf der Couch … Wir durften alles, was wir wollten. Das hat mir natürlich gefallen. Der Oliver hat mich dann wieder eingeladen. Dann fingen die ersten Dinger an – dass wir uns ausziehen können. Wir können doch in der Unterhose spielen und so … Das haben wir dann auch gemacht, weil da war sein Vater noch alleine mit uns. Späterhin wurden wir animiert, das auch nackt zu machen, nackt zu spielen … Fangen, Verstecken, was auch immer. Das haben wir dann auch gemacht. Wie gesagt, ich war damals fünf, hab mir da nicht viel dabei gedacht. Irgendwann waren dann andere Männer und auch Frauen dabei, die uns beim Spielen zugeguckt haben. Wir wurden dann animiert, im Bett so Spiele zu spielen, wie sich gegenseitig anfassen, zusammen duschen …
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